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lama ole nydahl - die vier grunduebungen - tibet - ebooks - buddhismus

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Lama Ole Nydahl

Die vier Grundübungen

Ngöndro – die ersten Schritte im Diamantweg-Buddhismus

Joy - Verlag




Hinweise für die Aussprache
Bei allen Sanskrit- und tibetischen Wörtern gilt:
c und ch = tsch; j = dsch; sh = sch.





Joy Verlag GmbH, Sulzberg

Überarbeitete Neuauflage
© 2000 by Buddhistischer Dachverband Diamantweg e.V. (BDD e.V.),
Wuppertal



Bearbeitung: Catrin Hartung
Umschlaggestaltung,: Kuhn Grafik und Buchdesign, Zürich
Satz: Mathias Weitbrecht
Druck: Wilhelm Uhl, Buch- und Offsetdruck GmbH, Bad Grönenbach
Bindung: Franz Kraus, Kermpten


ISBN 3-928554-32-8

Scanned 2003 by David Lehmann


Inhalt

Vorwort 6
Einführung 7
Die vier grundlegenden Gedanken 14
Zufluchtnahme und Entwicklung des Erleuchtungsgeistes 18
Diamantgeist-Meditation 29
Mandala-Gaben 37
Geschichte der Kagyü-Linie 48
Meditation auf den Lama 65
Erklärungen zu den Namen der Buddha-Aspekte 87
Erklärung wichtiger Begriffe 89













Der 16. Gyalwa Karmapa und Hannah und
Lama Ole Nydahl in Kopenhagen 1976.

-6-
Vorwort

Bei jeder neuen Auflage eines Buches erfolgt natürlich ein
Rückblick über die vergangenen Entwicklungen. Diesmal entsteht
vor allem grosse Freude darüber, dass in den letzten Jahren die
Übertragung der Lehre Buddhas aus Tibet in den Westen so gut
gelungen ist. Die westlichen Schüler der Karmapa- und
Shamarpa-Lamas haben es weitgehend geschafft, die Mittel von
kulturbedingten Einengungen zu befreien und sie einer
wachsenden Zahl von kritischen, selbständigen Menschen zur
Verfügung zu stellen.
Dieses Buch und die darin enthaltenen Meditationen sind vor
allem für diejenigen gedacht, die eingehender mit ihrem Geist
arbeiten wollen. Die 100.000 Wiederholungen der Grundübungen
entfernen Schleier aus unzähligen Lebenszeiten und säen neue
nützliche Eindrücke in den Geist. Wer mit dieser Praxis beginnen
möchte, sollte sich von einem buddhistischen Lehrer zusätzlich
mündliche Erklärungen und die Übertragung dafür geben lassen.



Geniesst!


Eure Tomek, Caty, Hannah und Lama Ole

-7-
Einführung
Die Grundübungen sind nicht hoch genug einzuschätzen, da sie
genau mit den Dingen arbeiten, die uns täglich in Schwierigkeiten
bringen und uns daran hindern, unsere Erleuchtungsnatur zu
erleben und auszudrücken. Das Haupthindernis dabei ist, dass
der Geist an verschiedenen Eindrücken haftet, die sich ständig
verändern. Obwohl er zum Beispiel vorher nicht zornig war und es
fünf Minuten später auch nicht mehr sein wird, hält der Geist
seinen Zorn jetzt dennoch für wirklich, handelt danach und es
entstehen für die Zukunft neue Leiden. Diese ständige Bewegung
in einem unfreiwilligen Kreislauf ist unser gewohnter Zustand. Wir
haben nicht die Freiheit zu wählen, was wir gerne erleben wollen.
Der Buddha wünscht uns, stattdessen das zu erfahren, was seit
anfangsloser Zeit in uns liegt: die offene, klare Unbegrenztheit
unseres Geistes. Dieser ist offen wie der Raum, ohne Form,
Farbe oder Gewicht, leuchtend klar, voller Fähigkeiten und ohne
jegliche Einschränkungen, das heisst, er weiss alles und er kann
alles. Sein wahres Wesen ist riesige Freude, aktives Mitgefühl
und totale Unerschütterlichkeit.
Damit wir dauerhaft einen Zustand erleben können, in dem keine
Schwierigkeiten und kein Leid mehr auftreten, lehrte der Buddha
verschiedene Mittel: Auf der äusseren Ebene erklärte er das
Gesetz von Ursache und Wirkung, damit wir sicher sein können,

in Zukunft statt Leid Freude zu erleben. Menschen mit mehr Kraft
gab er die Belehrungen über Mitgefühl und Weisheit, und jenen,
die spontanes Vertrauen in ihre Buddha-Natur hatten, offenbarte
er die besonderen Mittel, die auf absoluter Ebene arbeiten und
uns zeitlose Wahrheit direkt erleben lassen.
Das Wichtigste ist die Erkenntnis der Leerheit aller Dinge, die
Erkenntnis, dass nichts dauerhaft existiert. Alles entsteht durch
bestimmte Bedingungen, ändert sich mit ihnen und löst sich
wieder auf. Aber nicht nur, wie wir die Dinge erleben, sondern
auch, was wir erleben, hängt von unseren Geisteszuständen ab.
Die Erkenntnis der Leerheit aller Dinge kann auf eine richtige und
auf eine falsche Weise erfahren werden: Falsch ist, wenn Leerheit

als ein „Nichts" oder ein „schwarzes Loch" erscheint, während
beim richtigen Verständnis ein Gefühl von Freiheit und
unbegrenztem Raum entsteht.
-8-
Um das zu erreichen, brauchen wir zwei Arten von Ansammlung:
Erstens die Ansammlung von nützlichen Eindrücken im
Speicherbewusstsein, von unerschütterlichen, kraftvollen
Eindrücken, auf die wir immer zurückgreifen können. Da wir noch
längere Zeit an vergänglichen Eindrücken haften werden, ist es
besser, sie sind angenehm. Diese Ansammlung setzt sich fort, bis
wir ein unerschütterliches Kapital von guten Eindrücken aufgebaut
haben. Dies gibt dem Geist Vertrauen und Lust in sich selbst
hineinzuschauen.
Die zweite Ansammlung ist der Aufbau von Weisheit. Damit ist
keine allgemeine weltliche Weisheit gemeint, wie wir sie zum
Beispiel in der Schule oder auf der Universität vermittelt
bekommen. Es geht hier nicht darum, mehr Wissen in den Geist

hineinzugeben, sondern ihn mühelos und spontan werden zu
lassen, den ersten Augenblick des Erlebens — noch bevor wir
anfangen, die Eindrücke in Systeme von Mögen und Nichtmögen
aufzuteilen - unendlich auszudehnen und dadurch alles frisch und
direkt zu erleben. Dies macht uns fähig mühelos zu handeln. Der
Aufbau guter Eindrücke vermehrt spontane Einsicht und wir
erkennen den Sinn nützlichen Handelns. Innerer Reichtum, das
Vermögen, die Dinge klar und ohne Filter zu sehen sowie die
Fähigkeit, in dem zu ruhen, was da ist, greifen ineinander. Genau
dies alles bekommen wir durch die Vier Grundübungen.
Der neunte Karmapa Wangchug Dorje lehrte diesen stufenweisen
Weg, dessen Ergebnis das Grosse Siegel (Mahamudra), die
höchste Erleuchtung ist. „Chag Chen Ngöndro", der tibetische
Name dieser Übungen, bedeutet „Vorbereitender Weg zur
Mahamudra-Praxis", in der Erleuchtung die Grundlage, die Weg
und das Ziel ist. Wir lassen einen Aspekt der Erleuchtung als
Form aus Licht und Energie im Geist entstehen, konzentrieren
uns auf ihn, sagen sein Mantra und verschmelzen schliesslich zu
einer Einheit mit ihm. Durch diese Formen aus Energie und Licht
geschieht schon alles in einem Reinen Land. So kann sich unsere

spontane Weisheit mehr und mehr entfalten. Durch die
Grundübungen entwickeln sich Stufen von Einsicht, die zur
absoluten Weisheit des Grossen Siegels führen, der Erkenntnis
der Natur aller Dinge, innen und aussen.
-9-

Sinn der ersten Übung, der Zufluchtnahme mit Verbeugungen und
dem Entwickeln des Erleuchtungsgeistes, ist es, unsere inneren
Energiebahnen zu reinigen sowie Kraft und Vertrauen

aufzubauen. Sie ist eine sehr wirkungsvolle körperliche Übung
und vermehrt vor allem die erste Art der Ansammlung.
Durch die zweite Übung, die Diamantgeist-Meditation, baut man
nicht nur viel Verdienst auf, sondern entwickelt ständig mehr
Weisheit. Auf relativer Ebene ist der Geist zwar noch weiterhin
von schädlichen Eindrücken zu reinigen, aber die Momente der
Verschmelzung, die Erlebnisse und Erfahrungen, die sich auch in
Träumen ausdrücken, sind wirklicher Weisheit schon wesentlich
näher. Das Leben berührt einen noch immer sehr persönlich, aber
die Augenblicke von Klarheit im Geist werden stärker.
Mit dem dritten Teil der Grundübungen, den Mandala-Gaben,
bauen wir Weisheit und positive Handlungen gleichermassen auf.
Wir lassen die Mandalas zunächst entstehen, lösen sie dann
wieder auf und schenken dabei den Buddhas alles Schöne aus
unzähligen Universen. Wir erkennen, dass die Buddhas, denen
wir etwas widmen, und unser eigenes inneres Wesen eins sind.
Die Verschmelzungsphase ist länger und die Einheit zwischen
uns, die wir geben, den Mandalas, die gegeben werden, und den
Buddhas, denen gegeben wird, tritt deutlich hervor. Die letzte
Übung, die Meditation auf den Lama, dient vor allem dem Aufbau
von Weisheit. Es ist eine Meditation auf unseren Lehrer Karmapa.
Ihr Kern ist die l6. Karmapa Meditation, der einige Anrufungen
und kostbare Grosse Siegel Erklärungen vorausgehen.
Auf der Grundlage der Reinigung durch die beiden ersten
Übungen und des inneren Reichtums aus den Mandala-Gaben
wird in der letzten Übung die zeitlose Verschmelzung von Körper,
Rede und Geist unseres Lehrers, des Karmapa, mit uns selbst

möglich. Unsere Hingabe für ihn öffnet uns, wir empfangen seinen
Segen und erleben höchste Weisheit.

-10-
Wir können diese Ansammlung von nützlichen Eindrücken durch
die gesamte Praxis hindurch verfolgen. Zu Beginn liegt der
Schwerpunkt auf Reinigung, Öffnung und nützlichen Handlungen.
Später dann gewinnt die Einswerdung mit dem Buddha-Geist
mehr und mehr an Bedeutung. Vertrauen wir unserer Buddha-
Natur, ist es möglich, diesen inneren Diamanten durch die
verschiedenen Praktiken vollkommen zu reinigen.

Für diejenigen, die bisher nicht mit diesen Übungen gearbeitet
haben und zum ersten Mal davon hören, mag dies alles ein wenig
mechanisch klingen, aber das beste Mittel, um die Buddha-Natur
immer mehr zu befreien, ist die Praxis der Wiederholungen. Sogar
die klügsten Gedanken, die uns jetzt sehr nützlich vorkommen,
sind wie Luftblasen: Sie zerplatzen, wenn wir sterben. Nur das,
was zur festen Gewohnheit im Geist geworden ist, was unsere
Ganzheit berührt, ist nicht allein im Leben eine wirkliche Hilfe.
Während des Sterbens werden die verschiedenen
Erleuchtungsenergien wach, wir begegnen Buddhas, Yidams und
Schützern, erkennen sie wieder und verschmelzen mit ihnen.
So, wie unsere Störungen durch die Wiederholungen
leidbringender Gewohnheiten und Einstellungen entstehen, so ist
die Wiederholung befreiender Übungen das Gegenmittel. Durch
sie werden die Schleier, die das Erleben der Natur unseres
Geistes verhindern, beseitigt, und Unerschütterlichkeit und Kraft
kommen zum Vorschein. Die Mahamudra-Vorbereitungen sind
der erste Schritt auf diesem Weg zur Erleuchtung. Die viermal
111.111 Wiederholungen zielen direkt auf das wahre Wesen
unseres Geistes ab und durchschneiden alle Illusionen.
Wenn wir, intellektuell sehr geschult, anfangen wollen zu

meditieren, merken wir, dass unser Körper zwar an einer Stelle
sitzt, unser Geist aber umherwandert oder dumpf wird. Blosses
Sitzen allein ist keine Meditation. Deswegen wurden die
beruhigenden Meditationen — Shine oder Shamata genannt — im
ursprünglichen tibetischen Diamantweg-Buddhismus erst nach

den Vier Grundübungen und nur in Ausnahmefällen auch
gleichzeitig praktiziert.
-11-
Im Diamantweg setzen wir unsere Ganzheit ein, das heisst
Körper, Rede und Geist, und nicht nur unsere Vorstellungen.
Schweift der Geist ab, bleibt die Rede beim Mantra, und wenn
auch hier die Konzentration nachlässt, hält wenigstens der Körper
die Eindrücke der Praxis fest.

Die Verbeugungen sind das Erste dieser ganzheitlichen Mittel.
Hier nehmen wir Zuflucht. Es ist sehr wichtig zu sehen, dass wir
während unseres ganzen bisherigen Lebens Zuflucht genommen
haben, aber nur zu vergänglichen Dingen. Nehmen wir zu Geld,
Erfolg, Jugend, Schönheit oder anderem Zuflucht, stehen wir
eines Tages mit verbrauchtem Kapital und ohne Zinsen da.
Nehmen wir aber Zuflucht zum zeitlosen Wesen unseres Geistes,
dann haben wir etwas, das niemals vergehen kann, unendlich
reich ist und sich immer neu gestaltet.
Alle vier Übungen wurden vor 2500 Jahren von Buddha selbst
gelehrt. Wir finden sie als gesammeltes Werk erstmals ungefähr
fünfhundert Jahre später an der Universität von Nalanda. Als die
Hochkultur des Buddhismus in Indien mitsamt ihren Klöstern und
Meditationsstellen durch die Invasion der Moslems zwischen 800
und 1000 n. Chr. zerstört wurde, flohen diejenigen, die besondere

tantrisch-buddhistische Praktiken kannten, über die Berge nach
Tibet.
Durch Handel und andere Kontakte nach Norden und Süden war
dort bereits Einiges geschehen. Teilweise hatte der
Schamanismus der alten Bon-Religion den Erleuchtungs-
gedanken schon aufgenommen, aber erst der berühmte Guru
Rinpoche brachte um 740 die gesamte Lehre nach Tibet und
Yeshe Tsogyal, seine Hauptgefährtin, bewahrte die Belehrungen.
Später zerstörte jedoch der König Langdarma fast alles; er setzte
die alte schamanistische Bon-Religion wieder ein, die in hohem
Masse ihre Kraft aus Tieropfern bezog. Ausser den Termas, den
„verborgenen Schätzen", blieb von der „alten" Überlieferung der
Lehren kaum etwas erhalten.

Die Erneuerung des Buddhismus geschah durch Marpa, den
Übersetzer. Zwischen 950 und 1000 reiste er dreimal nach Indien.
Er verbrachte insgesamt ungefähr sechzehn Jahre dort und nahm
die wichtigsten tantrischen Belehrungen nach Tibet mit. Seitdem
sind die Verbeugungen ein untrennbarer Bestandteil tibetisch-
buddhistischer Kultur. Es gibt Tibeter, die die Vier Grundübungen
bis zu fünfundzwanzig Mal gemacht haben. Durch das Erleben
unzerstörbarer Erfahrungen strahlen sie eine besondere Kraft
aus, die nichts zu beweisen braucht. Sie sind unerschütterlich wie
ein Fels in der Brandung. Kalu Rinpoche nennt ein Beispiel,
warum es vorteilhaft ist, die Mahamudra-Vorbereitungen öfter zu
wiederholen: Ein Strumpf wird auch nicht sauber, wenn man ihn
nur einmal ins Wasser taucht.
-12-
Ich denke, dass wir im Westen einen Grossteil der
Einsgerichtetheit, die durch diese Übungen entsteht, schon durch

den Leistungsdruck in Schule und Universität entwickelt haben.
Wir besitzen eine bessere Konzentrationsfähigkeit als geistig
Ungeübte und sind gegen die meisten Verlockungen geimpft, für
die Menschen im Osten heute besonders anfällig sind. Deshalb
brauchen die meisten von uns sicherlich keine fünfundzwanzig
Wiederholungen, aber einmal ist unerlässlich.
Während der Grundübungen erkennen wir immer mehr die
Grosse der Zuflucht. Öffnen wir uns für den Segen des Lehrers,
können wir mit unserem Geist arbeiten und sogar ein gutes Stück
unseres Weges zur Erleuchtung „per Anhalter" zurücklegen. Dies
ist ein besonderes Merkmal der Karma Kagyü Linie.
Aufrechterhalten können wir diese Kraft jedoch nur durch unsere
eigene Praxis. Durch sie ändert sich unsere ganze Erlebniswelt.
Weil die Übungen weder leicht noch schnell abzuschliessen sind,
kann der Wunsch entstehen, direkt auf den Geist zu meditieren.
Auch wenn es modern sein mag, das zu lehren: Ohne
ausreichende Reinigung geht es nicht. Schauen wir während
einer Stunde Meditation einmal nach, wie lange der Erleber
tatsächlich Klarheit und Freude erfährt, stellen wir fest, dass es
höchstens einige Minuten sind. Die meiste Zeit folgt er Gedanken
und Gefühlen oder befindet sich in Vergangenheit oder Zukunft.

Am Anfang reicht es nicht, einfach nur zu „sitzen". Das Ziel
unserer Praxis ist nicht ein „Samadhi der weissen Wand", bei dem
wir äusserlich zwar meditieren, innerlich aber schlafen. Es geht
nicht darum, Gedanken zu töten oder den Geist einzufrieren;
schliesslich wollen wir unseren innewohnenden Reichtum an
Furchtlosigkeit, Freude und Mitgefühl entdecken. Laut Kalu
Rinpoche vermindert diese Art der blossen „Beruhigung" unsere
Intelligenz und kann sogar zu einer Wiedergeburt als grosser

Fisch führen.
-13-
Die Praxis der Grundübungen führt nicht zu Schläfrigkeit, sondern
macht unseren Geist zu einem Diamanten, der strahlt und
leuchtet. Der erlangte Zustand des klaren Bewusstseins ist die
volle Entfaltung all unserer Möglichkeiten, und die Vorbereitung
dazu ist die Reinigung von Körper, Rede und Geist.

-14-
Die vier grundlegenden Gedanken
Um uns für die Praxis zu motivieren, beginnen wir mit den Vier
Grundlegenden Gedanken, die den Geist auf Buddhas Lehre
(Dharma) richten:
Erstens machen wir uns bewusst, dass wir in diesem Leben die
kostbare Möglichkeit haben, mit unserem Geist zu arbeiten, um
Erleuchtung zu erlangen. Sehr wenige Wesen haben das Karma,
direkt mit befreienden Belehrungen in Verbindung zu kommen. Je
oberflächlicher die Lehren und je mehr sie auf den Zeitgeist
zugeschnitten sind, desto mehr Zulauf haben sie. Je höher aber
die Belehrungen sind, je mehr sie nicht nur Worte und Begriffe,
sondern auch die Zustände in uns tiefgreifend verändern, desto
weniger Menschen interessieren sich dafür. „Es gibt viel Eisen,
aber wenig Gold" sagen die Tibeter und erklären das
traditionellerweise so: Achtzehn Bedingungen müssen
zusammentreffen, damit man einen so genannten Kostbaren
Menschenkörper erhält, d. h. die Möglichkeit, bewusst den Weg
zur Erleuchtung zum Besten Aller gehen zu können.
Acht Ursachen halten uns von Buddhas Lehre ab, und zwar eine
Wiedergeburt:
 in den Höllenwelten (extreme Paranoiazustände, die wie

alle bedingten Erfahrungen vergänglich sind),
 in den Geisterwelten (Zustände extremer Anhaftung und
Gier),
 in den Tierwelten (Zustände von Faulheit und Verwirrung),
 in den Götterwelten (Zustände, in denen es kein geistiges
Streben gibt),
 in Ländern ohne Buddhismus
 mit falschen Ansichten,
 in dunklen Zeitaltern, in denen kein Buddha erscheint und
 mit körperlichen oder geistigen Behinderungen, die einem
das Verstehen und Üben der Lehre unmöglich machen.


Hat man einen Menschenkörper ohne diese acht Hindernisse
erlangt, sind weitere zehn Bedingungen nötig. Fünf davon sind
äussere Bedingungen:
-15-
 trotz aller Schwierigkeiten liess sich ein Buddha in unserem
Zeitalter gebären,
 er gab Belehrungen
 der Buddhismus wird weiterhin gelehrt,
 er hat viele Anhänger, und
 grosszügige Menschen unterstützen die Lehre Buddhas
und diejenigen auf dem Weg.

Die letzten fünf Bedingungen schaffen wir durch unser eigenes
Karma. Wir brauchen:
 einen Körper, der frei von den vorhin erwähnten acht
ungünstigen Umständen ist,
 eine Geburt in einem Land, in dem der Buddhismus gelehrt

wird,
 Körper und Geist, die fähig sind, die Mittel voll zu nutzen,
 Freiheit von Einflüssen, die zu falschen Ansichten verleiten
und
 tiefes Vertrauen zu Buddha, der Lehre und den Freunden
auf dem Weg (den Bodhisattvas).

Erst wenn diese achtzehn Bedingungen zusammenkommen,
können wir uns entwickeln.
Zweitens denken wir über die Vergänglichkeit aller Dinge nach.
Wir wurden geboren und sterben irgendwann; dies ist sicher.
Doch den Zeitpunkt des Todes kennen wir nicht; wir erleben nur,
wie die Zeit verrinnt. Erkennen wir, dass das Einzige, was bleibt,
was nicht stirbt und wieder vergeht, der offene, klare, unbegrenzte
Raum unseres Erlebers ist, dann verstehen wir wirklich, dass
dieses kostbare Leben jetzt genutzt werden muss, und dass es
sinnlos ist, an vergänglichen Dingen zu haften.

Drittens denken wir über Karma, das Gesetz von Ursache und
Wirkung, nach. Was wir heute tun, denken und sagen, wird zu
unserer Zukunft. Wir können nicht frei wählen: Obwohl die
Eindrücke im Geist sich ständig ändern, reissen sie uns dennoch
mit. Wir sehen also, wie ichbezogen unsere Wahrnehmung ist.
Geht es uns gut, ist die Welt schön, und alles hat Sinn; sind wir
aber sauer oder fühlen wir uns schlecht, erscheint alles grau und
hässlich. Dabei verändert sich jedoch nicht die Welt, sondern die
Einstellung unseres Geistes. Die Erfahrung, dass es tatsächlich
Mittel gibt, durch die wir bestimmen können, was geschieht, gibt
uns immer mehr Raum im Geist. Die Schleier, Erwartungen und
das heranreifende Karma der einzelnen Wesen führen zu

unterschiedlichen Erlebnisweisen. Erst auf den höchsten Stufen
der Verwirklichung hören wir auf, die Welt durch gefärbte Brillen
zu sehen.
-16-
Viertens denken wir darüber nach, warum wir mit dem Geist
arbeiten. Dieses „Warum" betrachten wir am besten von zwei
Seiten: Wenn wir das wohlgenährte Gewohnheitspferd unseres
Geistes antreiben wollen, hilft ab und zu die Karotte vor der Nase
und ab und zu die Peitsche im Rücken. Die Karotte für unseren
Geist ist das Wissen, dass Erleuchtung besser ist als alle
Zustände, die wir bisher kennen, dass sie nicht bedingt ist und,
einmal erreicht, nie mehr aufhört. All die Wesen, die den Geist
erleben, wie er ist, jenseits von allen Vorstellungen und
Verwirrungen, erzählen, dass Erleuchtung höchste Freude ist.
Auch wenn wir selbst die Erleuchtung jetzt noch nicht erleben,
vertrauen wir ihnen in der Weise, wie wir jemandem, der in
Australien war und uns von Kängurus erzählt, glauben, ohne sie
selbst je gesehen zu haben. Werden wir aber schläfrig oder faul,
ist die Peitsche nützlicher. Sie ist die Einsicht, die uns zeigt, was
geschieht, wenn wir die Natur des Geistes nicht erkennen. Wir
sind dann Krankheit, Alter, Tod, Verlust und Leiden hilflos
ausgeliefert.




Karotte und Peitsche versinnbildlichen die vierte Überlegung:
Erleuchtung ist zeitlose höchste Freude; wird sie nicht erreicht,
bleiben wir dem Leiden weiterhin ausgeliefert. Es gibt drei Arten
von Leid:

-17-
 Das Leiden am Leid.
Viel Leidvolles kommt zusammen, und wir werden davon
neurotisch.
 Das Leiden der Veränderung.
Es ist eine feinere Form und entsteht durch die
Vergänglichkeit aller Dinge. Man glaubt, etwas zu
gewinnen, verliert aber ständig.
 Das allesdurchdringende Leiden.

Wir sind trotz aller Bemühungen nicht in der Lage zu erkennen,
dass alles Bedingte zusammengesetzt ist. Dadurch haben wir
wenig Einfluss auf unser Leben. Man denkt, man ist glücklich,
aber im Vergleich zum Buddhazustand ist selbst das grösste
Glück Leid.
Nun beginnen wir mit der Praxis des Diamantweges, durch die
jenseits aller Sentimentalität und Künstlichkeit alles auf eine
Ebene höchster Reinheit und Freude gebracht wird. Dies wird
dargestellt durch den Zufluchtsbaum, Diamantgeist, jene, denen
das Mandala geopfert wird und vor allem durch Karmapas
Schwarze Krone. Durch ständiges Verschmelzen mit diesen
Aspekten verschwindet die Gewohnheit, zwischen innerer und
äusserer Wahrheit zu unterscheiden. Obwohl der Geist ohne
Form, Farbe, Gewicht oder Geruch ist und sich von nirgendwoher
betrachten kann, ist es dennoch möglich, seine vollkommenen
Eigenschaften als die verschiedenen Buddhas zu erleben. Dann
brauchen wir nur noch natürlich zu sein. Wenn endgültig klar wird,
dass alle Wesen Glück erleben und Leid vermeiden wollen,
arbeiten wir für sie, so gut wir können.


-18-
Zufluchtnahme und Entwicklung des
Erleuchtungsgeistes
Das Mittel, das vor allem auf den Körper wirkt, sind die
Verbeugungen. Der Geist konzentriert sich hier auf die Zuflucht:
auf den Lama, der alles in sich vereint, den Buddha, die Lehre,
die Freunde auf dem Weg (die Bodhisattvas), die Yidams und die
Schützer. Wir stellen uns auf ein Bild von der Zuflucht ein, und
dadurch entstehen starke Rückkopplungserlebnisse. Die Rede
wiederholt die sechs Zeilen der Zuflucht, und der Körper macht
die Verbeugungen, wodurch die drei Zentren geöffnet werden:
Um uns auf körperlicher Ebene zu öffnen, berühren wir mit
gefalteten Händen den Kopf, da dort Gehirn, Nerven und Sinne
sitzen. Wir berühren Mund und Kehle, weil von dort Rede und
Kommunikation ausgehen, und schliesslich berühren wir das Herz
als das Zentrum für den Geist, weil Gefühle und innere Zustände
dort erlebt werden.
Wir öffnen so die drei Zentren und gleiten dann in voller Länge
über den Boden nach vorn, während wir gleichzeitig die Zeilen der
Zuflucht sprechen. Wenn die Arme ausgestreckt sind, lassen wir
die Hände sich leicht berühren. In unserer Überlieferung werden
die Verbeugungen gezählt, nicht die Anzahl der Zufluchtsformeln.
Während wir die Verbeugungen machen, konzentrieren wir uns
entweder bei jeder Verbeugung auf einen Aspekt der Zuflucht und
sagen die entsprechende Zeile; oder wir stellen uns alle Aspekte
der Zuflucht gleichzeitig vor und sprechen die Zufluchtsformel
unabhängig von den Verbeugungen.

-19-


Der Zufluchtsbaum

Durch die ständigen Wiederholungen geschehen sehr wichtige
Prozesse in uns. Einerseits entsteht viel Hingabe und ein Gefühl
von Geborgenheit und Nachhausekommen und wir verstehen,
dass es die eigene Erleuchtungsnatur ist, vor der wir uns
verbeugen. Andererseits werden auf Körperebene die
Energiebahnen gereinigt und Blockaden beseitigt. Vor allem die
Drogenexperimente, bei denen mit Energien gespielt wird,
hinterlassen schwere Hindernisse. Es entstehen spiritueller Stolz
und verkehrte Anschauungen. Reinigen wir unseren Geist von
vielen Eindrücken, entstehen natürlich vorübergehende
Schwierigkeiten: Der Körper schmerzt, störende Gefühle und
Zweifel tauchen auf, aber es sind alte Erlebnisse, die dabei sind,
ihre Kraft zu verlieren. Wenn wir die Verbeugungen beendet
haben, ist der Körper weniger ein Hindernis, mit dem wir uns
ständig befassen müssen; vielmehr ist er nun ein angenehmes
Werkzeug und ein nützlicher Diener des Geistes geworden. Er
macht weniger Ärger und bringt mehr Freude. Wellen von Segen
und Wärme und Zustände von innerem Reichtum werden erlebt
und wir werden einfach dankbar.
-20-
Es gibt dann noch ein unmögliches „Tier", mit dem wir es leicht zu
tun bekommen: Es ist süss auf beiden Seiten, schwammig in der
Mitte und unerträglich. Es heisst „spiritueller Stolz". Das dicke
süsse Ego vereinnahmt alles für den Eigengebrauch. Es nimmt
hier zwei Worte, die sich gut anhören, und dort zwei kleine
Erlebnisse und mischt alles, wie es ihm gefällt; es stellt sich
niemals einer Sache und ist nicht bereit, objektiv zu lernen. Auch
dagegen sind Verbeugungen ein effektives Mittel. Zuerst glaubt

das Ego noch an eine Ausdehnung seines „Gebietes" und denkt:
„Früher war ich klug und freundlich, jetzt bin ich auch noch
spirituell." Aber die Verbeugungen unterwandern diese
Einstellung und lassen, wenn wir ausdauernd sind, Hingabe und
Offenheit entstehen. Sie sind natürliche Ergebnisse und lassen
nicht-bedingte Zustände von Zuversicht, Freude und Liebe im
Geist entstehen.
Durch diese Erfahrungen vertieft sich unser Vertrauen in die
Lehre Buddhas. Höchste Verwirklichung können wir jedoch nur
erwarten, wenn wir zum Wohle aller Wesen Erleuchtung erlangen

wollen. Nur so bekommt alles im Leben Sinn und wir werden
unterstützt durch die Wünsche aller Wesen.
-21-
In Tibet machen sogar alte Damen die Verbeugungen, und wer
meint, sie aus körperlichen Gründen nicht machen zu können,
sollte wenigstens einige versuchen. Nur wenn es der Körper
wirklich nicht zulässt, beginnt man nach der vorbereitenden
kleinen Zuflucht (10.000 Wiederholungen) sofort mit
Diamantgeist. Nachdem wir uns die Vier Grundlegenden
Gedanken bewusst gemacht haben, fängt man mit der Meditation
an:
Wir stehen auf einer schönen Wiese. Unser Vater ist rechts von
uns, unsere Mutter links, so, wie wir uns an sie erinnern. Vor uns
sind die, mit denen wir Schwierigkeiten haben und um uns herum
alle Wesen, die wir kennen oder uns vorstellen können, unzählig
viele und von jeder Art. Alle schauen in dieselbe Richtung wie wir
und wünschen mit uns ganz stark, einen Zustand jenseits von
Leid und Verwirrung zu erreichen. Vor uns ist ein schöner,
strahlender, klarer See. Sein Wasser ist kühl und angenehm, rein

und wohlschmeckend.
In seiner Mitte steht ein wunscherfüllender Baum, ein vibrierendes
Feld von Energie, Licht und Schönheit. Dort, wo sich der goldene
Stamm in vier silberne Äste teilt, sitzt unser Lama Karmapa. Er ist
unser direkter Kontakt mit der Erleuchtung. Er zeigt sich entweder
in seiner menschlichen Form mit der Schwarzen Krone oder als
Diamanthalter, ein sitzender Buddha aus blauem Licht. In seinen
am Herzen gekreuzten Händen hält er Dorje und Glocke. Können
wir Karmapas menschliche Form als „rein" sehen, so ist es nur
ein kleiner Sprung dorthin, wo alles rein ist, und alle
Erleuchtungseigenschaften werden ganz natürlich in uns
entstehen. Erleben wir ihn aber als normalen Menschen, als
jemanden, der zu dick oder zu dünn ist, konzentrieren wir uns
besser auf Diamanthalter. Hier sind wir etwas weiter weg vom
grenzenlosen Erlebnis der „Reinheit". Wichtig ist, zu verstehen,
dass Diamanthalter Karmapas Geist und Karmapa sein Körper ist.
„Auf den Lehrer zu meditieren, ist wie auf hunderttausend
Buddhas zu meditieren", sagte Naropa vor 1000 Jahren. In allen

gutgehenden Kagyü-Zentren ist die Identifikation mit Karmapa die
Hauptpraxis. Karmapa ist der König der Yogis in Tibet, der erste
bewusst wiedergeborene Lama und Leiter der wichtigsten Kagyü-
Schulen. Er hält die gesamte Übertragung und den
ununterbrochenen Erleuchtungsstrom aller Buddhas.
-22-
Um ihn herum befinden sich die Lamas der Linie; sie umfasst die
grossen Meister Indiens und Tibets bis zum heutigen Tag. Die
verschiedenen Inkarnationen Karmapas füllen das mittlere Feld,
zusammen mit all jenen, die seit 1193 zwischen den Karmapas
die Überlieferung gehalten haben. Ganz oben, in der Spitze des

Baumes, ist nochmals Diamanthalter, die zeitlose Erleuchtung
selbst.
Buddha Shakyamuni zeigt sich hier in seiner tantrischen Form als
Diamanthalter, Ursprung der Kagyü Übertragungslinie. Sein
Schmuck drückt die grosse Freude der Erleuchtung aus. Die
Glocke in seiner Hand steht für den weiblichen Aspekt, Buddhas
Rede und Körper, den Raum und dessen intuitive Weisheit,
während der Dorje die männliche Seite zeigt, Freude und
Mitgefühl, geschickte Mittel und den Buddha-Geist.
Unterhalb von Diamanthalter können zwei verschiedene
Übertragungslinien dargestellt sein: Entweder wird die
Überlieferung der „Sechs Lehren" gezeigt, dann erscheinen
Tilopa, Naropa, Marpa, Milarepa, Gampopa und der erste
Karmapa, Düsum Khyenpa. Bei der Praxis der Verbeugungen
jedoch nehmen wir Zuflucht zur Mahamudra-Übertragungslinie.
Sie beginnt mit den indischen Mahasiddhas Ratnamati, Saraha,
Nagarjuna, Shavaripa und Maitripa und setzt sich über Marpa fort,
der sowohl die „Sechs Lehren" als auch die Belehrungen zum
Grossen Siegel von Indien nach Tibet brachte. Auf ihn folgen
wieder Milarepa, Gampopa und der erste Karmapa. Von allen
Lamas der Linie strahlt Segen auf uns, öffnet uns, beseitigt
Hindernisse und Zweifel und gibt uns Vertrauen und
Geborgenheit.


-23-


Verbeugungen


Für unsere Entwicklung gibt uns die Zuflucht nicht nur Segen,
sondern auch direkte Inspiration. Diese zeigt sich im
Zufluchtsbaum als die Formen der Yidams, die sich auf dem Ast
befinden, der zu uns zeigt. „Yi" bedeutet Geist und „dam" Band.
Es sind Manifestationen verschiedener Erleuchtungszustände, mit
denen unser Geist eine direkte Verbindung hat. Sie zeigen uns all
unsere störenden Gefühle, sei es Hass, Begierde oder
Verwirrung, auf einer erleuchteten Ebene. In unseren
Meditationen verschmelzen wir mit den Yidams und werden auf

ihre reine Erlebnisebene gehoben. Unsere alten, an alltägliche
Körper- und Sinneserfahrungen gebundenen Gewohnheiten
verschwinden immer mehr und der „Abfall" unserer störenden
Gefühle wird zum Nährboden der Erleuchtung.
-24-
Die Hauptyidams der Kagyü Linie sind Höchste Freude in
Vereinigung, Diamantsau, Weisse Befreierin und Mächtiger
Ozean in Vereinigung. Der erste ist in stehender Vereinigung mit
Diamantsau. Er trägt ein Tigerfell um die Hüfte, ein Elefantenfell
liegt über der Schulter, schaut halb zornvoll und drückt die
strahlende überpersönliche Freude des Raumes aus.
Die rote, weibliche, tanzende Form von Diamantsau zeigt die
Offenheit, Durchsichtigkeit und spielerischen Eigenschaften des
Geistes. Die Vereinigung der beiden drückt die Untrennbarkeit
von Raum und Freude aus.
Der Ast, der von uns aus gesehen nach links zeigt, trägt die
Buddhas. Sie erscheinen auf verschiedenen Abbildungen in
unterschiedlicher Anzahl. Zehn Buddhas stehen für die Buddhas
der zehn Richtungen: Das sind die vier Himmelsrichtungen, die
vier Zwischenrichtungen sowie oben und unten. Drei Buddhas

symbolisieren die Buddhas der Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft und werden mit schützender, lehrender und
erdberührender Geste dargestellt. Manchmal ist nur ein einziger
Buddha abgebildet, der dann die Buddha-Essenz, der leuchtende,
klare, unbegrenzte Zustand höchster Freude ist.
Hinter dem Zufluchtsbaum zeigt ein Ast von uns weg, auf dem
sich die Belehrungen befinden. Sie führen uns zur Erleuchtung
und erscheinen entweder in Form des Kangyur, der die
mündlichen Belehrungen des Buddha enthält, oder in Form von
drei Büchern, die die Lehren des Kleinen Weges, des Grossen
Weges und des Diamantweges enthalten. Erscheint nur ein Buch,
so enthält es die Essenz aller Belehrungen. Wir können uns auch
eine schöne, gelbe, weibliche Buddha-Form vorstellen,
Befreiende Höchste Weisheit. Sie hält die zwei mittleren Hände in
Meditationsstellung, in der äusseren rechten Hand hält sie einen
Diamant und in der äusseren linken das Buch der Weisheit.

Der Ast, welcher von uns aus gesehen nach rechts zeigt, trägt die
Sangha, die Freunde auf dem Weg. Er besteht aus den
Bodhisattvas, den Buddha-Energien, die auf Grund ihrer
Wünsche als Ausstrahlungen wiedergeboren werden, um den
Wesen zu helfen. Sie sind unsere Begleiter auf dem Weg.
Buddhas und Bodhisattvas einstufen zu wollen, hat nicht viel
Sinn. Sie sind erleuchtete Energien, die sich in unterschiedlicher
Weise zeigen. Stehen sie für das Ziel — den erleuchteten
Geisteszustand —, sind sie Buddhas, begleiten sie uns auf dem
Weg, sind sie Bodhisattvas.
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Der erste Bodhisattva ist Liebevolle Augen, die gesamte Liebe
und das grosse Mitgefühl aller Buddhas. Er erscheint in seiner

zweiarmigen Form, mit Einweihungsvase und Lotosblüte,. Neben
ihm ist Weisheitsbuddha, die höchste verstandesmässige
Weisheit der Buddhas. Er ist orange, hält in der rechten Hand ein
doppelschneidiges Schwert, mit dem er alle Unwissenheit
durchtrennt, und in der linken eine Lotosblüte, auf der ein Buch
liegt, das alle Weisheit enthält. Der dritte Bodhisattva ist Diamant-
in-der-Hand. Er erscheint meist in seiner tiefblauen, kraftvollen
Form mit Dorje und Kraft-Mudra. Er trägt den Juwelenschmuck
und zeigt die Energie der Erleuchtung. Ab und zu sehen wir ihn
auch in seiner friedvollen Form von hellblauer Farbe mit Dorje und
Glocke. Neben diesen drei Formen werden auch oft fünf weitere
Mahabodhisattvas dargestellt, aber es genügtsich nur Liebevolle
Augen vorzustellen.
Diese Erleuchtungsenergien zeigen sich aber auch in den
Aktivitäten unserer Freunde, die die Zentren aufbauen. Sie haben
Vertrauen, entwickeln ihren Geist zum Besten anderer und geben
uns die Möglichkeit für Entwicklung. Sie sind die buddhistische
Gruppe und unsere unmittelbare Zuflucht.
Unterhalb der Stelle, an der sich der goldene Stamm in vier
silberne Äste teilt, bilden die Schützer ein vibrierendes,
schwarzblaues, leuchtendes Kraftfeld. Hier lodern Flammen auf,
die Laute „Hung" und „Djo" erschallen, und Hauzähne blitzen;
Kraft und Schutzfähigkeit kommen in grossen Wellen auf uns zu.
Die Schützer sind Buddhas, die sich zorn- und kraftvoll

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