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nachrichtentechnik - eine einfuhrung fur alle studiengange 6th ed. - m. werner [german] (vieweg, 2009) ww

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Martin Werner
Nachrichtentechnik
Aus dem Programm
Nachrichtentechnik
www.viewegteubner.de
Einführung in die Systemtheorie
von B. Girod, R. Rabenstein und A. Stenger
Information und Kommunikation
von M. Hufschmid
Nachrichtenübertragung
von K. D. Kammeyer
Digitale Signalverarbeitung
von K. D. Kammeyer und K. Kroschel
Grundlagen der Informationstechnik
von M. Meyer
Kommunikationstechnik
von M. Meyer
Signalverarbeitung
von M. Meyer
Digitale Kommunikationssysteme 1 und 2
von R. Nocker
Signale und Systeme
von R. Scheithauer
Digitale Sprachsignalverarbeitung
von P. Vary, U. Heute und W. Hess
Mobilfunknetze und ihre Protokolle 1 und 2
von B. Walke
Grundlagen der Kommunikationstechnik
von H. Weidenfeller
Information und Codierung


von M. Werner
Digitale Signalverarbeitung mit MATLAB
®
von M. Werner
Digitale Signalverarbeitung mit MATLAB
®
-Praktikum
von M. Werner
Nachrichten-Übertragungstechnik
von M. Werner
Signale und Systeme
von M. Werner
Digitale Audiosignalverarbeitung
von U. Zölzer
Martin Werner
Nachrichtentechnik
Eine Einführung für alle Studiengänge
6., verbesserte Auflage
Mit 235 Abbildungen und 40 Tabellen
STUDIUM
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
<> abrufbar.
1. Auflage 1998
2., überarbeitete und erweiterte Auflage 1999
3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 2002
4., überarbeitete und erweiterte Auflage 2003
5., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 2006
6., verbesserte Auflage 2009

Alle Rechte vorbehalten
© Vieweg+Teubner |GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009
Lektorat: Reinhard Dapper | Andrea Broßler
Vieweg+Teubner ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media.
www.viewegteubner.de
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede
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und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk
berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im
Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher
von jedermann benutzt werden dürften.
Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg
Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier.
Printed in the Netherlands
ISBN 978-3-8348-0456-3
V

Zum Andenken an
Prof. Dr Ing. Dr. h. c. mult. Hans-Wilhelm Schüßler
„Die Aufgabe der Nachrichtenübertragung wird bei vordergründiger Betrachtung durch
dieses Wort selbst hinreichend beschrieben. Es geht eben darum, Nachrichten zu übertragen.
Etwas schwieriger wird es, wenn wir fragen, was Nachrichten eigentlich sind, eine Frage, die
nur scheinbar trivial ist.“
Die Technik der Nachrichtenübertragung: gestern – heute – morgen
Festvortrag aus Anlass des 238. Gründungstages der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
4. November 1981



VII

Vorwort
In der Informationsgesellschaft kommt der (elektrischen) Nachrichtentechnik mit ihren Auf-
gabenfeldern der Darstellung, der Übertragung, der Vermittlung und der Verarbeitung von
Information in elektronischer Form eine Schlüsselrolle zu.
Dieses Buch führt an wichtige Aufgaben, Prinzipien und Methoden der Nachrichtentechnik
heran. Es eignet sich besonders für Studierende technischer Studiengänge, der Informatik und
des Wirtschaftsingenieurwesens, die einen Einstieg in die Nachrichtentechnik gewinnen
wollen. Bei der Auswahl und der Darstellung der Themen wurde besonders darauf geachtet,
den Umfang und den Schwierigkeitsgrad des Buches den Studierenden im Grundstudium anzu-
passen. In diesem Sinne sind auch die Wiederholungsfragen und Aufgaben zu den Abschnitten
ohne lange Rechnungen zu lösen.
War das Buch zunächst als Ergänzung zu einer zweistündigen Lehrveranstaltung im 3. Semes-
ter an der Hochschule Fulda gedacht, so haben zahlreiche Kommentare von Fachkollegen,
viele Fragen von Studierenden und nicht zuletzt neue Entwicklungen der Nachrichtentechnik
das Buch von Auflage zu Auflage wachsen lassen. Ziel dabei war stets den einführenden
Charakter mit einer soliden Grundlage für ein vertiefendes Fachstudium zu verbinden.
Heute ist die Nachrichtentechnik vielfältiger den je  man denke nur an die Flut von Produkten
für die mit Hinweisen auf die Funkstandards Bluetooth, IEEE 802.11, GSM, GPRS, HSDPA,
UMTS, WiMAX, ZigBee usw. geworben wird. Dementsprechend hat auch die Vielfalt und
Komplexität des benötigten Fachwissens zugenommen.
Mit der 6. Auflage habe ich gerne die Gelegenheit ergriffen, viele Ergänzungen und aktuelle
Hinweise anzubringen und das in den letzten Jahren in den Mittelpunkt gerückte Thema
OFDM ausführlicher vorzustellen.
Allen, die das Buch durch ihr Interesse und ihre Anregungen begleitet haben, herzlichen Dank.
Vielen Dank an den Verlag für die gute Zusammenarbeit und stete Bereitschaft die Ent-
wicklungen des Buches mit zu tragen.



Fulda, im Dezember 2008 Martin Werner

IX
Inhaltsverzeichnis
1 Aufgaben und Grundbegriffe der Nachrichtentechnik 1
1.1 Entwicklung der Nachrichtentechnik 1
1.2 Nachrichtentechnik, Informationstechnik und Telekommunikation 3
1.3 Nachrichtenübertragung 6
1.4 Telekommunikationsnetze 8
1.5 Digitale Signalverarbeitung 11
1.6 Wiederholungsfragen zu Abschnitt 1 12
2 Signale und Systeme 13
2.1 Einführung 13
2.2 Klassifizierung von Signalen 14
2.2.1 Zeitkontinuierliche und zeitdiskrete Signale 14
2.2.2 Wertkontinuierliche, wertdiskrete, analoge und digitale Signale 15
2.2.3 Periodische und aperiodische Signale 16
2.2.4 Deterministische und stochastische Signale 17
2.2.5 Energie- und Leistungssignale 18
2.3 Lineare zeitinvariante Systeme 19
2.4 Fourier-Reihen 21
2.5 Periodische Quellen in RLC-Netzwerken 24
2.6 Spektrum periodischer Signale 28
2.7 Übertragungsfunktion und Frequenzgang 30
2.7.1 Übertragungsfunktion 30
2.7.2 Frequenzgang, Dämpfung und Phase 31
2.7.3 Tiefpass, Bandpass, Hochpass und Bandsperre 34
2.7.4 Rechnen mit komplexer Fourier-Reihe und Frequenzgang 38

2.7.5 RC-Hochpass 39
2.8 Fourier-Transformation 44
2.9 Filterung 46
2.10 Verzerrungsfreie Übertragung 49
2.11 Bandbreite und Zeitdauer-Bandbreite-Produkt 51
2.12 Charakterisierung von LTI-Systemen 54
2.12.1 Impulsfunktion und Impulsantwort 54
2.12.2 Faltung 60
2.13 Zusammenfassung 65
2.14 Aufgaben zu Abschnitt 2 68
3 Pulse-Code-Modulation, digitale Signalverarbeitung und Audio-Codierung 72
3.1 Einführung 72
3.2 Digitalisierung analoger Signale 72
3.3 Abtasttheorem 73
3.4 Quantisierung 75
3.5 Quantisierungsgeräusch 77
X
3.6 PCM in der Telefonie 80
3.6.1 Abschätzung der Wortlänge 80
3.6.2 Kompandierung 81
3.6.3 13-Segment-Kennlinie 82
3.7 Digitale Signalverarbeitung 85
3.7.1 Einführung 85
3.7.2 Schnelle Fourier-Transformation 86
3.7.3 Digitale Filter 92
3.7.3.1 Simulation mit digitalen Filtern 92
3.7.3.2 FIR-Filter 93
3.7.3.3 IIR-Filter 96
3.8 Audio-Codierung 99
3.8.1 Psychoakustische Effekte 100

3.8.2 Audio-Codierung für MPEG-1 Layer III 101
3.8.3 HE-AAC Codec 103
3.9 Zusammenfassung 105
3.10 Aufgaben zu Abschnitt 3 105
4 Modulation eines sinusförmigen Trägers 108
4.1 Einführung 108
4.2 Trägermodulation 109
4.3 Amplitudenmodulation 111
4.3.1 Prinzip der Amplitudenmodulation 111
4.3.2 Modulationssatz 112
4.3.3 Gewöhnliche Amplitudenmodulation 113
4.3.4 Kohärente AM-Demodulation 115
4.3.5 Inkohärente AM-Demodulation mit dem Hüllkurvendetektor 116
4.3.6 Quadraturamplitudenmodulation 116
4.3.7 Trägerfreqeunztechnik in der Telefonie 117
4.4 Frequenzmodulation 119
4.4.1 Modulation der Momentanfrequenz des Trägers 119
4.4.2 Spektrum und Bandbreite von FM-Signalen 122
4.4.2 Demodulation von FM-Signalen 125
4.5 Digitale Modulationsverfahren 127
4.5.1 Binäre Modulationsverfahren 127
4.5.2 Mehrstufige Modulationsverfahren 130
4.5.3 Orthogonal Frequency Division Multiplexing 136
4.6 Zusammenfassung 144
4.7 Aufgaben zu Abschnitt 4 144
5 Digitale Übertragung im Basisband 147
5.1 Einführung 147
5.2 RS-232-Schnittstelle 150
5.3 Digitale Basisbandübertragung 152
5.4 Leitungscodierung 156

5.5 Störung durch Rauschen 158
XI
5.6 Übertragung im Tiefpass-Kanal 162
5.7 Matched-Filterempfänger 166
5.8 Nyquist-Bandbreite und Impulsformung 170
5.9 Kanalkapazität 175
5.10 Digitaler Teilnehmeranschluss 176
5.11 Zusammenfassung 180
5.12 Aufgaben zu Abschnitt 5 182
6 Telekommunikationsnetze 183
6.1 Einführung 183
6.2 Zeitmultiplex, PDH und SDH 183
6.3 Nachrichtenübermittlung 186
6.4 OSI-Referenzmodell 189
6.5 HDLC- und LAP-Protokoll 194
6.6 ATM und Breitband-ISDN 198
6.7 Lokale Netze 202
6.8 Protokollfamilie TCP/IP 204
6.9 Zusammenfassung 209
6.10 Wiederholungsfragen zu Abschnitt 6 210
7 Grundbegriffe der Informationstheorie und der Kanalcodierung 212
7.1 Information, Entropie und Redundanz 212
7.2 Huffman-Codierung 216
7.3 Kanalcodierung 220
7.3.1 Paritätscodes 220
7.3.2 Kanalcodierung zum Schutz gegen Übertragungsfehler 224
7.3.3 Lineare Blockcodes 226
7.3.4 Syndrom-Decodierung 227
7.3.5 Hamming-Distanz und Fehlerkorrekturvermögen 231
7.3.6 Perfekte Codes und Hamming-Grenze 233

7.3.7 Restfehlerwahrscheinlichkeit 234
7.3.8 Eigenschaften und Konstruktion der Hamming-Codes 237
7.3.9 CRC-Codes 238
7.4 Zusammenfassung 248
7.5 Aufgaben zu Abschnitt 7 249
8 Mobilkommunikation 252
8.1 Einführung 252
8.2 Global System for Mobile Communications (GSM) 253
8.2.1 Einführung 253
8.2.2 GSM-Netzarchitektur 256
8.2.3 GSM-Funkschnittstelle 258
8.2.3.1 Funkzellen und Frequenzkanäle 259
8.2.3.2 Mobilfunkübertragung 262
8.2.3.3 Logische Kanäle und Burst-Arten 267
8.2.4 High Speed Circuit Switched Data (HSCSD) 270
XII
8.2.5 GSM-Sicherheitsmerkmale 270
8.3 General Packet Radio Service (GPRS) 273
8.3.1 Einführung 273
8.3.2 Paketübertragung mit Dienstmerkmalen 274
8.3.2.1 GPRS-Dienstgüte 274
8.3.2.2 Zugriff auf die GSM-Luftschnittstelle 276
8.3.3 GPRS-Systemarchitektur 279
8.4 Enhanced Data Rates for GSM Evolution (EDGE) 281
8.5 Universal Mobile Telecommunication System (UMTS) 282
8.5.1 Einführung 282
8.5.2 UMTS-Dienste 283
8.5.3 UMTS-Systemarchitektur 284
8.5.4 UMTS-Luftschnittstelle 286
8.5.4.1 Spreizbandtechnik mit RAKE-Empfänger 287

8.5.4.2 CDMA-Vielfachzugriff 289
8.5.4.3 Nah-Fern-Effekt, Leistungsregelung und Zellatmung 292
8.5.4.4 Zellulare Funkkapazität 294
8.5.4.5 Handover 295
8.5.4.6 Protokollstapel für die UMTS-Luftschnittstelle 296
8.5.5 High-Speed Packet Access (HSPA) 299
8.6 Wireless Local Area Network (WLAN) 301
8.6.1 Einführung 301
8.6.2 Zugriff auf die Luftschnittstelle und Netzstrukturen 304
8.6.3 WLAN-Übertragung mit OFDM 309
8.7 Zusammenfassung 312
8.8 Aufgaben zu Abschnitt 8 314
Lösungen zu den Aufgaben 316
Abkürzungen 340
Literaturverzeichnis 348
Sachwortverzeichnis 356


1
1 Aufgaben und Grundbegriffe der
Nachrichtentechnik
1.1 Entwicklung der Nachrichtentechnik
Die Anfänge der Nachrichtentechnik reichen weit in das Altertum zurück. Mit der Erfindung
der Schrift und der Zahlenzeichen ab etwa 4000 v. Chr. wird die Grundlage zur digitalen Nach-
richtentechnik gelegt. Um 180 v. Chr. schlägt der Grieche Polybios eine optische Telegrafie
mit einer Codierung der 24 Buchstaben des griechischen Alphabets durch Fackelsignale vor.
Für viele Jahre bleibt die optische Übertragung die einzige Form, Nachrichten über große
Strecken schnell zu übermitteln. Ihren Höhepunkt erlebt sie Anfang des 19. Jahrhunderts mit
dem Aufbau weitreichender Zeigertelegrafie-Verbindungen in Europa; angespornt durch die
von C. Chappe 1794 aufgebaute, 210 km lange Verbindung von Paris nach Lille. Ein Beispiel

in Deutschland ist die 1834 eröffnete, 600 km lange Strecke von Berlin nach Koblenz. Im
Abstand von jeweils ca. 15 km werden insgesamt 61 Stationen aufgebaut. Die Nachrichten-
übertragung geschieht mit Signalmasten mit einstellbaren Flügeln. Bei günstiger Witterung
können in nur 15 Minuten Nachrichten von Berlin nach Koblenz übertragen werden. Beach-
tenswert ist, dass mit der Zeigertelegrafie neben den Fragen zur Kommunikation, wie dem
Code-Alphabet, dem Verbindungsaufbau, der Quittierung und dem Verbindungsabbau, auch
die organisatorischen Fragen zur Infrastruktur eines komplexen Nachrichtensystems gelöst
wurden.
Anmerkungen: (i) Die Zeigertelegrafen, insbesondere zur Flaggensignalisierung auf Schiffen, werden
auch Semaphoren genannt, ein Begriff der heute in der Informatik bei der Steuerung paralleler Prozesse
verwendet wird. (ii) Ca. 1750 richtet in Japan M. Homma (*1724, †1803) eine Telegrafie-Strecke von
Sakata bis Osaka (600km, 150 Menschen) zur Übertragung von Börsendaten mit farbigen Flaggen ein
[Mat08].
In die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts fallen wichtige Entdeckungen über das Wesen der
Elektrizität. Schon früh werden Experimente zur Telegrafie durchgeführt. Um 1850 löst die
elektrische Telegrafie, die auch nachts und bei Nebel funktioniert, die optische ab. Die Nach-
richtenübertragung bleibt zunächst digital. Buchstaben und Ziffern werden als Folge von
Punkten und Strichen codiert übertragen. Da diese über einen Taster von Hand eingegeben
werden müssen, werden handgerechte, schnelle Codes entwickelt. Als Vater der Telegrafie gilt
S. F. B. Morse. Zu seinen Ehren spricht man heute noch von der Morse-Taste und dem Morse-
Alphabet. Geübte Operatoren senden damit bis zu 45 Wörter pro Minute.
Eine Sternstunde erlebt die elektrische Telegrafie mit der Eröffnung der von Siemens erbauten
Indoeuropäischen Telegrafielinie London-Teheran-Kalkutta 1870. Um 1892 existiert ein welt-
weites Telegrafienetz mit über 1,7 Millionen Verbindungen und einer Leitungslänge von fast 5
Millionen Kilometern auf fünf Kontinenten.
Nachdem J. Ph. Reis das Prinzip der elektrischen Schallübertragung 1863 dem Physikalischen
Verein in Frankfurt demonstrierte, wird mit der Entwicklung eines gebrauchsfähigen Telefons
durch A. G. Bell (US-Patent, 1876) die Nachrichtentechnik analog. Die Druckschwankungen
des Schalls werden in einem Mikrofon in Spannungsschwankungen umgewandelt, die als
elektrisches Signal über einen Draht geleitet werden.

1 Aufgaben und Grundbegriffe der Nachrichtentechnik
2
Mit der raschen Zunahme der Telefone findet die Handvermittelung durch das Fräulein vom
Amt seine Grenzen. Bereits 1892 wird das erste, von A. B. Strowger entwickelte automatische
Vermittlungssystem eingesetzt.
Mit dem Ende des 19. Jahrhunderts rasch zunehmenden physikalisch-technischen Wissen er-
obert sich die analoge Nachrichtentechnik neue Anwendungsgebiete. Meilensteine sind die
Übertragung von Morse-Zeichen von Cornwall (England) nach Neufundland (Amerika) durch
G. Marconi 1901 und die Entwicklung elektronischer Verstärker durch J. A. Fleming, Lee de
Forest und R. v. Lieben zwischen etwa 1904 und 1906. Damit sind wichtige Voraussetzungen
für den Hörrundfunk um 1920 und den Fernsehrundfunk um 1950 geschaffen.
Anfang des 20. Jahrhunderts beginnt ein tief greifender Wandel. In der Physik setzen sich stati-
stische Methoden und Vorstellungen der Wahrscheinlichkeitstheorie durch. Diese werden in
der Nachrichtentechnik aufgegriffen und wesentliche Konzepte der modernen Nachrichten-
technik entwickelt. In Anlehnung an die Thermodynamik wird von C. E. Shannon 1948 der
mittlere Informationsgehalt einer Nachrichtenquelle als Entropie  als Ungewissheit, die durch
die Nachricht im statistischen Mittel aufgelöst wird  eingeführt.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird dieser Wandel für die breite Öffentlichkeit
sichtbar: der Übergang von der analogen zur digitalen Nachrichtentechnik, der Informations-
technik. Die Erfindung des Transistors 1947 durch J. Bardeen, W. H. Brattain und W. Shockley
und der erste Mikroprozessor auf dem Markt 1970 sind wichtige Grundlagen. Das durch die
Praxis bis heute bestätigte mooresche Gesetz beschreibt die Dynamik des Wandels. G. Moore
sagte 1964 voraus, dass sich etwa alle zwei Jahre die Komplexität, d. h. entsprechend auch die
Leistungsfähigkeit, mikroelektronischer Schaltungen verdoppeln wird.
Durch den Fortschritt in der Mikroelektronik ist es heute möglich, die seit der ersten Hälfte des
20. Jahrhunderts gefundenen theoretischen Ansätze der Nachrichtentechnik in bezahlbare
Geräte umzusetzen. Beispiele für die Leistungen der digitalen Nachrichtentechnik finden sich
im digitalen Mobilfunk, im digitalen Rundfunk und Fernsehen, im modernen Telekommuni-
kationsnetz mit Internet-Diensten und Multimedia-Anwendungen; und überall dort, wo Infor-
mation digital erfasst und ausgewertet wird, wie in der Regelungs- und Steuerungstechnik, der

Medizintechnik, der Verkehrstechnik, usw.
Weniger öffentlich bekannt sind die Fortschritte der faseroptischen Nachrichtentechnik. Nach-
dem um 1975 die industrielle Produktion von Lichtwellenleitern begann, wird 1988 das erste
transatlantische Glasfaserkabel (TAT8) in Betrieb genommen. 1997 verbindet FLAG (Fiber-
optic Link Around the Globe) von Japan bis London 12 Stationen durch zwei Lichtwellenleiter
mit optischen Verstärkern. Die Übertragungskapazität entspricht 120.000 Telefonkanälen.
Neue Bauelemente und besonders die Entwicklung optischer Verstärker lassen einen stark zu-
nehmenden Aufbau von Telekommunikationsnetzen mit optischer Übertragung und Vermitt-
lung, so genannte photonische Netze, in den nächsten Jahren erwarten. Heute sind zahlreiche
Fernübertragungsstrecken mit Datenraten von 10 40 Gbit/s pro Faser im kommerziellen Be-
trieb, das entspricht einer gleichzeitigen Übertragung von mehr als 78.000 Telefongesprächen
oder über 2.500 Videosignalen. Nachdem im Jahr 2000 an Versuchsstrecken bereits Datenraten
über 1000 Gbit/s (1 Tbit/s) demonstriert wurden, hat die ITU 2007 mit der weltweiten Standar-
disierung eines optischen Transportnetzes (OTN) mit Wellenlängen-Multiplex (WDM, Wave-
length Division Multiplex) und 120 Gbit/s pro Faser begonnen. Ergänzend dringen die opti-
schen Netze in Richtung Teilnehmer vor. Passive optische Netze (Passive Optical Network,
PON) sind dabei den Engpass auf den letzten Kilometern zum den Teilnehmer zu schließen.
Insbesondere soll das seit einigen Jahren in lokalen Rechnernetzen (Local Area Network,
LAN) verbreitete Ethernet PON (EPON) mit der Datenrate von 1 Gbit/s (1 G EPON) durch die
1.2 Nachrichtentechnik, Informationstechnik und Telekommunikation
3
neue 10 Gbit/s Technik (10 G EPON) abgelöst und für einen kostengünstigen Teilnehmer-
anschluss eingesetzt werden.
Anmerkungen: (i) Mehr über die Geschichte der Nachrichtentechnik ist z. B. in [Asc87], [EcSc86],
[Huu03] und [Obe82] zu finden. Eine kurze Darstellung der Entwicklung in Deutschland gibt die Fest-
schrift zum 50-jährigen Bestehen der NTG/ITG [GiKa04]. (ii) In [Gla01] wird ein Einblick in die Prin-
zipien und Anwendungen der modernen Nachrichtentechnik ohne Formeln gegeben. (iii) Die optische
Nachrichtentechnik wird im Weiteren nicht behandelt, da die fundierte Darstellung der physikalischen
Grundlagen einen übergroßen Raum einnehmen würde. Eine kurze Einführung in die optische Nachrich-
tentechnik findet man z. B. in [BuHi03] und [HeLö00]; moderne optische Netze behandelt [Kar08].

Ein herausragender Aspekt der Nachrichtentechnik ist die internationale Zusammenarbeit.
Bereits 1865 wird der internationale Telegraphenverein in Paris von 20 Staaten gegründet.
Über mehrere Zwischenschritte entsteht daraus die International Telecommunication Union
(ITU) als Unterorganisation der UNO mit Sitz in Genf. Daneben existiert ein dichtes Netz von
Organisationen, die unterschiedliche Interessen vertreten und miteinander verbunden sind. In-
dustriekonsortien, wie die Bluetooth Special Interest Group (SIG), nehmen dabei an Bedeutung
zu. Einige Organisationen, deren Abkürzungen häufig auftreten, sind:
ANSI American National Standards Institute ) ISO
CCITT Comité Consultatif International Télégraphique et Téléphonique ) ITU-T
CCIR Comité Consultatif International des Radiocommunication (1929) ) ITU-R
CEPT Conférence des Administrations Européennes des Postes et Télécommunications ) ETSI
DIN Deutsches Institut für Normung (1917)
ETSI European Telecommunication Standards Institute (1988)
FCC Federal Communication Commission (USA)
IAB Internet Architecture Board (1983/89
)
IEC International Electrotechnical Commission (1906) ) ISO
IEEE Institute of Electrical and Electronics Engineers (1884/1963)
IETF Internet Engineering Task Force (1989)
ISO International Organization for Standardization (1947)
ITU International Telecommunication Union (1865/1938/1947/1993) mit Radio-communication
Sector (-R), Telecommunication Sector (-T) und Development Sector (-D)
VDE Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (1893)
1.2 Nachrichtentechnik, Informationstechnik und
Telekommunikation
Unter der (elektrischen) Nachrichtentechnik werden im weiteren Sinne alle Teilgebiete der
Elektrotechnik zusammengefasst, die sich nicht der Energietechnik zuordnen lassen. Sie be-
dient sich üblicherweise elektronischer Mittel zur Darstellung, Verarbeitung, Übertragung und
Vermittlung von Nachrichten. Synonym zu Nachricht wird der Begriff Information verwendet.
Die Nachrichtentechnik steht in enger Verbindung mit der Steuer- und Regelungstechnik sowie

der Informatik. Die zunehmende Digitalisierung in der Technik, die Darstellung der Infor-
mation durch Binärzeichen und deren Verarbeitung mit der Digitaltechnik, hat dazu geführt,
dass die genannten Fachgebiete heute zur modernen Informationstechnik zusammengewachsen
sind.
1 Aufgaben und Grundbegriffe der Nachrichtentechnik
4
Anmerkungen: (i) 1954 wurde in Deutschland die Nachrichtentechnische Gesellschaft im VDE (NTG),
heute Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. (VDE), gegründet. Die in der
zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts einsetzende Erweiterung der Nachrichtentechnik führte 1985 zur
Umbenennung in die Informationstechnische Gesellschaft im VDE (ITG) [GiKa04]. (ii) In der Soziologie
wird Kommunikation als Einheit von Information, Mitteilung und Verstehen betrachtet.

Der Begriff Nachricht, obwohl oder weil
im Alltag vertraut, ist im technischen
Sinne schwierig zu fassen. Die Nachrich-
tentechnik stellt ihm deshalb den Begriff
Signal zur Seite. Während der Nachricht
 eigentlich eine Mitteilung um sich danach zu richten  eine Bedeutung zukommt, ist das
Signal der physikalische Repräsentant der Nachricht, wie die Schallwellen beim Sprechen oder
die elektrische Spannung am Mikrofonausgang, die mit physikalisch-technischen Mitteln
analysiert und verarbeitet werden können.
Die Nachrichtentechnik war im Laufe ihrer Geschichte
starken Wandlungen unterworfen und erschloss sich neue
Aufgabenfelder. Anhand von Bild 1-1 sollen Aufgaben-
felder und Zusammenhänge aufgezeigt werden.
Grundlage der Nachrichtentechnik ist die Darstellung der Nachricht als Signal. Dazu gehört der
klassische Bereich der elektroakustischen Umsetzer, Mikrofone und Lautsprecher, und elektro-
optischen Umsetzer, Bildaufnehmer und Bildschirme. Hinzu kommen alle Formen der Um-
setzung physikalischer Größen in elektrische bzw. in elektronisch zu verarbeitende Daten.
Beispiele sind einfache Sensoren für Druck, Temperatur, Beschleunigung und komplexe Appa-

rate wie in der Computer- und Kernspintomographie. Letztere können ohne chirurgischen
Eingriff Schnittbilder des menschlichen Körpers erzeugen.
Die Signalverarbeitung war stets ein Kerngebiet der Nachrichtentechnik. Zu den klassischen
Aufgaben, wie die Filterung, Verbesserung, Verstärkung und Modulation von Signalen, sind
neue hinzugekommen. Angetrieben durch fallende Preise und höhere Leistungen in der Mikro-
elektronik, hat sich die digitale Signalverarbeitung in der Nachrichtenübertragung und in
vielen interdisziplinären Anwendungsgebieten etabliert. Beispiele aus der Nachrichtentechnik
im engeren Sinne sind die modernen Audio- und Videocodierverfahren nach dem MPEG-
Standard (Moving Picture Experts Group) und die Signalverarbeitung für die Mobilfunk-
übertragung nach dem GSM-Standard (Global System for Mobile Communications), wie die
Sprachcodierung und die Kanalcodierung.

Bild 1-1 Aufgabenfelder der Nachrichtentechnik
Die Nachrichtentechnik befasst sich mit der
Darstellung, der Verarbeitung, der Übertragung
und der Vermittlung von Nachrichten.
Ein Signal ist der physikalische
Repräsentant einer Nachricht.
Nachrichten-
übertragung
Nachrichten-
vermittlung
Nachrichtenübermittlung
Telekommunikationsnetz
interdisziplinäre
Anwendungen
O&M
(Gebühren,
Sicherheit, …)
Telekommunikation

gesellschaftliche,
rechtliche und
wirtschaftliche
Aspekte
Signalverarbeitung
1.2 Nachrichtentechnik, Informationstechnik und Telekommunikation
5
Die Nachrichtenübertragung befasst sich mit der räumlichen und zeitlichen Übertragung von
Nachrichten; also der Übertragung von A nach B, wie bei einem Telefongespräch, aber auch
der Kommunikation zwischen der Computermaus und dem Notebook oder dem Marsfahrzeug
Pathfinder und der Erdstation. In den Übertragungsstrecken treten gewöhnliche elektrische
Leitungen (Zweidrahtleitung, Koaxialkabel, …), optische Leitungen (Lichtwellenleiter) oder
der freie Raum auf.
Auch die Speicherung und Wiedergabe von Signalen und Daten ist eine Form der Nachrich-
tenübertragung. Typische Beispiele sind die Magnetbandaufzeichnung (Tonbandgerät, Kasset-
tenrecorder, Videorecorder, Diskettenlaufwerk), die optische Aufzeichnung bzw. Wiedergabe
(CD-ROM/DVD) und der Einsatz einer Festplatte am PC. So vielfältig die Anwendungen sind,
so vielfältig sind die Lösungen.
Ist die Kommunikation wahlfrei zwischen mehreren Teilnehmern möglich, wie im bekannten
Telefonnetz, so tritt die Nachrichtenvermittlung hinzu. Ihre Aufgabe ist es, einen geeigneten
Verbindungsweg zwischen den Teilnehmern herzustellen. In den analogen Telefonnetzen
geschieht die Wegwahl mit Hilfe des Teilnehmer-Nummernsystems und der automatischen
Leitungsdurchschaltung in den Vermittlungsstellen. Moderne Telekommunikationsnetze bieten
unterschiedliche Dienste mit unterschiedlichen Leistungsmerkmalen an und optimieren be-
darfsabhängig die Auslastung der Verbindungswege und Vermittlungsstellen im Netz.
Die Nachrichtenübertragung und die Nachrichtenvermittlung werden zur Nachrichtenübermitt-
lung zusammengefasst. Sie bildet die technische Grundlage des Telekommunikationsnetzes
(TK-Netz). Zu einem öffentlichen TK-Netz gehören weitere Aspekte, wie die Organisation und
das Management (O&M) des TK-Netzes, die Gebührenerfassung und -abrechnung, die Netzzu-
gangskontrolle und die Sicherheit.

Der Begriff Telekommunikation umfasst schließlich alle im Zusammenhang mit TK-Netzen
denkbaren Aspekte und tritt auch in verschiedenen Zusammensetzungen auf, wie die Telekom-
munikationswirtschaft oder das Telekommunikationsgesetz (TKG).
Ein alternativer Zugang zum Begriff Nachrichtentechnik ergibt sich aus den Arbeitsgebieten
der Informationstechnischen Gesellschaft im VDE (ITG) [GiKa04] (www.vde.com/de/fg/itg).
Mit etwa 11.000 persönlichen Mitgliedern und ihren Fachverstand spielt die ITG eine wichtige
Rolle in der Informationstechnik in Deutschland. Die Arbeit der ITG gliedert sich in neun
Fachbereiche:
 Informationsgesellschaft und Fokusprojekte (FB 1)
 Dienste und Anwendungen (FB 2)
 Fernsehen, Film und elektronische Medien (FB 3)
 Audiokommunikation (FB 4)
 Kommunikationstechnik (FB 5)
 Technische Informatik (FB 6)
 Hochfrequenztechnik (FB 7)
 Mikro- und Nanoelektronik (FB 8)
 Übergreifende Gebiete (FB 9)
Im Zusammenhang mit der Informationstechnik wird in den Medien häufig der Bundesverband
für Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) genannt.
Nach Selbstaussage im Internet (www.bitkom.org/de) vertritt er 2008 mehr als 1.200 Unterneh-
1 Aufgaben und Grundbegriffe der Nachrichtentechnik
6
men, die im deutschen Informations- und Kommunikationstechnologie(IKT)-Markt ca. 135
Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften und damit ca. 90 % des Markts repräsentieren.
Anmerkung: ITK – Informations- und Telekommunikationstechnologie.
Der enge Zusammenhang zwischen Informationstechnik und Informatik führt dazu, dass sich
die Arbeitsgebiete des Ingenieurs der Informationstechnik und des Informatikers oft über-
decken bzw. eine strikte Trennung nicht möglich ist. Der Begriff Informatik wird zuerst in
Frankreich verwendet und 1967 durch die Académie Française definiert [Des01]. Übersetzt
steht Informatik für:

Wissenschaft der rationellen Verarbeitung von Informationen, insbesondere durch
automatische Maschinen, zur Unterstützung des menschlichen Wissens und der
Kommunikation in technischen, wirtschaftlichen und sozialen Bereichen.
Im englischsprachigen akademischen Raum ist die Trennung in Informationstechnik und Infor-
matik wenig verbreitet. Dort trifft man auf die Begriffe Computer Engineering und Communi-
cations Engineering bzw. Computer Science.
1.3 Nachrichtenübertragung
Die Nachrichtenübertragungstechnik befasst sich mit der Darstellung und der Übertragung von
Nachrichten. Hierzu gehört im weiteren Sinne die physikalische Umsetzung von Signalen, wie
z. B. von Schallwellen in elektrische Spannungen in Mikrofonen. Im engeren Sinne beginnt
und endet die Nachrichtenübertragung mit dem elektrischen Signal bzw. der elektronischen
Darstellung der zu übertragenden Daten.
Eine generische Darstellung der Nachrichtenübertragung liefert das shannonsche Kommuni-
kationsmodell
1
. Darin übergibt die Informationsquelle (Information Source) die Nachricht
(Message) dem Sender (Transmitter), der das entsprechende Sendesignal (Signal) für den
Kanal (Channel) erzeugt. Im Kanal tritt das Signal der Störgeräuschquelle (Noise Source) hin-
zu, so dass das Empfangssignal (Received Signal) für den Empfänger (Receiver) entsteht.
Letzterer generiert daraus die empfangene Nachricht (Received Message) und übergibt sie
schließlich der Informationssenke (Destination).

Bild 1-2 Nachrichtenübertragung nach Shannon ([Sha48], Fig. 1)

1
Claude E. Shannon: *1916, †2001, US-amerikanischer Ingenieur und Mathematiker, grundlegende
Arbeiten zur Informationstheorie.
INFORMATION
SOURCE
TRANSMITTER RECEIVER DESTINATION

MESSAGE
SIGNAL
NOISE
SOURCE
RECEIVED
SIGNAL
MESSAGE
1.3 Nachrichtenübertragung
7

Bild 1-3 Wichtige Komponenten von Nachrichtenübertragungssystemen und deren Aufgaben
Erzeugung eines elektrischen Signals als Träger der Nachricht
) z. B. durch Umwandlung der Schalldruckschwankungen oder der Licht-
intensität in eine elektrische Spannung in einem Mikrofon oder einer Fern-
sehkamera; allgemeine Umsetzung physikalischer Größen in elektrische
Signale in Sensoren; zunehmend digitale Quellen die Bitströme erzeugen.


Darstellung der Nachricht in einer für die Übertragung geeigneten Form
) z. B. Digitalisierung durch A/D-Umsetzung; wird meist mit Reduzie-
rung des Übertragungsaufwandes verbunden, wie eine Entropiecodierung
mit dem Huffman-Code oder Weglassen von für den Empfänger irrelevan-
ter Signalanteile durch eine Bandbegrenzung in der Telefonie und der
Fernsehtechnik oder durch psychoakustische Audiocodierung nach dem
MPEG-Standard.

Schutz der Nachricht gegen Übertragungsfehler
) z. B. durch zusätzliche Prüfzeichen des Hamming-Codes oder des
Cyclic-Redundancy-Check (CRC)-Codes zur Fehlererkennung und
Fehlerkorrektur bzw. Wiederholung der Übertragung.


Erzeugung des an den physikalischen Kanal angepassten Signals
) z. B. durch Pulsformung oder Trägermodulation (AM, FM, GMSK,
OFDM, …).

Übertragungsstrecke
) in der Regel wird das Signal auf der Übertragungsstrecke verzerrt (z. B.
durch reale Filter, Verstärker) und gestört (z. B. durch thermisches
Rauschen oder fremde Signale); meist als Modell beschrieben, das
unterschiedliche Einflüsse zusammenfasst.

Rückgewinnung des gesendeten Signals bzw. Bitstroms
) Verfahren zur Unterdrückung der Störung, wie signalangepasste Filter,
Echoentzerrung, …

Inverse Kanalcodierung mit Erkennung und/ oder Korrektur bestimmter
Fehlermuster
) gegebenenfalls auch eine Sendewiederholungsanforderung

Inverse Quellencodierung
) bietet der Senke geeignete Signalform an
Nachrichtenquelle
Quellencodierung
Kanalcodierung
Leitungscodierung/
Modulation
Leitungsdecodierung/
Demodulation
Kanaldecodierung
Nachrichtensenke

Kanal
Quellendecodierung
1 Aufgaben und Grundbegriffe der Nachrichtentechnik
8
Je nach Anwendung werden die einzelnen Blöcke des Kommunikationsmodells spezialisiert
und in weitere Komponenten zerlegt. Die wichtigsten Komponenten der Nachrichten-
übertragung und ihre Funktionen sind in Bild 1-3 zusammengestellt. Man beachte, dass in
realen Übertragungssystemen nicht immer alle Komponenten verwendet bzw. untereinander
scharf getrennt werden.
Die Einbeziehung des Menschen als Nachrichtenempfänger erfordert die Berücksichtigung
physiologischer und psychologischer Aspekte. Die Fernseh- und Rundfunkübertragung und
insbesondere die modernen Codierverfahren zur Sprach-, Audio- und Videoübertragung sind
auf die menschliche Wahrnehmungsfähigkeit abgestellt. Um den Übertragungsaufwand klein
zu halten, werden Signalanteile weggelassen, die vom Menschen nicht wahrgenommen werden
können. Man bezeichnet diesen Vorgang als Irrelevanzreduktion. Die inneren Bindungen im
verbleibenden Signal, die Redundanz, wird zur weiteren Datenreduktion benutzt.
Je nachdem ob nach der Datenreduktion das ursprüngliche Signal prinzipiell wiederhergestellt
werden kann, unterscheidet man verlustlose und verlustbehaftete Verfahren. Anwendungen
finden sich im digitalen Rundfunk (Digital Audio Broadcasting, DAB), im digitalen Fernsehen
(Digital Video Broadcasting, DVB) mit der Audio- und Videocodierung nach dem MPEG-
Standard (Motion Picture Expert Group) und in der Mobilkommunikation. Damit werden bei
der Audiocodierung und der Videocodierung üblicherweise Verhältnisse von Datenraten vor-
her und nachher von circa 10:1 bzw. 40:1 erreicht.
Anmerkungen: (i) Darstellungen, die über diese Buch hinaus gehen, findet man beispielsweise in [Loc02],
[OhLü07], [Kam08], [Pro01], [PrSa94] und [Wer06]. (ii) In Abschnitt 3.8 wird eine kurze Einführung in
die Grundlagen der modernen Audio-Codierung gegeben. Zum weiteren Einstieg in die Audio- und
Videocodierung bzw. dem digitalen Ton- und Fernsehrundfunk eigenen sich z. B. [Fre97a], [Fre97b],
[Mäu03] und [Sch02]. Tiefergehende Darstellungen findet man beispielsweise in [Ohm04], [Rei05],
[Sch00], [Str05], [VHH98] und [Zöl05]
.

1.4 Telekommunikationsnetze
Die Aufgabe eines Telekommunikationsnetzes (TK-Netz) ist es, den Teilnehmern Dienste be-
stimmter Art mit bestimmter, nachprüfbarer Qualität zur Verfügung zu stellen. Man spricht von
der Dienstgüte oder QoS (Quality of Service). Von den Anforderungen her, lassen sich zwei
wichtige Gruppen unterscheiden: die Sprach- und Bildtelefonie und die Datenkommunikation.
In Abschnitt 6 wird darauf noch näher eingegangen, weshalb nachfolgend nur eine typische
Anwendung vorgestellt wird: ein Telefongespräch über das öffentliche TK-Netz.
Damit der rufende Teilnehmer A mit dem gerufenen Teilnehmer B sprechen kann, muss zu-
nächst über das TK-Netz eine physikalische Verbindung zwischen den Teilnehmerendgeräten
von A und B aufgebaut werden, siehe Bild 1-4. Wir gehen davon aus, dass beide Teilnehmer
über einen ISDN-Basisanschluss verfügen.

Anmerkung: Integrated-services Digital Network (ISDN); in Deutschland ab 1989 eingeführt. Für den
ökonomischen Netzbetrieb sind diensteintegrierende digitale Netze vorteilhaft, in denen die unterschied-
lichen Signale (Sprache, Telefax, Daten, usw.) in einheitlicher digitaler Form vorliegen. Man beachte je-
doch, dass beispielsweise bezüglich der Verzögerungszeiten und Bitfehlerraten unterschiedliche Anforde-
rungen für die Dienste gestellt werden (QoS), was eine unterschiedliche Behandlung der Dienste im TK-
Netz notwendig macht.
Nach Abnehmen des Hörers wählt A auf seinem Fernsprechapparat die Rufnummer von B.
Diese wird als elektrisches Datensignal im D-Kanal, dem Steuerkanal, über die Sammelleitung
(S
0
-Schnittstelle) an den Netzabschluss (NT, Network Termination) übertragen. Der NT bildet
1.4 Telekommunikationsnetze
9
den Abschluss des TK-Netzes zum Teilnehmer hin und steht über die Teilnehmeranschlusslei-
tung (U
K0
-Schnittstelle) mit der digitalen Vermittlungsstelle (DIV) in Verbindung.


Bild 1-4 Telekommunikationsnetz und Schnittstellen zum Teilnehmer am Beispiel von ISDN
Hierzu ist es notwendig, dass sowohl das Teilnehmerendgerät (Terminal Equipment, TE) und
der NT sowie der NT und die DIV dieselbe Sprache sprechen; technisch ausgedrückt, jeweils
eine gemeinsame Schnittstelle haben. Im Beispiel wird eine S
0
-Schnittstelle bzw. eine U
k0
-
Schnittstelle verwendet. Beide unterstützen pro Teilnehmer im Duplexbetrieb, d. h. gleichzeitig
in Hin- und Rückrichtung, je zwei Basiskanäle (B-Kanal) mit einer Bitrate von jeweils 64
kbit/s und einen Zeichengabekanal (D-Kanal) mit einer Bitrate von 16 kbit/s.
Anmerkung: Die Bitrate gibt die Anzahl der pro Zeit übertragenen Bits an. Die Bitrate des B-Kanals spie-
gelt den Stand der PCM-Technik der 1960er Jahre wider. Für die Übertragung eines Telefonsprachkanals
schienen damals 64 kbit/s notwendig. Moderne Verfahren der Quellencodierung ermöglichen Stereo-
Musikübertragung mit 64 kbit/s (Simplexbetrieb) und Bildtelefonie mit 64 bis 384 kbit/s in akzeptabler
Qualität. Eine der üblichen Telefonie entsprechende Sprachqualität kann nach ITU-Empfehlung G.729
mit einem Sprachcodierer und -decodierer mit einer Bitrate von 8 kbit/s erreicht werden.
Der Begriff der Schnittstelle

ist in der Nachrichtentechnik von zentraler Bedeutung. Er findet
seine Anwendung überall da, wo komplexe Systeme (Netze, Geräte, Programme, usw.) in
Teilsysteme (Vermittlungsstellen, Baugruppen, Softwaremodule, usw.) zerlegt werden können.
Für den wirtschaftlichen Erfolg ist wichtig, dass es erst durch die Definition von offenen
Schnittstellen möglich wird, Geräte verschiedener konkurrierender Hersteller miteinander zu
koppeln bzw. gegeneinander auszutauschen. Offene Schnittstellen sind die Voraussetzung für
einen echten Wettbewerb im TK-Sektor.

NT
DIV


TA
PC

FAX
S
0
-Schnittstelle
4-Drahtleitung (S
0
-Bus)
2B+D
U
K0
-Schnittstelle
2-Drahtleitung (a/b)
2B+D
DIV
Zentraler Zeichenkanal (SS7)
NT
U
K0
-Schnittstelle
2-Drahtleitung (a/b)
2B+D

FP
PC
S
0
-Schnittstelle

4-Drahtleitung (S
0
-Bus)
2B+D
Teilnehmer A
DECT
Teilnehmer B
TK-Netz
DIV
1 Aufgaben und Grundbegriffe der Nachrichtentechnik
10
Die digitale Vermittlungsstelle und gegebenenfalls weitere Vermittlungseinrichtungen des
TK-Netzes werten die Dienstanforderung aus und bereiten den Verbindungsaufbau zwischen
den Teilnehmern vor, indem sie einen günstigen Verkehrsweg durch das TK-Netz suchen. Man
spricht von der Verkehrslenkung (Routing). Die notwendige Signalisierung wird in dem zent-
ralen Zeichengabekanal (Signaling System Number 7, SS7) durchgeführt. Erst nachdem der
Teilnehmer B das Gespräch angenommen hat, wird ein Gesprächskanal zwischen den Teilneh-
mern aufgebaut. Aus Kostengründen werden im Fernverkehr die Gesprächskanäle unterschied-
licher Teilnehmer in der DIV mit der Multiplextechnik gebündelt und auf speziellen Ver-
bindungskanälen gemeinsam übertragen.
Anmerkung: Mit dem Vordringen der paketorientierten Vermittlung wird die Idee eines zentralen Zei-
chenkanals wieder aufgegeben. Stattdessen wird eine Inband-Signalisierung durch in den Datenstrom ein-
gefügte Steuer- und Meldepakete vorgenommen.
Die Schnittstellen eines TK-Netzes definieren den Signalaustausch:
 die physikalischen Eigenschaften der Signale, wie z. B. Spannungspegel, Pulsform,
Frequenzlage, Modulation, usw.
 die Bedeutung der Signale und den zeitlichen Ablauf (Reihenfolge)
 die Orte, an denen die Schnittstellenleitungen auf einfache Art mechanisch oder elek-
trisch unterbrochen werden können, wie z. B. bei einer Steckverbindung


Die Bündelung der Signale geschieht so, dass die einzelnen Gespräche (Signale) am Ende der
Übertragungsstrecke wieder störungsfrei getrennt werden können. Je nachdem ob die Signale
anhand ihrer Frequenzlagen, Wellenlängen, Zeitlagen und der modulierenden Codes unter-
schieden werden, spricht man von Frequenzmultiplex, Wellenlängenmultiplex, Zeitmultiplex
bzw. Codemultiplex. Bei Störungen kann es zur Überlagerung mehrerer Gespräche, dem Über-
sprechen, kommen.
Auf zwei Besonderheiten in Bild 1-4 wird noch hingewiesen. Teilnehmer A und B betreiben
jeweils mehrere Endgeräte am S
0
-Bus. Die S
0
-Schnittstelle unterstützt bis zu 8 Teilnehmerend-
geräte. Sollen nicht-S
0
-fähige Geräte benutzt werden, so ist ein geeigneter Terminaladapter
(TA) erforderlich.
Teilnehmer B betreibt ein digitales schnurloses Telefon (Portable Part, PP) mit einer „Luft-
schnittstelle“ oder Funkschnittstelle nach dem DECT-Standard mit einer Basisstation (Fixed
Part, FP) am S
0
-Bus.
Obgleich hier nicht auf die technischen Einzelheiten eingegangen werden kann, macht das Bei-
spiel doch die in der Nachrichtentechnik typische Denkweise deutlich: Komplexe nachrich-
tentechnische Systeme werden in quasi unabhängige, überschaubarere Teilsysteme zerlegt. Für
ein einwandfreies Zusammenwirken der Teile sorgen die Schnittstellen.
Wie in Bild 1-4 skizziert, findet der Nachrichtenaustausch von Endgerät zu Endgerät über ver-
schiedene Schnittstellen statt. Daneben existiert eine Vielzahl weiterer Schnittstellen im TK-
Netz, die für ein geordnetes Zusammenspiel der einzelnen Netzkomponenten sorgen. Wichtiger
Bestandteil der Schnittstellen zum Datenaustausch ist das Protokoll das Art und Ablauf der
Kommunikation festlegt, wie in Abschnitt 6 noch genauer erläutert wird.

1.5 Digitale Signalverarbeitung
11
Die Regeln für den Datenaustausch an einer Schnittstelle werden durch das Protokoll fest-
gelegt. Es definiert die Datenformate, die möglichen Befehle und Meldungen und die
zugehörigen Zeitvorgaben.

Anmerkung: Die fortgeschritten Mikroelektronik ermöglicht zunehmend „intelligente“ Geräte und Kom-
ponenten zu verwenden, die in einer Initialisierungsphase das zu verwendende Protokoll gegenseitig
aushandeln; vergleiche auch Plug-and-Play (PnP).
Telekommunikationsnetze ermöglichen die Übermittlung, d. h. Übertragung und
Vermittlung, von Nachrichten zwischen bestimmten Netzzugangspunkten. Sie stellen dazu
Dienste mit bestimmten Dienstmerkmalen zur Verfügung.

In Bild 1-4 ist bereits die Evolution des Telefonnetzes zu einem universellen TK-Netz ange-
deutet, einem so genannten Intelligenten Netz (IN) Während in der herkömmlichen Telefonie
anhand der gerufenen Nummer stets eine Gesprächsverbindung aufgebaut wird, nimmt der
ISDN-Teilnehmer über den Zeichengabekanal direkt Verbindung mit der Dienststeuerung des
TK-Netzes auf und kann so verschiedene Dienste abrufen, wie die Sprachübertragung, die
Bildtelefonie, die Datenübertragung, den Telefax-Dienst, die Anrufumlenkung, usw.
Abschließend sei angemerkt, den rechtlichen Rahmen zum Betrieb von TK-Netzen in Deutsch-
land liefert das Telekommunikationsgesetz (TKG), dessen Anwendung durch die Bundesnetz-
agentur (www.bundesnetzagentur.de) begleitet wird.
Anmerkung: Weiterführende Darstellungen zum Thema Telekommunikationsnetze findet man z. B. in
[Con04], [Sch06], [SDHT07], [Sta00], [Tan03] und [Wer05].

1.5 Digitale Signalverarbeitung
Auf einer Nachrichtenübertragungsstrecke werden Signale auf vielfältige Art und Weise
verarbeitet, vergleiche Bild 1-3. Die modernen Verfahren zur Sprach-, Audio- und Video-
Codierung sind eindrucksvolle Beispiele für die Leistungsfähigkeit der digitalen Signalver-
arbeitung. Die Signalverarbeitung beschränkt sich nicht auf die Nachrichtenübertragungs-

technik. Sie hat sich als digitale Signalverarbeitung zu einer Grundlagendisziplin in vielen
naturwissenschaftlich-technischen Anwendungsfeldern entwickelt.
Signale können an unterschiedlichen Stellen entstehen. Beispielsweise ein Musiksignal am
Mikrofon, ein Bildsignal an der Videokamera, ein Sensorsignal am Drehzahlmesser einer Ma-
schine, ein Bildsignal bei der Computertomographie usw. Heute werden diese Signale meist
am Entstehungsort digitalisiert und in einer für Computer bzw. Mikrocontroller brauchbaren
Form dargestellt.
Oft sind die Signale bei ihrer Entstehung oder Übertragung von Störungen überlagert, die vor
einer Weiterverarbeitung zunächst reduziert werden müssen. Dazu werden an die Signale und
Störungen angepasste Verfahren, wie z. B. Filterung und Entzerrung, eingesetzt.
Daneben spielt die Mustererkennung eine wichtige Rolle. Typische kommerzielle Beispiele
sind die automatischen Sprach- und Schrifterkennungssysteme, die Bildverarbeitungssysteme
in der Qualitätskontrolle oder der Medizin und die automatischen Patientenüberwachungs-
1 Aufgaben und Grundbegriffe der Nachrichtentechnik
12
systeme in den Kliniken. Als neue kommerzielle Anwendungen treten die Fahrassistenz-
systeme hinzu: Beispielsweise werden von einer Kamera hinter der Windschutzscheibe bis zu
30 Bilder pro Sekunde aufgenommenen und in der Bildfolge Verkehrszeichen und Fahrbahn-
begrenzungen automatisch erkannt und dem Fahrer angezeigt.
Seit der rasanten Verbesserung des Preis-Leistungsverhältnisses in der Mikroelektronik, ist die
digitale Signalverarbeitung aus vielen Anwendungsfeldern nicht mehr wegzudenken bzw. hat
sie erst entstehen lassen. Speziell dafür entwickelte Mikrocontroller, digitale Signalprozessoren
genannt, ermöglichen den kostengünstigen Einsatz anspruchsvoller Verfahren. Durch den pro-
grammgesteuerten Ablauf lassen sich insbesondere adaptive Verfahren realisieren, die sich
automatisch an veränderte Bedingungen anpassen.
Als Maß für die Komplexität moderner Algorithmen
1
der digitalen Signalverarbeitung wird
häufig die Anzahl der Rechenoperationen in MOPs (Mega Operations per second) angegeben.
Wie enorm die Anforderungen sein können, zeigen die Kennzahlen digitaler Sprachcodierver-

fahren. Für den 1991 in den ersten GSM-Mobiltelefonen eingesetzten Full-Rate Sprachcoder
werden 3,5 MOPs benötigt. Der heute in GSM-Handys gebräuchliche Enhanced Full-Rate
Sprachcoder und der verwandte ITU-Sprachcoder G.729 verbrauchen bereits 18 MOPs
[VHH98]. Im Jahr 2006 hat die ITU-T mit der Empfehlung G729.1 einen Sprachcoder für die
Telefonie mit ca. 36 MOPs vorgeschlagen ([BSH08], Table 17.13). In der Audio- und Video-
codierung ist die Komplexität noch größer.
Anmerkungen: (i) Zum Vergleich sei die Leistungsfähigkeit des ersten Supercomputers, der Cray I aus
dem Jahre 1976, genannt mit 130 MFLOPs (Floating Point Operations per second). (ii) Einen Einstieg in
die weiterführende Literatur findet man beispielsweise in [Grü04], [KaKr06], [MeHo04], [OSB04],
[Schü08], [Wer08a], [Wer08b] und [Wer08c]. Einen Überblick über die Methoden und Anwendungen der
Sprachverarbeitung gibt [BSH08].

1.6 Wiederholungsfragen zu Abschnitt 1
Im ersten Abschnitt stehen Grundbegriffe und Konzepte der Nachrichtentechnik im Mittel-
punkt. Beantworten Sie hierzu folgende Fragen:
A1.1 Was sind die Aufgaben der Nachrichtentechnik?
A1.2 Erklären Sie die Begriffe: Signal, Schnittstelle und Protokoll.
A1.3 Was sind die Aufgaben der Quellencodierung, der Kanalcodierung und der Leitungsco-
dierung bzw. Modulation?
A1.4 Skizzieren Sie das shannonsche Kommunikationsmodell.
A1.5 Was sind die Aufgaben eines Telekommunikationsnetzes?
A1.6 Nennen Sie drei Anwendungsgebiete der digitalen Signalverarbeitung.





1
Chwarismi, Mohammed (mittellateinisch Algorismi): * um 780, †846, persischer Mathematiker und
Astronom. Von seinem Namen leitet sich der Ausdruck Algorithmus ab.



13
2 Signale und Systeme
2.1 Einführung
Dem Mitbegründer der modernen Informationstheorie Norbert Wiener
1
wird die Feststellung
zugeschrieben: „Information is information, not matter or energy“. Die Information besitzt
ihre eigene Qualität; sie gehört zu den Fundamenten unserer Welt, wie Stoff oder Energie.
Der Ausspruch deutet die Schwierigkeit an, Information im technischen Sinne greifbar zu
machen. Die Nachrichtentechnik unterscheidet deshalb zwischen der Information im Sinne
einer Nachricht und ihrer physikalischen Darstellung, dem Signal, dessen Eigenschaften
gemessen werden können.
Die Untersuchung von Signalen und deren Veränderungen durch elektrische Netzwerke ist seit
langem Gegenstand der Nachrichtentechnik. Deren Ergebnisse und Erkenntnisse aus anderen
Wissenschaftsgebieten führten zur fachübergreifenden Theorie der Signale und Systeme, der
Systemtheorie.
Die Systemtheorie beschreibt
 Signale als mathematische Funktionen und macht sie der mathematischen Analyse und
Synthese zugänglich. Reale physikalische Signale werden durch Modelle in Form
mathematischer Idealisierungen angenähert.
 Systeme und deren Reaktionen auf Signale. Reale physikalische Systeme werden durch
Modelle angenähert, die in einem eingeschränkten Arbeitsbereich das Systemverhalten
wiedergeben.
Dieser Abschnitt gibt eine kurze Einführung in den Themenkreis Signale und Systeme aus
nachrichtentechnischer Sicht. Zunächst werden die grundlegenden Signalarten vorgestellt.
Danach werden beispielhaft einfache elektrische Netzwerke als lineare zeitinvariante Systeme
betrachtet und es wird aufgezeigt, wie das Ausgangssignal für ein beliebiges Eingangssignal
berechnet werden kann. Ausgehend von der komplexen Wechselstromrechnung, die hier als

bekannt vorausgesetzt wird, wird mit den Fourier-Reihen das Lösungsverfahren auf periodi-
sche Signale erweitert. Mit der Fourier-Transformation wird schließlich die Betrachtung auf
aperiodische Signale ausgedehnt.
Durch die Fourier-Reihen bzw. Fourier-Transformation wird das Spektrum als die Signal-
beschreibung im Frequenzbereich eingeführt und die Bandbreite als wichtige Kenngröße defi-
niert. Der fundamentale reziproke Zusammenhang zwischen Impulsdauer und Bandbreite wird
erläutert und seine Bedeutung für die Nachrichtentechnik aufgezeigt. Passend zur Charakteri-
sierung der Signale im Frequenzbereich werden die Systeme durch den Frequenzgang be-
schrieben und Tiefpass-, Hochpass- und Bandpass-Filter vorgestellt.


1
Norbert Wiener: *1884, †1964, US-amerikanischer Mathematiker, grundlegende Arbeiten zur Kyber-
netik [Wie48].
14 2 Signale und Systeme
Mit der Definition der Impulsfunktion als mathematische Idealisierung eines „sehr kurzen und
energiereichen“ Signals wird die Impulsantwort als die wesentliche Systemfunktion eingeführt.
An ihr lassen sich die wichtigen Systemeigenschaften erkennen. Darüber hinaus können Im-
pulsantwort und Frequenzgang mit der Fourier-Transformation ineinander umgerechnet wer-
den. So schließt sich der Kreis zwischen den Systembeschreibungen im Frequenzbereich und
im Zeitbereich.
Anmerkung: Zu einem tiefer gehenden Einstieg in das Thema Signale und Systeme eignen sich beispiels-
weise [GRS07], [MeHo04], [Mey06], [OpWi89], [OWN97], [Sch88], [Sch91] und [Wer08b]. In [Unb98],
[Unb02] und [Sch08] findet sich eine kompakte Zusammenstellung von Grundlagen und Anwendungen
für Leser mit fortgeschrittenen Kenntnissen.
2.2 Klassifizierung von Signalen
2.2.1 Zeitkontinuierliche und zeitdiskrete Signale
Ein Signal ist eine mathematische Funktion von mindestens einer unabhängigen Variablen. Wir
schreiben für ein Signal allgemein x(t); falls es sich um elektrische Spannung oder Strom han-
delt auch u(t) bzw. i(t). Die Variable t steht für die Zeit. Ist t kontinuierlich, so liegt ein zeitkon-

tinuierliches Signal vor. Ist die Zeitvariable nur für diskrete Werte definiert, so spricht man von
einem zeitdiskreten Signal und schreibt x[n]. Der Laufindex n wird normierte Zeitvariable ge-
nannt.
Anmerkung: Für zeitdiskrete Signale sind in der Literatur auch x(n) bzw. x(k) verbreitet.
Im Beispiel der Telefonie liefert das Mikrofon eine sich zeitlich ändernde elektrische Span-
nung. Deren prinzipieller Verlauf könnte wie in Bild 2-1 aussehen, einer Aufnahme des Wortes
„Ful-da“.

Bild 2-1 Mikrofonspannung als Funktion der Zeit
Ein zeitdiskretes Signal entsteht häufig durch gleichförmige zeitliche Diskretisierung eines
zeitkontinuierlichen Signals, siehe Bild 2-2. Man spricht von einer Abtastung und der Abtast-
folge
x[n] = x(t

=

nT
a
) (2.1)
mit dem Abtastintervall T
a
.
Der Übergang vom zeitkontinuierlichen zum zeitdiskreten Signal wird in Abschnitt 3 ausführ-
lich behandelt. Es sind jedoch auch viele Signale von Natur aus zeitdiskret, wie der tägliche
Börsenschlusswert einer Aktie.
0,8
0,4
0
0,4
t

in s
u(t) in V

×