StreifLichter
Streilichter
Personalien
Memorial:Dipl.-Ing.AlexandervonPeez(1903–1981)
ImVorjahr2001jährtesichzumzwanzigstenMalederTodestagvonA.v.PEEZund
im kommenden Jahr 2003 wird sein 100.
Geburtstagzufeiernsein.Soerscheintes
passend,diesesInterimsjahr2002zuwählen,umbeiderLebensdatendiesesbedeutendenSüdtirolerGelehrtenzugedenken
undihnzuwürdigen.
Am29.April1981verschiedinBrixender
großeSüdtirolerKäferforscherundNaturfreundAlexandervonPeezim78.Lebensjahr.A.v.Peezwaram20.Sept.1903inSt.
Gallen(Steiermark)alsSohneinesIndustriellen geboren worden. Hier verbrachte
er auch seine erste Jugendzeit und zeigte schon damals großes Interesse für die
Tierwelt.
NachBesuchdesRealgymnasiumsinLugano (Schweiz) und Ablegung des AbitursinMeranimJahre1921,studierteA.
v.PeezanderTechnischenHochschulein
München Maschinenbau. Als Wasserturbinenbau-Ingenieurwarerdannmehrere
JahrebeiEscher-W
JahrebeiEscher-WyssinSchiotätig.
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Der glückliche Umstand inanzieller Unabhängigkeit ermöglichte ihm diesen Beruf
aufzugebenundihmJahre1932anderUniversitätWiendasStudiumderZoologieaufzunehmen.ABEL,KÜHNELTundKONRADLORENZgehörtenhierzuseinenLehrern.
In Wien lernteA.v.Peez auch FrauAlixandrine Baronin Gerliczy kennen, mit der er
sich 1936 vermählte. Der harmonischen Ehe entsprossen eine Tochter, Elisabeth, und
zweiSöhne,ErnstundFranz.NochvorKriegsausbruchübersiedeltedieFamilienach
ClarensbeiMontreuxindieSchweiz.NebenAufsammlungundStudiumderdortigen
Käferfauna,schufA.v.Peezhiervon1942bis1944auchkunstvolleAquarellzeichnungenvonKäfern.EinekleineAuswahldieserKunstwerkevonfotograischerPerfektion
erschien1950beiHallwaginBernunterdemTitel»SchönheitderKäfer«.
SeineMeisterschaftinderbildlichenDarstellungvonInsektenbrachteA.v.Peez1953
einForschungsstipendiumansTransvaal-MuseuminPretoria(Südafrika)ein,woerdie
Illustrationu.a.von19FarbbildtafelnderTenebrioniden-MonographievonAngolavon
C.KOCH,die1958inLissabonerschien,gestaltete.
A.v.PeezwarsehrvielseitiganderWeltderInsekteninteressiert,derenFormenvielfaltihnebensoalsÄsthetundbildenderKünstlerwiealsWissenschaftlerfaszinierte.
InFachkreisenundbeiseinenMitbürgernwarerhauptsächlichalsgroßer»Käferspezialist«(Coleopterologe)bekannt,dochsammelteernebenbeisporadischauchnochandereInsektengruppen,wieAmeisen,Wildbienen,Grabwespen,Goldwespen,Wanzen
u.a.m.;diesekleinerenNebensammlungengingenausseinemNachlaßspäteranseinen
langjährigenSammelfreundK.Hellriglüber,dersiedannnochweiterausbaute.
Gredleriana Vol.2/2002 pp.337–352
DiegroßeVorliebevonA.v.PeezgaltaberderKäferwelt.Hierwiederumhatteesihm
ganzbesondersdieFaunistikangetanundsobegannerdannabdemJahre1946,nach
seiner Rückübersiedlung aus der Schweiz in seine neue Wahlheimat Brixen, intensiv
dieKäferweltSüdtirolszuerforschenundkarteimäßigzuerfassen;wohlerkennend,
daßdiebisherbedeutendste,abernunmehrbereitsfasteinJahrhundertzurückliegende
Faunistikder»KäferTirols«(1863/66)vonV.M.GREDLERdringenderErneuerungund
Ergänzungbedürfe.
IndiesemüberdreieinhalbJahrzehntebetriebenemStudiumderSüdtirolerKäferfauna
liegtdiebedeutendstewissenschaftlicheLeistungvonA.v.Peez.SeinenNiederschlag
fanddiesesLebenswerkindem1977erschienenBand»DieKäfervonSüdtirol«(Ferdinandeum Innsbruck), als dessen Mitverfasser sein Schüler und engster Mitarbeiter
derletztenJahre,ManfredKahlen(Halli.Tirol)zeichnete.Indiesem525Seitenstarken
WerkwerdenfürSüdtirol4172Käferartenangeführt,dassindumnahezu50%mehr
alsimfaunistischenVerzeichnis(1863–1898)vonAltmeisterGredler.Dokumentarisch
untermauertistdiesesWerkdurcheinehervorragendegenerelleSüdtirol-Käfer-Sammlung,dienebenvorwiegendemBelegmaterialausSüdtirol,zuetwa4auchausländischesVergleichsmaterialenthältundmitinsgesamtetwa5000Arteninrd.40.000ExemplareneinederbedeutendstenTirolerKäfersammlungendarstellt.
NebendenKäfernwarenA.v.PeezNaturundUmweltstetseingroßesAnliegen;entsprechend bereitete ihm die auch leider hierzulande zu beobachtende Umwelteinengung und oft sinnlose Lebensraumzerstörung zunehmende Sorge. Bezeichnend für
seineEinstellungundEhrfurchtgegenüberderNaturwarauch,daßerniemehrBelegexemplareeinerArtmitnahm,alsihmzurSicherungdesfaunistischenNachweises
notwendigschien.ImNachhineinerwiessichdieseEinstellungallerdingsalsbedauerlicheFehlentscheidung,dennleiderkamesinderFolgeso,daßmehralsdieHälfteder
Fundplätze,andenenA.v.Peezgesammelthatte,inzwischenzurGänzezerstörtwurdenundalsHabitateverschwundensind– undmitihnennatürlichauchihreehemaligeInsektenwelt.UmsobedeutsamereZeitdokumentesinddaherdieBelegeinseiner
Käfersammlung,dieheuteamNaturmuseuminBozenaufbewahrtwird.
EingroßesVerdienstvonA.v.Peezwaresjedenfalls,ineinerschwierigenZeitalsjahrzehntelangaufsichalleingestellterInsektenforscherinSüdtirol,dieTraditionderEntomologiefortgeführtzuhaben.DabeiwurdenichtnurunwiederbringlichesBelegmaterialfürdieWissenschaftsichergestellt,sonderndurchÜberbrückungderNach-Gredler-EpocheauchdieentomologischeKontinutätindiesemLandegewahrt.DamitwurdeerauchzumWegbereiterundLehrereinerneuenGenerationvonTirolerEntomologen,wieetwaM.KahlenundK.Hellrigl,dieseitAnfangder60erJahreseineSchüler und späteren engsten Mitarbeiter waren. Daneben hielt und plegte er auch enge
Kontakte zu Fachkollegen der südlichen und nördlichen Nachbarregionen, wie dem
Trentino(A.PeriniundL.Tamanini),Nord-undOsttirol(A.WörndleundA.Koler)
sowieBayern(R.Frieser,K.Witzgall,A.Horion)undWien(u.a.K.HoldhausundO.
Scheerpeltz).
AusderseinemfreundlichenliebenswürdigenWeseneigenenBescheidenheit,drängte
sichA.v.PeezselbstnieindenVordergrund;nurwennersichförmlichdazugenötigt
sah,betätigteersichgelegentlichauchpublizistisch.Vielmehrzogeresvor,seingroßesWissenundseinelangjährigeErfahrungseinenSammelfreundenundMitarbeitern
inselbstloserWeiseimdirektenGesprächmitzuteilen.DurchdieseprägendeSchulung
undWissensvermittlungwurdederweitereWerdegangmancherjungenTirolerEntomologenmaßgeblichbestimmt.
(K.Hellrigl)
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Streilichter
Faunistik:aktuelleNotizen
1Milben(AcarioderAcarina)
Die Milben (Acari) sind eine sehr artenreiche Gruppe von Gliederfüßern (Arthropoda);weltweitsindetwa40.000Artenbekanntundjährlichwerdenumdie800neubeschrieben(UraniaTierreich1994).InItalienwurdenbisherknapp3000Artenregistriert
(ChecklistFaunaItaliana1995),währendfürSüdtirolbisherrund400erfaßtsind(HELLRIGL1996:DieTierweltSüdtirols).
MilbensindkeinesechsbeinigenInsekten,sonderngehörenzudeninderRegelachtbeinigenSpinnentieren(Arachnida).Siesindmeistsehrklein(0,1–2mm),diegrößten
MilbensinddieZecken(vollgesogene bis1cm).MilbenhabeneinegroßeBedeutung als Bodenarthropoden; manche treten auch als Schmarotzer an tierischen oder
planzlichenOrganismenauf.
WährenddieAcarifrüher(vielfachauchheutenoch)alseineder11(heimisch6)OrdnungenderKlasseSpinnentiere(Arachnida)betrachtetwurden(z.B.UraniaTierreich
1994;Stresemann,Exkursionsfauna1992;Brohmer,FaunavonDeutschland1992),gehen neuere Auffassungen dahin, sie als eigene Unterklasse zu betrachten (Checklist
FaunaItaliana1995);dadurchwürdenihreehemaligenUnterordnungenumeineRangstufezuOrdnungenerhöht,sodaßsichfolgendesBildergibt:
ÜO.Parasitiformes(=Anactinotrichida),mitdenOrdnungenIxodida(=Metastigmata)
undGamasida(=Mesostigmata);ÜO.Acariformes(=Actinotrichida),mitdenOrdnungenActinedida(=Prostigmata,Trombidiformes),Oribatida:(=Cryptostigmata),Acaridida:(=Astigmata).
1.1 Raubmilben,HornmilbenundKrätzemilben
bemerkenswerteFundederletztenJahreausSüdtirol
Mesostigmata(=Gamasida)–Raubmilben
Phytoseiidae:
** Amblyseiussimilis(C.L.Koch):Gröden:inKokonsvonNeodiprionsertifer:1997,
leg.K.Hellrigl(det.K.Schmölzer).–NeufundfürSüdtirolundItalien.
Trematuridae:
Trichouropodaovalis(C.L.Koch,1839)–Penon:LaubwaldimMulm,15.7.2001,
(leg.Hellrigl,det.K.Schmölzer).
Hypoaspididae:
Hypoaspis(Pneumolaspis)sp.:Lüsen(1100m),inFormicapolyctena-Nest,1998
(leg.K.Hellr.,det.H.Schatz.);
Cryptostigmata(=Oribatida)–Hornmilben
Carabodidae:
Carabodeslabyrinthicus(Michael,1879)–Lüsen,1100m,Formica-Nest(1)*;
* Scutoverticidae:
* ScutovertexsculptusMichael,1879–Lüsen,1100m,Formicapolyctena-Nest(1)*;
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Achipteriidae:
* AnachipteriadeiciensGrandjean,1932–Lüsen,1100m,Formica-Nest(1)*;
(1)*:1998leg.K.Hellr.,det.H.Schatz.
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Astigmata(=Acaridida)–Vorrats-undKrätzemilben
Sarcoptidae–Räude-oderKrätzemilben
Sarcoptesscabiei(L.,1758)var.rupicaprae(Hering,1838)–»Gamsräude-Milbe«:
JahrfürJahrindensichindenMedienBerichteüberAuftretenvonGamsräudeinverschiedenenGebieteninSüdtirol(seit1979),dieinzwischeninallenRevierenvorkommt
(»Dolomiten«: 2001, Nr.202). Die durch hohe Wildbestände in ihrer Ausbreitung begünstigtegefährlicheKrankheitwirdverursachtdurchdie»Gamsräude-Milbe«.Während diese Räudemilbe früher als eigene Art, Sarcoptes rupicaprae, betrachtet wurde,
sind nach neuer Auffassung alle an verschiedenen Säugetieren – einschließlich dem
Menschen–lebendenKrätze-oderRäudemilbeneinereinzigenweltweitverbreiteten
polymorphenArt,Sarcoptesscabiei,zuzuordnen.DieandendiversenSäugetierenauftretendenFormen(früheralseigeneArtenoderUnterartengeführt)werdennurmehr
alsVarietätenbetrachtet(ChecklistFaunaItal.1995).–
Von »Krätze« spricht man, wenn haarlose Stellen der Wirtshaut befallen sind – von
»Räude«,wenndieseHautpartienbehaartsind.
1.2 Gallmilben(Tetrapodilina:Eriophyidae)
DiewinzigenGallmilbensindmitnur0,1bis0,2mmKörperlängediekleinstenGliederfüßer.ImGegensatzzudenübrigen,mehreiförmigenundachtbeinigenMilben,sind
siewurmförmigundweichhäutig,mitnur2Beinpaaren(Tetrapodilina=Vierfüßer)als
Erwachsene.ImSystemderMilbengehörensiezudenTrombidiformesundbildendort
dieFamilieEriophyidae,dieinmehrereUnterfamilienvonteilsgallenbildendenund
teilsfreilebendenArtenunterteiltwird.
Die von Gallmilben an Planzenorganen angeregten Gallenbildungen (Milbengallen,
Phytoptocecidien) weisen große Mannigfaltigkeit hinsichtlich ihrer Entstehung und
Ausbildungauf.MilbengallengehörenvorallemanLaubbäumenzudenauffälligsten
Mißbildungen(besondershäuiganBlätternvonAhornundLinde)wobeianGallenformen2Hauptgruppenunterscheidenwerden(Postner1972):
1. OrganoideGallen:
Um-undNeubildungenvonOrganenderbefallenenPlanzendurchFormen-oderVerzweigungs-Anomalien(Verdrehungen,Blütenfüllung,Blütenvergrünung,Knospensucht,Zweigsuchtu.a.),oderNeubildungvonOrganen,wiedieals»Wirrzöpfe«bezeichnetenMißbildungenanSalix-Arten(besonders
Trauerweiden)unddiebekannten»Eschenklunkern«anFraxinus.
2. HistoideGallen:
BildungabnormerGewebeanbestimmtenPlanzenorganen,vorallemanBlättern:Haarbildungenoder
Filzgallen(Erineum,Phyllerium)meistaufderBlattunterseite;AusstülpungenderBlattläche:inForm
vonHörnchen(Ceratoneon),beutelförmigenAuswüchsen(Cephaloneon)oderNagelgallenu.ä.;BlattrandrollungenoderBlattfaltungen(Legnon),sowieabnormesDickenwachstumbestimmterGewebe,
besondersKnospenverdickungen(Knospengallen).
EineAulistungrezenterVorkommenvonGallmilbeninSüdtirol,besondersimforstlichenBereich,indetsichbeiHELLRIGL(1996).Dortsindallerdingsnichtberücksichtigt
dieälterenMeldungenvonDALLATORRE(1892/96),dersichhieralsersternähermit
Gallmilbenbefaßthatte.EineneueaktualisierteFaunistikderGallmilbenSüdtirolsist
fürdennächstenBand»Gredleriana«geplant.HiersolleneinstweileneinigeinteressanteFundeausdenJahren2001/02angeführtwerden,geordnetnachWirtsplanzen:
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Streilichter
Acerpseudoplatanus–Bergahorn,Mals(1200m),VII.2001:blattunterseitsilzigeGrube(ähnlichwiebei
Walnußblattmilbe)Erineum:EriophyespseudoplataniCorti(K.Hellrigl);
Acerpseudoplatanus–Bergahorn,Brixenu.a.o.,Knöpfchengallen(Ceratoneon)aufBlätternverursacht
durchAceriamacrorhynchaNal.:alljährlichs.häuigundweitverbreitet(K.Hellr.);
Betulasp.–Birkeca.300Bäume:Astnerberg,Kiens,1300–1700m;starkerBefall,Aug.2001:auffällige
gelbeFilzrasenblattunterseits(Fotos:Hellrigl):?EriophyeslissonotusNalepa.
Fagussilvatica–Rotbuche:Oberbozen:1200m;22.08.02,helleFilzrasenaufUnterseitederBlätter,verursachtdurchAcerianervisequafagineaNalepa(K.Hellrigl);
Fraxinus–Esche:»Eschenklunkern«durchAceriafraxinivoraNal.,seitJahrenmassenhaftinBrixen-MillandundanderortsinBrixenUmgeb.,besondersstark2001/02(K.Hellrigl).
Juglansregia–Wahlnuß:AceriaerineaNalepa;Brixen,Vahrn,Aicha,Kaltern;allgemeinverbreitetund
häuiganWalnußblättern:blattunterseitsgrubigeFilzrasen(K.Hellrigl).
Rhododendronferrugineum–Alpenrose:EriophyesalpestrisNal.;Gadertal,Campill:2000m;25.7.01(K.
Hellrigl);Blattrandrollung:PhyllocoptesthomasiNal.
Salix elaeagnos – Grauweide: Gallmilben in Blattpusteln: Aculus tetanothrix Nal.; Gadertal: Campill,
1500m,25.7.01(K.Hellrigl).
Salix reticulata – Netzweide: Blattpocken (Chephaloneon) durch Aculus tetanothrix Nal.: Mte. Boé,
2700m,22.07.01;Wasserscharte(Puez-Geißler):18.08.02(G.v.Mörl).
Sorbuschamaemespilus–Zwergmispel:Sulden,1850m,17.07.01:starkerBefallanBlätternmitBlattpockendurchPhytoptusvariolosusNal.(leg.etFotoK.Hellrigl).
Taxusbaccata–Eibe:KnospengallendurchCecidophyespsilaspisNal.;Fennberg:VII.2001;Mezzocorona,
800m(K.Hellrigl).
Vitis vinifera – Weinrebe: Brixen/Milland, auf Blattoberseite pocknarbigeAufwölbungen, blattunterseitshellbrauneFilzrasendurchEriophyesvitisLand.(20.08.02,Foto:K.Hellrigl).
2KopläuseundBettwanzen
Flöhe,LäuseundBettwanzengehörenzudenaltbekanntenblutsaugendenSchmarotzerndesMenschen;überdiessindsie–wievieleandereBlutsauger(z.B.Zecken,Stechmücken, Stechliegen) – als mögliche Überträger gefährlicher Krankheitserreger bekannt.
AbgesehenvonihrerLästigkeitundderunangenehmenPeinlichkeitfürdievondiesen
ParasitenbefallenenundgeplagtenPersonen,sinddiesekleinenInsektenaberhöchst
interessant.Siehabennämlich,wievieleandereParasiten,einehohewirtsspeziische
Anpassung entwickelt; daraus ergeben sich Fragen sowohl hinsichtlich ihresArtstatus,alsauchbezüglichihreralternativenAusweich-undÜberlebensmöglichkeitbeim
zeitweisenFehlenihreradaptiertenspeziischenWirtebzw.Lebensbedingungen.Diese
FragensollenamBeispielderKopläuseundBettwanzenkurzerörtertwerden.
2.1 LäuseundKopläuse
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UnterdergroßenZahlvonTierläusen(Phthiraptera:Anoplura–EchteLäuse)gibtes3
ArtenderFamiliePediculidae,diespeziellandenMenschenbzw.anhöherePrimaten
angepaßtsind:dieScham-oderFilzlaus(Phthiruspubis),dieKörper-oderKleiderlaus
(Pediculushumanuscorporis)unddieKoplaus(Pediculushumanuscapitis).
BereitsdieseEinteilungistfaszinierend,dennsiezeigt,welcheextremengeSpezialisierungaufjeweilseinebestimmteKörperregionhierbeiein-unddemselbenWirtstattgefundenhat.TatsächlichunterscheidensichdiesedreiPrimaten-oderMenschenläuse
auchäußerlichvoneinander:imGegensatzzurbreitgebautenFilzlaus,dieaufScham-,
Achsel-undBarthaarespezialisiertist,sinddiebeidendavonsehrabweichendenFormenvonPediculushumanusschlankgebaut.
BisvorkurzemwurdenKopf-undKleiderlausdesMenschennuralsUnterarten(Rassen)betrachtet(Brohmer1992;ChecklistFaunaItalia1995),dochnachneuerUntersuchungensollenesselbständigeArtensein,wobeidiekleinereKoplaus(P.capitis)die
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ursprünglichereist,diebeimMenschenschonimHaupthaardesKopfesparasitierte,
alsernochohneBekleidungwar(UraniaTierreich1994).
Zu Massenvermehrungen von Kleiderläusen kommt es besonders in Zeiten mit ungünstigen hygienischen Voraussetzungen für den Menschen (Kriege, Notzeiten, Seuchen), wobei auch die Gefahr von Epidemien der durch diese Läuse übertragenen
Flecktyphus-Erregersteigt.InNormalzeitenistdieKleiderlausaberäußerstseltengeworden,auchinSüdtirol(Hellrigl1996:TierweltSüdtirols).
ImGegensatzdazuistbeiKopläusenseitEndeder60erJahreeineweltweiteZunahmezuverzeichnen,dienurschwererklärbarist(UraniaTierreich1994)undauchfür
Südtirolzutrifft(Hellrigl1996).JahrfürJahrindensichhierindenMedienBerichte
überAuftretenvonKopläuseninKindergärtenundSchulen,wobeiinSüdtiroljährlich
400–500Fällebekanntwerden(vgl.»Dolomiten«:2001,Nr.286–287).
2.2 Bettwanzen
Bettwanzensind,wiealleVertreterderartenreichenOrdnungWanzen(Heteroptera)–
mitweltweit40.000Arten,inSüdtirolca.570Arten(vgl.Hellrigl1996)–durcheinentypischenunangenehmen»Wanzengeruch«gekennzeichnet.Bemerkenswertist,daßan
PlanzenlebendeWanzen–welchedenGroßteilderArtenausmachen–meistgarnicht
als»Wanzen«erkannt,sondernoftfälschlichals»Stinkkäfer«bezeichnetwerden.
DerAbscheuunddasEkelgefühl,welchedasWort»Wanzen«beimMenschenhervorrufen,gehtzweifellosaufdieBettwanze(CimexlectulariusL.)zurück.Dieszeigt,daß
die Erinnerung an diesen besonders in Notzeiten (z.B. Kriege) mit schlechten hygienischenBedingungengehäuftauftretendenblutsaugendenAußenparasitendesMenschennochnichtinVergessenheitgeratenist.
Dielachen,fügellosenBettwanzen(CimexlectulariusL.)sindoptimalanihreparasitische Lebensweise am Menschen angepaßt. Zusammen mit 3 weiteren heimischen
Arten,derTaubenwanze(CimexcolumbariusJen.),derSchwalbenwanze(C.hirundinis
Lamrk.)undderFledermauswanze(C.pipistrelliJen.)bildensiedieFamiliederPlattwanzen(Cimicidae).
Durch die verbesserten hygienischen Bedingungen sind Bettwanzen in zivilisierten
Länderninzwischenseltengeworden.InneuererZeittauchensieinEuropawiederöftersinHotelsundPensionenauf,alsMitbringselvonGästenausfernerenLändern.
BemerkenswerterscheintdahereinvomVerf.untersuchtesrezentesAuftretenvonBettwanzenimSept./Okt.2002ineinerParterrewohnunginBrixen-Köstlan,derenInhaberinnachtsmehrfachgestochenwurdeundwosichdieWanzentagsüberhintereiner
HolztäfelungundandenWändenunterBildernversteckthielten.AlsweitereÜberraschungstelltesichbeideranschließendenEntwesungdurcheinenSchädlingsbekämpfer(Kammerjäger)dessenAussageheraus,wonacheshierjährlicheinigesolcherFälle
gebe,dieaberinkeinerofiziellenStatistikaufscheinen.KonkretereDatensolleshingegenfürBozengeben,miteinerhöherenAnzahlvonAuftretenproJahr.
EsstelltsichhierbeivorallemdieFragenachmöglichenalternativenInterimswirten.
TatsächlichkanndieBettwanzeauchandiversenanderenSäugetierenundVögelnleben.ZudemwerdenBett-undTaubenwanzezuweilenalsUnterartenderselbenArtbetrachtet.–HäuigeralsAuftretenundStichedurchBettwanzensindhierinWohnungen
jedenfalls solche durch die deutlich kleineren Schwalbenwanzen. Diese kommen dadurchzustande,daßdiesekleinenWanzenvondenunterDachvorsprüngengebauten
SchwalbennesternaufdiedarunterliegendenFensterbretterundvondortindieWohnungengelangen.EinensolchenFallkonnteVerf.1992inBrixennachweisen.
(K.H.)
343
Streilichter
3 Planzenwespen(Blattwespen)–Symphyta
AuchimlaufendenJahr2002ergabensichwiederumeinigefaunistischbemerkenswerteNachweisevonBlattwespenausSüdtirol,überdiehierkurzberichtetwerdensoll
(K.Hellrigl):
Cimbexfemoratus(L.,1758)–Birken-Keulenblattwespe
Vinschgau:MorterTalai-Wald,1100m,1ExabgestorbenunterBirken,22.05.02(leg.K.Hellrigl).
TrichiosomasorbiHartig,1840–Vogelbeeren-Keulenblattwespe
Oberbozen:1200m;anVogelbeere(Sorbusaucuparia)eineadulteLarve,22.08.02(leg.K.Hellrigl).
Microdiprionpallipes(Fallén,1808)–KleineZirben-Buschhornblattwespe
InSüdtiroldurchdieAlpinrasseM.pallipespolitus(Klug,1812)vertreten;hieröfterslokaleMassenauftretenanZirbeninnichtstandortsgemäßenLagenum1000–1200m(HELLRIGL1996).
Olang,Geiselsberg(1100m):ImSommer2000anangeplanztenZirbenBefallmitNadelverfärbung;
ausÜberwinterungs-Kokonsschlüpftenam29/30.April2001einige,dieanTopf-Zirbenangesetztwurden;dieLarvendieser1.Gen.bildetenAnf.JunidieKokonsundschlüpftenabMitteJuni;
nachEiablagefandensichab5.07.01bereitsJunglarvender2.Generation,dieinder2.Juli-Hälftedie
KokonsbildetenundEndeJuli2001schlüpften(3.Gen.);ÜberliegerschlüpftenbisJuli2002(Hellr.).
Nematussp.(cf.N.wahlbergiC.G.Thomson,1871;N.lonicerae(Weiffenbach,1957)
Campill,2000m:1BlattwespenlarveanLonicerapericlymenum,25.7.01(leg.etFoto:K.Hellrigl);nach
Prof.Pschorn-Walcher(persönl.Mitt.)sollteessichvermutlichumeineNematinaesp.handelnund
nichtumAbiasp.,vondeneneinigeauchanLonicerapericlymenumleben.
HeterarthruscuneifronsAltenhofer&Zombori,1987–anAcerpseudoplatanus
Penon/Kurtatsch(650m):VonzahlreichenimJuli2001gesammeltenKokonswarenvieledurcheine
gregäre Eulophidae (cf. Dahlbominus) parasitiert; die übrigen noch »gesund« erscheinenden Kokons
wurdenimHerbst2001aussortiertundunterFreilandbedingungenüberwintert.Ausdiesenschlüpftenvon05.04.02bis14.05.02insgesamt25H.cuneifrons(18M+7W)und75Parasitoiden:71Olesicampe
sp.(Ichneumonidae)und4Pseudichneutesatanassovae(Braconidae).
Heterarthrusaceris(Kaltenbach,1856)–anAcerpseudoplatanus
Mals,1200m:aus4imJuli2001gesammeltenKokonsdieserparthenogenetischenArtschlüpfteaus
ZuchtinBrixenam16.04.021;3KokonswarendurchIchneumonidaeparasitiert.
Hemichroacrocea(Geoffroy,1785)–anGrauerlen(Alnusincana)
EinigeLarvengruppenanBlätternfressend;Vinschgau:Staben,Etschufer,19.09.02(K.Hellrigl).
PontaniareticulataeMalaise,1920–anSalixreticulata
PuezGeisler,Wasserscharte,2400mEuropa-Weg[2],18.08.02(G.v.Mörl):Ausdiversengesammelten
Gallen(FotoK.Hellrigl)bohrtesichimOkt.2002eineLarveausundbildeteeinenKokon.(Abb.1)
PontaniaacutifoliaedaphnoidesZinovjev,1993–anSalixdaphnoides
»Kirschgallen«blattunterseitsvonBlätternvonSchimmelweide:inBrixeninGärten(z.B.Rienzdamm,
ElvaserStraße)imSommer/Herbst2002stellenweisesehrhäuig(K.Hellrigl).
Pristiphorageniculata(Hartig,1840)–aufSorbusaucuparia
PragserWildsee(1500m):30.07.02,diversehalbwüchsigeLarven:E.Altenhofer.–DieArtlebtimGebirgeanAlpenseen.
**Pseudodineuraclematidis(Hering,1924)–aufClematisalpina(Alpenwaldrebe)
PragserWildsee(1500m):30.07.02,4Minen,davon1bewohnt:E.Altenhofer.–NeufundSüdt./Ital.
Literatur
ALTENHOFER,HELLRIGL&MÖRL2001:In:GredlerianaBd.1:449–460.
344
HELLRIGL1996:ForstschädlicheKiefernblattwespeninSüdtirol.
HELLRIGL,MASUTTI&SCHEDL1996:In:K.HELLRIGL(ed.),DieTierweltSüdtirols:677–686.
Gredleriana Vol.2/2002 pp.337–352
4 OrientalischeMörtelgrabwespe–Sceliphroncurvatum(F.Smith,1870)
Sceliphroncurvatum
ImVorjahrwarüberdasNeuauftretenderOrientalischenMörtel-oderMauerwespein
Südtirolberichtetworden(Gredleriana2001,Bd.1:466–467).DieseausSüdwest-Asien
stammende,hiereingeschleppteGrabwespe(Hymenoptera,Sphecidae)warinItalien
erstmals1995imVenetoundinPiemontfestgestelltworden.
In Südtirol hat sie sich seit dem Erstnachweis inAuer 1998 in den folgenden Jahren
raschüberdasmittlereEtschtal(bisLana)unddasuntereEisacktal(bisBrixen/Vahrn)
ausgebreitet.WiezahlreicheFundevon2002zeigen,scheintdieseMörtelgrabwespeinzwischenbeiunssehrverbreitetundhäuigzusein.ErstaunlichsindihregroßeVertikalverbreitungvonMeeresniveau(PortoNogaro)bisinsMittelgebirge,mitfestgestelltenBrutvorkommennochin900–1000mSeehöhe(z.B.Fonteklaus,KastelruthundSt.
Andrä),sowieihreweitgestreuteErscheinungszeit(Mai–Sept.). (K.H.)
DiesestattlicheMörtelwespe(long:15–20mm)istleichtanihremschlankenKörperbau,mitdemauffälliglangenunddünnen,dunklenHinterleibsstielchenzuerkennen.SiejagtnachSpinnenundtritt
vorallemsynanthropinHäusernauf,wosieihretypischenspindelförmigenLehmtöpfchen(mitjeweilseinerLarve),wieOrgelpfeifenaufgereiht,mitVorliebeanHolzunterlagenanheftet,besonders
gerneinhalbdunklenDachbödenundinFenster-Rollokästen.DiebedrohlichaussehendenaberharmlosenWespenindensichöftersanFensternimHaus.(Abb.2)
Abb.1: Pontaniareticulatae:PuezGeisler,2400 manSalixreticulata,20.08.02(Foto:K.Hellrigl)
Abb.2: Sceliphroncurvatum:Bozen,LehmtöpfchenanBuch(VII.2002)
BrixenMilland(580m):inFenster-Rollokasten/Küche:24./25.05.02:4Ex(leg.G.v.Mörl);
Vahrn:Radegg(850m):22.06.02:1EximHausamFenster(leg.G.v.Mörl);
Brixen-Milland(550m):26.06.02:1ExWohnzimmeramFenster(K.Hellrigl);
Bozen(240m):InBücherregalaneinemBuch:2Lehmtöpfchen(Foto);WespenA.Juli02;
Kastelruth(1000m):zahlreicheLehmtöpfchenanBettgestell:ausZucht:7Ex.Anf.Juli02;
BrixenMilland(550m):WohnungStudio-Fenster(Westsseite):div.Ex.M.-Juli2002(Hellr.);
idem:1Ex(lebend)amStudio-Fenster,3.08.02;div.Ex.totamFensterbrett:A.Sept.2002;
Vahrn:Dorf(700m):11.08.02:zahlreicheLehmtöpfchenineinerSchachtel(EvaHellrigl);
Brixen-Milland(550m):31.08.02,WohnungBalkon(West)1Exliegend(K.Hellrigl);
Brixen-Milland(550m):M.-Sept.02,Schlafzimmer(Ost),2ExtotunterFenster(K.Hellrigl);
Wien-HoheWand:3.07.2002,div.Ex.inoffenemKofferraumanliegend(leg.K.Hellrigl);
Bergamo,LagoIseo:03.11.01,LehmtöpfchenmitLarvenunterFensterbrett(Foto:G.v.Mörl);
PortoNogaro(Udine):10.10.02,LehmtöpfchenanSonnenschutzblendeinBüro(K.Hellrigl).
345
Streilichter
5 Schmetterlinge–Lepidoptera
AnregistriertenbemerkenswertenVorkommenvonSchmetterlingeninSüdtirolimJahre2002sollhiernebenEinzelfundenvongrößerenNachtfalternvorallemübereinige
AuftretenvonKleinschmetterlingen(Mikrolepidoptera)berichtetwerden:
Acherontiaatropos (L.,1758) –Totenkopfschwärmer(Sphingidae–Schwärmer)
BrixenStadt(550m):EintotesExaufderStraße,Anf.Sept.2002(vid.K.Hellrigl).
Laothoepopuli (L.)undMimastiliae(L.) –PappelschwärmerundLindenschwärmer
VahrnerSee(700m)undVahrn/Radegg(850m)indenletzten2JahrenwurdenhieröftersFaltergefunden;RaupenvonL.populiauchanTrauerweiden(G.v.Mörl).
Phalerabucephala (L.,1758)–Mondvogel(Fam.Notodontidae–Zahnspinner)
Vahrn-Radegg (900m): Raupenkahlfraß an 2 Weidensträuchern am Bach,A. IX. 2002
(G.v.Mörl).
Stauropusfagi (L.,1758)–Buchenspinner(Fam.Notodontidae–Zahnspinner)
Vahrn-Radegg (900m): eine ausgewachsene Raupe an Linde, 26.VII.2002 (leg./ Foto
G.v.Mörl).(Abb.3)
Abb.3:
DiebizarreRaupedesBuchenspinners(Stauropusfagi)
anLindenblätternfressend:
Vahrn-Radegg(900m),
26.VII.2002
(Foto:G.v.Mörl)
Catocalafraxini (L.,1758)und Catocalanupta(L.,1767) (Fam.Noctuidae–Eulen)
BlauesOrdensbandundRotesOrdensband:Brixen-Tschötsch(750m),je1ExinGärtnereigefunden,AugustundJuli2002(leg.G.v.Mörl).
Cossuscossus (L.,1758)–Weidenbohrer(Fam.Cossidae–Holzbohrer)
Schabs(700m):Kindergarten,starkerBefalldurchdiegroßenweinroten,unterRinde
undimHolzminierendenRaupenimStammvonBirken,15.10.02(vid.K.Hellrigl);die
BirkenmußteninderFolgegefälltwerden.
Kleinschmetterlinge(Microlepidoptera)
346
*Phyllonorycterleucographella Zeller1850–Feuerdornmotte(Blattfaltenmotten)
Brixen,Milland:diverseBlattminenanFeuerdornstrauch(Pyracanthacoccinea),26.08.02
(Foto:K.Hellrigl).–NeunachweisdiesereingeschlepptenArtfürSüdtirol.
Gredleriana Vol.2/2002 pp.337–352
Ptilocephala(Oriopsyche)plumifera (Ochsenheimer,1810): (Psychidae–Sackträger)
Sarntal,Schartalpe(2300–2400m):SeitdreiJahrenkameshieraufWiederbegrünungslächen erodierteAlmweiden zu + ausgedehntem Flächenkahlfraß durch SackträgerRaupen.ImJuni/Sept.2002tratenverstärktKahlfraßschädenauf10ha(reduz.5ha)auf
(Dr.S.Minerbi).EineÜberprüfungderRaupendurchdenSpezialistenF.Lichtenberger
(Waidhofena.Y.)bestätigtedenVerdachtaufBefalldurchP.plumifera.Massenauftreten
dieserpolyphagenArt,mitbiszu500Raupen-Säckenprom²,wurdenauchschonanderortsbekannt(Schweiz:ProNatura1997).–ImaginesdieserArtwarenimJahr2000
auchinSubalpinlagenimGadertal,beiCampill1800m,EndeFebruar2000inAnzahl
aufSchneefelderngefundenwurden(leg.G.v.Mörl,coll.Hellrigl).
Coleophoralaricella (Hübner,1817)–Lärchenminiermotte(Fam.Sackträgermotten)
ImPustertalkamesimSommer2002mehrerortszustarkenRaupenfraßschädenmit
lächigenBraunfärbungenvonLärchenbeständen;soz.B.beiTaisten.
*TortiliagraecaKasy,1981–Dattelmotte(Fam.Stathmopodidae)
AusmitgebrachtenwildenDatteln(Phoenixtheophrasti)ausKreta,schlüpfteninBrixen
1998einigeExemplaredieserDattelmotte(leg.K.Hellrigl;det.BritishMuseum).–DieseArt wurde aus Südtirol noch nie gemeldet, doch sind von hier ältere Funde einer
anderenimportiertenDattelmotte,Cadra(Ephestia)cautella(Wlk.)ausderverwandten
Fam.Pyralidae,bekannt.–Dattelmotten,d.h.»wurmige«Datteln,sindhiernichtselten
(besondersgegenSaisonende),wobeidiverseUrheberinBetrachtkommen.
Abb.4:
Tortiliagraeca–Dattelmotte:
Kreta,ausPhoenixtheophrasti.
Exlarva:Brixen7.09.1998
(leg.etfotoK.Hellrigl).
Plodiainterpunctella (Hübner,1813)–Dörrobstmotte(Fam.Pyralidae–Zünsler)
Bozen-Brixen:Sommer-Herbst2002,MassenauftretenvonDörrobstmotteninHäusern.
AuchdieseArtzähltzudeneingeschlepptenVorratsschädlingen.SieistinHaushalten
oftungemeinlästig,dasienebenDörrobstundMüslivielanderes»Fressbares«befällt,
vonLebkuchen,überKekseundWeißbrot,Nüsse,Schokolade,Reis,Haferlockenusw.,
bishinzufrischpräpariertenInsekten,diemanungeschütztfreiherumstehenläßt.
Die9mmlangenFaltersitzengerneandenWänden(mitschmalangelegtenFlügeln);
Aussehen:Basalteilkupferig-braun,Vorderteilweißlich-hellgefärbt(damitleichtvon
denvielkleineren,hellstrohgelbgefärbten»Kleidermotten«zuunterscheiden).
(K.Hellrigl&G.v.Mörl)
347
Streilichter
6 Roßkastanien-MiniermotteCamerariaohridellaDesch.&Dimic:Überblick
Camerariaohridella
IndenletztenJahrensindmehrereeingehendeArtikeldesVerfassersüberdieseMiniermotteerscheinen(vgl.Literaturverzeichnis);imvorliegendenKurzberichtwirdeinaktuellerÜberblicküberdiederzeitigeBefallsituationundEntwicklungstendenzinSüdtirolundangrenzendenGebieten(Trentino,Veneto)gegeben.Insbesonderewirdauch
aufdieHöhenverbreitungeingegangen,derenobererGrenzwertsichimmerdeutlicher
mit1200–1250mS.Habzeichnet.
InSüdtirolwardieRoßkastanien-Miniermotteerstmals1995imObereisacktalbeiFranzensfesteinErscheinunggetretenundhattesichhierbisHerbst1997südwärtsbisBozenverbreitet(Hellrigl1998).
ZiemlichraschwarinderFolge,vomWestenher,dieBesiedlungdesPustertaleserfolgt,woimHerbst
1997dieBefallsgrenzenochbeiVintllag,vonwoausimAug.1998bereitsKiensundimSept.1998erstmalsBruneckerreichtwurde;erstevereinzelteBefallsspurenfandensichimHerbst1998auchschonim
östlichenoberenPustertal(Hellrigl1998,1999).
HingegenvollzogsichimEtschtal,abBozen,dieweitereAusbreitunginwestlicheRichtung(BurgrafenamtundVinschgau)sowienachSüden(ÜberetschundUnterland)erstaunlichlangsam.Sowurde
NeubefallimVinschgau,ineinemisoliertenBefallsherdinSchlanders,erstmalsJuliim1999festgestellt
undbeiMeran/AlgundsogarerstimOkt.1999.ImsüdlichenEtschtaltratCamerariaerstmalsimJuli
1999beiMagreidundinAuerauf.DieBefallslückezursüdlichenNachbarprovinzTrentino,woErstbefallimHerbst1998beiTrientaufgetretenwar(Hellrigl&Ambrosi2000)schloßsichdannimOkt.1999
miterstenvereinzeltenBefallsspurenanRoßkastanienbeiSalurn.
IndenJahren2001/02warCamerariaweiterhininAusbreitungbegriffen.Bereits2001zeigtesichnun
auchmerklicherBefallinForst/AlgundundimunterenVinschgau(z.B.Staben),dersich2002weiter
verstärkte.AuchbeiLatsch(ersteBlattminenOkt.1999)kameszueinerstarkenBefallszunahme.
ErheblichverschlechterthatsichdieSituationinMeran,wodieerstenBefallsanzeichenimOkt.1999
aufgetretenwarenundwo20001/02bereitssostarkerBefallherrschte,daßvonderStadtgärtnereiüber
BekämpfungsversucheindenMedienberichtetwurde(SüdtirolerTageszeitung:2002,Nr.152:p.11).
AuchausLanakamenimJuli2002BefallsmeldungendurchdiedortigeForststation.
Im unteren Etschtal hatte sich in den zwei letzten Jahren der Befall zwischenAuer, Neumarkt und
Salurnebenfallsverstärkt;beiMagreidkameszuerheblichemBefallanvereinzeltenRoßkastanien.
ImEisacktalherrschte2001/02imgesamtenBereich,vonBozen-StadtüberAtzwang,Klausen,Brixen,
Vahrn,Franzensfeste,Mittewald,MaulsundSterzingstarkerBefall,wobeidiestärksteZunahmein
Sterzing(Herbst1997befallsfrei;Herbst1998spordischeMinen)zuverzeichnenwar.
Bemerkenswertist,daßsichderBefallimmermehrauchindiehöhergelegenenSeitentälerauszubreitenbeginnt.SowurdeetwaimVillnößtal,beiSt.Peter(1150m),am
30.07.02 an Roßkastanien beim Gasthof Kabis, schwacher bis mittlerer Befall von C.
ohridellafestgestellt.ZudemZeitpunktwarderFlugder2.GenerationimGangeund
ausvielenBlattminenragtenPuppenhülsengeschlüpfterMotten.EntsprechendderEiablagedieser2.GenerationverstärktesichderBefallbiszumHerbstnochweiter.
Abb.5:
348
Miniermottenbefall
inVillnöß(1150m):30.07.02
(Foto:K.Hellrigl).
Gredleriana Vol.2/2002 pp.337–352
BesondereBeachtungverdientdieBefallsentwicklunginToblach(1230–1250m),demhöchstgelegenen,bisherbekanntenBefallsortvonCameraria.BisHerbst1997hattenUntersuchungendurchFörster
derForststationToblachundVerf.sowiedurchdieUniversitätUdine(Pavan&Zandigiacomo1998)
fürToblachnegativeBefundeergeben.–SehrvereinzelteBlattminenwurdenhiererstmalsimOkt.1998
vorgefunden(Hellrigl1998,1999),wassichauchindenFolgejahrennichtänderte.–Auchbeieinem
jüngstenLokalaugenscheininToblach,am07.08.2002,durchVerf.K.Hellriglunddentschechischen
SpezialistenV.Skuhravý,bestätigtesichweiterhindasselbeBild:auchimAug.2002warhiernursehr
schwacher,kaummerklicherBefallanvereinzeltenBlätternmiteinzelnenBlattminenfestzustellen.
EineweitereBestätigung,daßinHöhenlagenvon1200–1250mderobererökologische
GrenzwertfürC.ohridellaerreichtzuseinscheint,zeigteinBefundausdemsüdlichangrenzendenVeneto.HierwurdebeieinerKontrolleam10.10.02beiCortinad’Ampezzo
(1210m)ebenfallsnurschwacherBefallbeobachtet,während50kmweitersüdlich,bei
Longarone(500m),nochstarkerBefallmitTotalfraßundzweiterHerbstblütezuverzeichnenwar.RelativgutetablierenkonntesichhingegenC.ohridellainunserenBreiten
nochinHöhenlagenzwischen1000–1150m(Hellrigl2001).
BesondersinteressantistderBefallsverlaufimTrentino,derseitdemErstauftretenim
Herbst1998vomVerfasser,inZusammenarbeitmitKollegenvonderVersuchsanstalt
S.Michele/a.A.,indendreiFolgejahren1999,2000und2001laufenduntersuchtwurde.
DieseUntersuchungenfandenjeweilszuSaisonsendeimOktoberstatt,wobeibeieiner
Rundfahrt durch das gesamte Gebiet die lokalen Befallssituationen abgeschätzt und
mitdemVorjahrverglichenwurden.AndeneinzelnenBefallsstandortenwurdenBlätter-StichprobengesammeltundderenBlattminenspäterausgezählt.
DieGeschwindigkeitderBefallsausbreitungvonCamerariainderProvinzTrientwarerheblich:
ImOkt.1999waren50Lokalitätenuntersuchtworden,wobeiin18keineBefallsspurenauftraten,in26
OrtenwurdeschwacherBefallfestgestelltundnurin6LokalitätenstarkerBefall:Rivad.Garda(2),Trient(2),MaranoundVigoloBaselga(Hellrigl&Ambrosi2000,2000a).
ImOkt.2000warenvondenselbenLokalitätennurmehr6befallsfrei,an30OrtenwarschwacherBefall
(davon14OrtemitNeubefall),an8LokalitätenwarmittelstarkerBefallundan6OrtenstarkerBefall,
beiletzteremkamenSarcheundRoncegnoneuhinzu(Hellrigl,Ambrosi&Bertagnolli2001).
ImOkt.2001warenvon42untersuchtenLokalitätennurmehr3befallsfrei,an10Ortenwarschwacher
Befall(darunterauchTrient[2]undRivad.Garda[2],wochemischeBekämpfungenerfolgtwaren);an
29LokalitätenhattesichderBefallaufmittel(21)bisstark(8)ausgeweitet(Hellriglunveröff.).
Blattproben von 9 Lokalitäten vom 23.10.2001 wurden vom Verf. näher untersucht und ausgezählt
und anschließend unter Freilandbedingungen in Überwinterungszucht genommen zur Feststellung
desVerlaufesundrelativenAnteilsdesFrühjahrslugesvonCamerariaundihrerParasitoiden.EinVergleichmitdenWertendesVorjahres[Okt.2000]zeigteeinestarkeBefallszunahme(vierfacherWert).
StichprobederBefallserhebungimTrentino,am23.10.2001,nachBefallsstärkegeordnet
Lokalität:
Okt.2001
[Okt.2000]
[med/max]
Blätter
N
FiederBlätter
BlattMinen
Befall
Befall
Fiedermed/Blatt max/Blatt Bl.max.
FiederBl.med.
Borgo
Arco
Loppio
Grumo/S.M.
Levico
Pietramurata
Mattarello
Avio
Nago
[6/11]
[7/11]
[0/0]
[10/18]
[2/3]
[5/7]
[71/95]
[138/258]
[50/65]
15
7
16
8
12
8
13
12
7
97
49
110
53
71
53
72
73
46
329
224
717
435
953
828
1.200
2.639
3.405
22
32
45
54
79
103
92
220
486
53
46
87
96
197
191
215
360
655
16
20
25
27
62
40
56
93
143
3,4
4,5
6,5
8,2
13,4
15,6
16,7
36,2
74,0
SUMME:
[(32/52)]
98
624
10.730
(126)
(211)
–
17,2
349
Streilichter
IndenKontrollzuchteninBrixenbeganndasFrühjahrsschlüpfenderMottenausden
überwinterndenPuppenam20.Apr.2002,beiBeginnderBlütederRoßkastanien,und
endeteam20.Mai.DasArtenspektrumderParasitoidenentsprachdemfrühererBefunde(vgl.Hellrigl2001).Auffallendwarwiederum,daßnachFreilandüberwinterungder
Blätter,imFrühjahrvieleBlattmottenschlüpften(95,5%),abernurmehrwenigeParasitoiden(4,5%);beimHerbstschlupfimOkt./Nov.2001wardasVerhältnisausgeglichenergewesen:93Cameraria(66%)und48Parasitoiden(34%).
SchlüpfanteilevonCamerariaundihrerParasitoidenimFrühjahr2002nachÜberwinterung
Lokalität:
FiederBlätter
Anzahl
Minen
Cameraria Parasitoiden Insgesamt
geschlüpft geschlüpft geschlüpft
Bezug%
NMinen
Prozentsatz
Parasitoiden
Borgo
Arco
Loppio
Grumo/S.M.
Levico
Pietramurata
Mattarello
Avio(*)
Nago
97
49
110
53
71
53
72
73
46
329
224
717
435
953
828
1.200
2.639
3.405
91
39
349
189
316
236
233
173
536
0
1
4
2
33
13
6
15
29
91
40
353
191
349
249
239
188
565
27,7%
17,9%
49,2%
43,9%
36,6%
30,1%
19,9%
7,1%
16,6%
0%
2,5%
1,1%
1,0%
9,4%
5,2%
2,5%
7,8%
5,1%
SUMME:
624
10.730
2.162
103
2.265
21,1%
4,5%
(*)Avio:vieleBlätterundMinenwarenstarkdurchHagelschlagbeschädigt!
(K.Hellrigl)
Literatur
HELLRIGLK.,1998a:ZumAuftretenderRobinien-Miniermotte,Phyllonorycterrobiniella(Clem.)undder
Rosskastanien-Miniermotte,CamerariaohridellaDesch.&Dim.(Lep.,Gracillariidae)inSüdtirol.Anz.Schädlingskunde,Planzenschutz,Umweltschutz,71:65-68.
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HELLRIGLK.,2001:NeueErkenntnisseundUntersuchungenüberdieRoßkastanien-Miniermotte CamerariaohridellaDeschka&Dimic,1986(Lepidoptera,Gracillariidae).–Gredleriana,1:9-81.
HELLRIGLK.&AMBROSIP.,2000:DieVerbreitungderRoßkastanien-MiniermotteCamerariaohridellaDeschka&DimicinderRegionSüdtirol-Trentino.–JournalofPestScience73:25-32.
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TerraTrentina46(1):36-41.
HELLRIGLK.&AMBROSIP.&BertagnolliA.,2001:Camerariaohridella:Latignoladell’ippocastanosiespandeinTrentino.–TerraTrentina47(1):37-44.
PAVANF.&ZANDIGIACOMOP.,1998:DistribuzionediCamerariaohridella inItaliaedentitàdelleinfestazionisuippocastano.InformatoreFitopatologico11:57-60.
PSCHORN-WALCHERH.,1994:Freiland-BiologiedereingeschlepptenRoßkastanien-MiniermotteCamerariaohridellaDeschka&DimicimWienerwald.Linz.biol.Beitr.26/2:633-642.
ZANDIGIACOMOP.,PAVANF.,ZANGHERIS.,CLABASSII.,STASIG.,1997:Unminatorefogliaredanneggia
gravementegliIppocastaniinFriuli-VeneziaGiulia.NotiziarioERSA10(5),14-17.
350
ZINIM.,2002:IlmicrolepidotteroCamerariaohridellaDeschka&Dimic(Lepidopt.,Gracillariidae)incittàdiTrentonel2001:monitoraggiodelvoloeprovedicontrollocontrattamentiendoterapici.
-Gredleriana,2:147-162.
Gredleriana Vol.2/2002 pp.337–352
AusbreitungderRosskastanien-MiniermotteCamerariaohridellainEuropa
(HanaŠefrová&ZdeněkLaštůvka–Brno,CzechRepublic)
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Fig.6:ThespreadofCamerariaohridellainEurope(originalbyH.ŠEFROVÁ&Z.LA
T VKA:March,2002)
Ausgehend von denAusbreitungszentren Ohrid-See in Mazedonien (1984) und dem Sekundärherd
LinzinOberösterreich(1989),wohindieArtdurchEinschleppunggelangte,hatsichdieRoßkastanienmotteCamerariaohridellaDeschka&Dimic(1986)imLaufederletzen10-15JahreüberganzMitteleuropaverbreitetunddringtjetztallmählichweiternachWesteuropavor.DieAusbreitungsrateliegtbei
60–70kmimJahr.AlswichtigerVerbreitungsfaktoristWindverfrachtunganzusehen.
ZudenmaßgeblichenFaktoreneinerhohenPräsenzdichtegehörendierascheEntwicklungmitplurivoltinenGenerationen,dergeringeParasitierungsgradunddieniedrigeMortalitätderpräimaginalen
Entwicklungsstadien(Larven,Puppen).DieBeibehaltungeinerlangjährigenhohenAbundanzdichte
inMitteleuropaistauchzurückzuführenaufdieFähigkeitderPuppen,imLaufejedereinzelnenGenerationDiapauseneinzuschalten.DadurchwirddasverfügbareFutterangebotoptimalgenütztund
dieMortalitätderLarvenreduziert;auchdieAnzahlderüberwinterndenPuppenhältsichmehrwenigerstabil.
References
ŠEFROVÁH.&LASTUVKAZ.,2001:Dispersalofthehorsechestnutleafminer,CamerariaohridellaDeschka
&Dimic1986,inEurope:itscourse,waysandcauses.–Entom.Zeitschrift,111(7):194-198.
351