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Berichte der Geologischen Bundesanstalt Vol 63-0001-0182

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Vladimir A. Obručev & M. Zotina

Eduard Sueß
1937
Aus dem Russischen übersetzt von
BARBARA STEININGER

mit einem Geleitwort von
A. M. CELÂL ŞENGÖR

herausgegeben von

Tillfried Cernajsek & Johannes Seidl

Wien 2009

Berichte der Geologischen Bundesanstalt 63
1


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Titelbild:
Eduard Sueß <1831-1914>, Kopfporträt mit Hut, Holzschnitt von A.I. Kritskaja, 1937.
Zitiervorschlag für diesen Band:
Obručev, Vladimir A. u. M. Zotina: Eduard Sueß. Aus dem Russischen übersetzt von Barbara
Steininger mit einem Geleitwort von A. M. Celâl Şengör, hrsg. von T. Cernajsek & J. Seidl. –
Ber. Geol. Bundesanst., 63, Wien 2009


Mag. Barbara Steininger
A – 1030 Wien, Oberzellergasse 3/17/1
e-mail:
Mag. Dr. Johannes Seidl, MAS
Archiv der Universität Wien
A – 1010 Wien, Postgasse 9
e-mail:
Univ. Prof. Dr. A. M. Celâl Şengör
I.T.Ü. Maden Tetkik Fakultesi
Ayazaga
TR – 80626 Istanbul
e-mail:
Bibliotheksdirektor HR i.R. Dr. Tillfried Cernajsek
Walzengasse 35c
A – 2380 Perchtoldsdorf
e-mail:

Alle Rechte für das In- und Ausland vorbehalten
© Geologische Bundesanstalt, Wien
Medieninhaber, Herausgeber und Verleger: Geologische Bundesanstalt.

A – 1030 Wien, Neulinggasse 38
www.geologie.ac.at
Die AutorInnen sind für den Inhalt ihrer Arbeit verantwortlich und sind mit der digitalen
Verbreitung ihres Werkes im Internet einverstanden.
Druck: Riegelnik, Offsetschnelldruck, A – 1080 Wien, Piaristengasse 19
Ziel der „Berichte der Geologischen Bundesanstalt <ISSN1017-8880>“ ist die Verbreitung
wissenschaftlicher Ergebnis durch die Geologische Bundesanstalt.
Die „Berichte der Geologischen Bundesanstalt sind im Handel nicht erhältlich


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Vorwort der Herausgeber
Die Herausgabe dieser Übersetzung aus dem Russischen ist einer jahrelanger internationalen
Zusammenarbeit zu verdanken. Ausgangspunkt war die Information durch unseren Freund, Univ.Prof. Celâl Şengör (Technische Universität Istanbul), dass es eine Biographie über Eduard Sueß
gäbe, die ein russischer Geologe namens Vladimir A. Obrutschew geschrieben hätte. Zunächst begann
die Bibliothek der Geologischen Bundesanstalt mit Hilfe der Arbeitsgemeinschaft der Geo- und
Umweltwissenschaftlichen Bibliotheken (Deutschland, Österreich und Schweiz) zu recherchieren. Es
konnte ein Standort dieses Buches in Finnland festgestellt werden, aber eine Entlehnung war aus
unbekannten Gründen nicht möglich. Daher wurde eine Bitte an die Mitarbeiterinnen des Moskauer
staatlichen Vernadski-Museums gerichtet, dieses Buch nach Österreich zu entlehnen. Diese war zwar
nicht möglich, aber Frau Kollegin Dr. Zoya Bessudnova stellte dieses Buch als digitales Dokument
(Scan) zur Verfügung. So sandte sie täglich 4 bis 8 Seiten via E-Mail an die Bibliothek der
Geologischen Bundesanstalt. Hier liegt nun dieses Buch als Kopie auf (Signatur: 11364,40). Die
freudige Meldung wurde an Prof. Sengör weiter gegeben. Jetzt erhob sich die Frage, mit welchen
Mitteln eine Übersetzung dieses Buches durchgeführt werden konnte. Da hatte Prof. Şengör eine
glänzende Idee. Er riet uns, ein entsprechendes Ansuchen als Arbeitsgruppe Geschichte der
Erdwissenschaften der Österreichischen Geologischen Gesellschaft an die Académie Française zu
stellen. Dieses Ansuchen wurde prompt bewilligt und Prof. Şengör durfte aus seinem Forschungsgeld
als Inhaber des Internationalen Lehrstuhls (Chaire Internationale) des Collège das Übersetzungsprojekt
finanziell unterstützen. Es war nur mehr eine Frage der Zeit, einen engagierten Übersetzer oder
engagierte Übersetzerin zu finden, welche um das zur Verfügung gestellte Geld bereit, diese Arbeit bis
zum Ende auch durchzuführen. Koll. Dr. Johannes Seidl fand Frau Mag. Barbara Steininger im
Dunstkreis des Archivs der Universität Wien. Sehr bald konnten wir auf Grund der Übersetzung von
Frau Steininger in die Tiefen des Buches vordringen, welche Prof. Şengör in seiner Einleitung so
glänzend beschreibt. Obrutschew schrieb nicht nur eine populär gehaltene Biographie – dem Zeitdruck
entsprechend – über Eduard Sueß, sondern veröffentlichte auch Sueß’ Briefe an russische Geologinnen

und Geologen1. Leider wurden diese Texte nur ins Russische übersetzt und sind bislang nur in dieser
Sprache zugänglich. Es ist zu hoffen, dass uns Kopien der Originalbriefe doch einmal zur Verfügung
gestellt werden und sich eine Gelegenheit ergeben wird, den gesamten Briefwechsel Sueß’ mit seinen
russischen Zeitgenossen zu veröffentlichen.
Die Herausgeber danken der Geologischen Bundesanstalt für die Möglichkeit, diese Arbeit im Verlag
dieser Institution als „Bericht der Geologischen Bundesanstalt“ veröffentlichen zu dürfen. Letztlich
wird die Veröffentlichung auch online erfolgen und somit einem weiten Interessentenkreis zur
Verfügung stehen können. Herrn Univ.- Prof. Şengör danken wir für die Vermittlung der Geldmittel,
seine geduldige und beständige Begleitung während der Zeit der Übersetzungsarbeiten und für Frau
Mag. Barbara Steininger gilt unser Dank für ihre ebenso gekonnte und beharrliche Übersetzungsarbeit.
Möge eine derartige internationale Zusammenarbeit auch auf anderen wissenschaftlichen Gebieten zu
fruchtbaren Ergebnissen führen.
Glück auf!
Österreichische Arbeitsgruppe Geschichte der Erdwissenschaften bei der Österreichischen
Geologischen Gesellschaft
Univ.-Lektor Mag. Dr. Johannes Seidl, MAS, Vorsitzender der Arbeitsgruppe
Bibliotheksdirektor HR i.R. Dr. Tillfried Cernajsek, Altvorsitzender der Arbeitsgruppe
Wien, am 31. März 2008
1

Bessudnova, Zoya: Die Briefe von Eduard SUEß an die erste russische Geologin, Maria PAVLOVA (18541938), im Archiv der Russischen Akademie der Wissenschaften = The Eduard SUESS' letters to the first Russian
female geologist Maria PAVLOVA (1854-1938) in the Archive of the Russian Academy of Sciences.- In: Das
kulturelle Erbe in den Montan- und Geowissenschaften: Bibliotheken - Archive - Sammlungen: 8.
Internationales Symposium 83.-7. Oktober 2005) Schwaz; Geschichte der Erdwissenschaften in Österreich: 5.
Arbeitstagung (3.-7. Oktober 2005) Schwaz / Red.: Tillfried Cernajsek, Christoph Hauser & Wolfgang Vetters
Berichte der Geologischen Bundesanstalt, 65, S.27-28, Schwaz, Wien 2005.

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Einleitung
Die vorliegende Biographie hat zum Gegenstand einen der größten Geologen aller Zeiten, verfasst von
einem anderen großen Vertreter desselben Faches, der weder ein Schüler noch ein enger Kollege noch
ein Landsmann des ersteren war. Der „Gegenstand” war Österreicher, der Autor Russe. Das Buch
erschien in den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts in der Sowejetunion, zu einer Zeit, als
Wissenschaft und überhaupt das private Leben in jenem Land unter großen Druck durch die
Verfolgungen des Diktators Josif Stalin (1878-1953) gesetzt war. Fast 70 Jahre ist die Biographie
außerhalb des russischen Sprachgebiets wenig bekannt und noch weniger zugänglich geblieben,
obwohl es in der Sowjetunion zwei Auflagen erlebte. Das Buch war schwierig zu erhalten, weil solche
Bücher in der Sowjetunion immer nur in wenigen Exmplaren gedruckt zu werden pflegten und noch
weniger auf den Markt kamen. Da nur eine verschwindend kleine Zahl der Naturwissenschafter und
Wissenschaftshistoriker außerhalb der Sowjetunion Russisch sprechen und verstehen, blieb auch die
internationale Nachfrage sehr gering. Also ist die Biographie jahrzehntelang ganz unverdienterweise
wenig bekannt geblieben.
Mit dem wachsenden Interesse für die Geschichte der Geologie während der letzten Dezennien wurde
auch die Nachfrage für dieses Buch immer größer. Endlich entschloss sich eine Gruppe von
Wissenschaftern, dieses Werk in eine internationale europäische Sprache zu übersetzen und zu
publizieren: Ein Österreicher fand eine Fotokopie des Buches und gab dies einem damals in
Frankreich am Collège de France als Professor tätigen Türken bekannt. Der Türke, mit
enthusiastischem Einverständnis seiner französischen Kollegen, erklärte sich bereit, die Kosten der
Übersetzung ins Deutsche aus seinem französischen Forschungsbudget zu bezahlen. Gleichzeitig hat
er einen russischen Kollegen gebeten, ein Exemplar der Biographie im russischen Sprachgebiet
antiquarisch zu suchen. Ein Exemplar wurde endlich in der Ukraine gefunden, nach Istanbul gebracht,
die schönen aber leider schlecht gedruckten Fotos, die es enthält, elektronisch vervielfacht und nach
Wien geschickt. Die Österreichische Übersetzerin begann die Arbeit mit der fachlichen Unterstützung
der bisherigen Gruppe plus eines österreichischen Historikers und hervorragenden Sueß-Kenners.
Was Sie, verehrte(r) Leser(in), in der Hand halten, ist das Ergebnis einer Arbeit, die innerhalb eines
um Wien, İstanbul, Paris, Moskau und Kiew entstandenen Netzes unternommen wurde, die also ganz

im Sinne des „Gegenstandes” dieser Biographie entstand, der, obwohl ein patriotischer Österreicher,
im wahrsten Sinne ein Weltbürger war.
Wer war Eduard Sueß, „Gegenstand” der vorliegenden Biographie2? Warum ist sein Name nicht mehr
im breiten Publikum, nicht einmal in seiner eigenen Heimat, bekannt? Und wer war sein unter uns
2

Es ist erstaunlich, dass wir bis heute über keine befriedigende Sueß-Biographie verfügen. Sueß hat
seine Erinnerungen geschrieben, die bis zum Jahre 1894 reichen, von seinem wissenschaftlichen Werk
aber nicht viel berichten und zudem sogar einige Erinnerungsfehler aufweisen (Sueß, E., 1916,
Erinnerungen: S. Hirzel, Leipzig pp. IX+451 SS.). Aus der Kombination der oben erwähnten und hier
vorliegenden und der im Folgenden genannten Schriften kann man sich ein einigermaßen
verwendbares (aber bei weitem nicht komplettes) Bild des Lebens von Sueß konstruieren: von
Elterlein (1898, Eduard Suess und Seine Stellung zur Goldfeinheitsfrage: Habilitationsschrift zur Erlangung
der Venia Docendi der Hohen Philosophischen Fakultät der Friedrich-Alexanders-Universität zu
Erlangen, Kgl. Bayer. Hofbuchdruckerei von Aug. Vollrath, Erlangen, 40 SS+1 S. Errata+ 3 Falttafeln),
von Zittel (1899, Geschichte der Geologie und Paläontologie bis Ende des 19. Jahrhunderts: R. Oldenbourg,
München, XI+868 SS, bes. unter „dynamischer Geologie“), Geikie (1905, Scientific Worthies XXXV.—
Eduard Suess: Nature, Bd. 72, SS. 1-3), Diener (1914, Gedächtnisrede: in, Gedenkfeier für Eduard Sueß,
Mitteilungen der Geologischen Gesellschaft in Wien, Bd. 7, SS. 9-24 und 26-32.), von Lóczy (1915, Eduard
Suess Gedächtnisrede: Földtani Közlöny, Bd. 45, SS. 2-21.), Termier (1914, Eduard Suess 1831-1914:
Revue générale des Sciences pures et appliquées, 25, Juni 1914, SS. 546-552; auch in À la Gloire de la Terre—
Souvenirs d'un Géologue, nicht datiert [1922], Desclée de Brouwer et Cie., Paris, SS. 269-290, Dieser
Nekrolog wurde auch auf Englisch im Smithsonian Annual Report for 1914, Washington, 1915, SS. 709718, publiziert), Tietze (1917, Einige Seiten über Eduard Suess - Ein Beitrag zur Geschichte der
Geologie: Jahrbuch der königlich- und kaiserlichen Geologischen Reichsanstalt, Bd. 66, SS. 333-556), Donner

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(1981, Eduard Suess – der Vater der I. Wiener Hochquellenleitung: Mitteilungen der österreichischen
geologischen Gesellschaft, Bd. 74/75, SS. 41-51), Jacoba (1921, Eduard Suess 1831-1914: Koninklijk
Nederlands Aardrijkskundig Genootschap, Bd. 38, SS. 235-245; nicht zitiert in Wegmann; siehe unten),
Zapfe (1964, Eduard Suess zum 50. Todestag: Annalen des Naturhistorischen Museums in Wien, Bd. 67,
SS. 169-173), Tollmann und Tollmann (Hrsg., 1981, Eduard Suess – Gedenkband: Mitteilungen der
Österreichen Geologischen Gesellschaft Bd. 74/75 (1981/82), SS. 1-100. Dieser Teil dieses Doppelbandes
wurde von der Österreichschen Geologischen Gesellschaft unter dem Titel Eduard Suess – Forscher und
Politiker 20. 8. 1831-26. 4. 1914 auch separat abgedruckt {Titel auf dem Buchdeckel: Eduard Suess 18311914}), Wegmann (1981, Eduard Suess: in Gillispie, C. C. {Hrsg.}, Dictionary of Scientific Biography, Bd.
13, Charles Scribner's Sons, New York, SS. 143-149; viele der kleineren Nekrologe über Suess sind in
der Bibliographie dieses schönen Artikels angegeben. Wegmann hatte den unvergleichlichen Vorteil
gehabt, lange Jahre als Assistent bei Émile Argand in Neuenburg in der Schweiz zu wirken. Er hat
dabei oft die Gelegenheit genossen, die Ansichten Argands, des Mannes, der vielleicht Suess am
besten verstand, über Suess aus seinem eigenen Mund zu hören), Greene (1982, Geology in the
Nineteenth Century. Changing Views of a Changing World: Cornell University Press, 324 SS. bes. Kap. 6
und 7), (1982, The classical theories of orogenesis: in Miyashiro, A., Aki, K. und , A. M. C. Şengör,
Orogeny, John Wiley & Sons, Chichester, SS. 1-48. Für eine deutsche Übersetzung, siehe: , A. M. C.
1985, Klassische Gebirgsbildungstheorien: in Miyashiro, A., Aki, K., A. M. C. Şengör, Orogenese Grundzüge der Gebirgsbildung, Deuticke, Wien, SS. 11-50; 1982, Eduard Suess' relations to the pre-1950
schools of thought in global tectonics: Geologische Rundschau, Bd. 71, SS. 381-420; 1994, Eduard Suess:
in Eblen, R. A. und Eblen, W. R., {Hrsg.}, The Encyclopaedia of the Environment: Houghton Mifflin Co.,
Boston, SS. 676-677; 2000, Die Bedeutung von Eduard Suess (1831-1914) für die Geschichte der
Tektonik: Berichte der Geologischen Bundesanstalt, Bd. 51, SS. 57-72; 2000, Die Ansicht von Eduard Sueß
über das Aussterben der Dinosaurier: in Geschichte der Erdwissenschaften in Österreich 2. Symposium
Abstracts, Berichte des Intitutes für Geologie und Paläontologe der Karl-Franzens-Universität Graz, v. 1, S. 56;
2006, Grundzüge der geologischen Gedanken von Eduard Suess Teil 1: Einführung und
erkenntnistheoretische Grundlagen: Jahrbuch der Geologischen Bundesanstalt, Wien, v. 146, pp. 265-301.),
Hamann (Hrsg., 1983, Eduard Suess zum Gedenken: Österreichische Akademie der Wissenschaften,
Philosophisch-Historische Klasse, Sitzungsberichte, 422. Band , Veröffentlichunden der Kommission für
die Geschichte der Mathematik, Naturwissenschaften und Medizin, H. 41, 100 SS.), Pinneker (1989,
Eduard Suess als Hydrogeologe: Steirische Beiträge zur Hydrogeologie, Bd 40, SS. 165-174), Cernajsek et
al. (1999, ”... hat durch bedeutende Leistungen ... das Wohl der Gemeinde mächtig gefördert.” Eduard Sueß und

die Entwicklung Wiens zur modernen Großstadt: Österreichische Akademie der Wissenschaften
Österreichisches Biographisches Lexikon—Schriftenrheie 5, Institut Österreichisches biographisches
Lexikon und biographische Dokumentation, Wien, 28 SS.), Seidl, (2001, Einige Inedita zur
Frühgeschichte der Paläontologie an der Universität Wien. Die Bewerbung von Eduard Sueß um die
Venia legendi für Paläontologie (1857): in Hubmann, B., Hrsg., Geschichte der Erdwissenschaften in
Österreich 2. Tagung, 17/18. November 2000 in Peggau/Stmk., Berichte der Geologischen Bundesanstalt, Bd.
53, SS. 61-67; 2002, Die Verleihung der außerordentlichen Professur für Paläontologie an Eduard Sueß
im Jahre 1857 – Zur Frühgeschichte der Geowissenschaften an der Universität Wien: Wiener
Geschichtsblätter, Jg. 57, H. 1, SS. 38-61; 2004, Eduard Suess (1831-1914). Aperçu biographique,avec une
annexe par M. Durand-Delga: Travaux du Comité français d’Histoire de la Géologie (COFRHIGEO),
troisième série, Bd. 18, SS. 133-146; 2006, Ein Fotoalbum für Eduard Sueß aus dem Jahre 1901 in der
Fotosammlung des Archivs der Universität Wien: Jahrbuch der Geologischen Bundesanstalt, Wien, Bd.
146, SS. 253-26), Cernajsek und Seidl (2003, Katalog zur Eduard Suess-Austellung anlässlich des
Internationalen Jahres des Süßwassers und des 130-Jahr-Jubiläums der 1. Wiener Hochquellenwasserleitung in
der „Alten Schieberkammer”in Wien 15., Meiselstraße 20. 13. bis 23. Oktober 2003: Wiener Wasserwerke, 42
SS.), Riedl-Dorn und Seidl (2003, Zur Sammlungs- und Forschungsgeschichte einer Wiener
naturwissenschaftlichen Institution – Briefe von Eduard SUESS an Paul Maria PARTSCH, Moriz
HOERNES, Ferdinand HOCHSTETTER und Franz STEINDACHNER im Archiv für
Wissenschaftsgeschichte am Naturhistorischen Museum in Wien: Mensch-Wissenschaft-Magie
Mitteilungen der Österreichischen Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte, Bd. 21 (2001), SS. 19-49),
Natal’in (2006, Eduard Suess and Russian Geologists: Jahrbuch der Geologischen Bundesanstalt, Wien, Bd.
146, SS. 217-243), Durand-Delga und Seidl (2007, Eduard Suess (1831-1914) et sa fresque mondiale La
Face de la Terre, deuxième tentative de tectonique globale: Comptes Rendus Geoscience, Bd. 339, SS. 8599), Seidl und Pertlik (2007, Eduard Sueß als akademischer Lehrer. Eine Synopsis der unter seiner

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noch weniger bekannter Biograph, der große russische Geologe und Geograph und Schriftsteller

Wladimir Afanasiewitsch Obrutschew?
Eduard Sueß war der Mann, der, zusammen mit seiner Wiener geologischen Schule der geistigen
Giganten, die moderne Geologie, d. h. die Wissenschaft unserer Erde und deren Nachbarn im Weltall,
schuf. Sueß hat nicht nur Wissenschaft getrieben, er wusste auch diese Wissenschaft zum Wohl seiner
Mitmenschen einzusetzen. Zu diesem Zweck wurde er auch Politiker, obwohl die Politik ihm
persönlich nichts einbrachte, ja ihm sogar persönlichen Schaden zufügte3. Sueß aber betrachtete seine
Arbeit im Dienste seiner Mitmenschen sogar als eine ethische Pflicht. Als er 1901 auf sein
wissenschaftliches Leben zurückblickte, sagte er besonders seinen jüngeren Kollegen und den
Studierenden:
“Im Laufe dieser 44 Jahre hat sich vieles auf der Erde zugetragen, aber nichts ist so
durchgreifend, nichts für die gesamte Kultur des Menschengeschlechts so
entscheidend gewesen, wie die Fortschritte der Naturwissenschaften in dieser Zeit. In
jedes Gebiet des menschlichen Lebens und Schaffens sind sie eingedrungen; sie
beeinflussen und verändern unsere gesellschaftliche Verhältnisse, unsere
philosophischen Auffassungen, die wirtschaftliche Politik, die Machtstellung der
Staaten, alles. Wer aber genauer zusehen will, kann wahrnehmen, daß neben der
Naturforschung auch der Naturforscher mehr und mehr in den Vordergrund tritt, daß
seine soziale Bedeutung anerkannt und der Wert seiner Studien immer mehr geschätzt
wird.
Hieraus erwächst der kommenden Generation von Forschern eine hohe Pflicht. Diese
Pflicht besteht darin, daß sie an die Ethik ihrer eigenen persönlichen Lebensführung
einen immer strengeren Maßstab anzulegen hat, damit bei der steigenden Einwirkung
der Naturforschung auf alles gesellschaftliche und staatliche Leben auch der
Naturforscher selbst sich mehr und mehr würdig fühle, teilzunehmen an der Führung
der geistigen Menschheit.”4

Anleitung verfassten Dissertationen: Res Montanarum, Nr. 40, SS. 40-47). Siehe auch die „Reden und
Ansprachen bei der zu Ehren von Professor Eduard Suess aus Anlass der Errichtung der Eduard
Suess-Stiftung am 12. Mai 1902 im Festsaale der k. k. Universität Wien abgehaltenen Feier“ in Beiträge
zur Paläontologie und Geologie Österreich-Ungarns und des Orients—Mittheilungen des Paläontologischen

und Geologischen Institutes der Universität Wien, Bd. XIV (1902), SS. 219-229. Ich muß dagegen zugeben,
daß ich mit einer bewunderungswürdigen Aufregung geschriebenen Aufsatz von Inge Franz (2004,
Eduard SUESS im Ideengeschichtlicher Kontext seiner Zeit: Jahrbuch der Geologischen Bundesanstalt, Bd.
144, SS. 53-65.) und die diesem Aufsatz als Basis dienende „Organismusauffassung” und die
angebliche „Einheit von Theorie und Methode” kaum verstehen konnte. Das Wenige, was ich darin
vielleicht verstanden zu haben glaube, konnte ich weder mit Sueß noch mit den Ideen seiner Zeit in
Verbindung bringen.
Die neuen und sorgfältigen Quellenforschungen von Herrn Mag. Dr. Johannes Seidl, MAS, haben
schon nachgewiesen, wie fehlerhaft die vorhandenen Publikationen sein können, selbst wenn sie von
der Feder von Sueß stammen (z.B., Seidl, 2001)! Dies allein zeigt wie dringend wir heute eine
moderne, den Forderungen der historischen Kritik entsprechende Sueß-Biographie brauchen. Herr
Seidl arbeitet seit einiger Zeit daran und ich freue mich sehr auf die Vollendung seines wichtigen
Werkes.
3
Hamann, G., 1983, Eduard Sueß als liberaler Politiker: in Hamann, G., Hrsg., Eduard Suess zum Gedenken (20.
VIII. 1831- 26. IV. 1914): Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse,
Sitzungsberichte, 422. Band, Veröffentlichungen der Kommission für Geschichte der Mathematik,
Naturwissenschaften und Medizin, H. 41, SS. 79-100
4
Suess, E., 1901, Abschieds-Vorlesung des Professors Eduard Suess bei seinem Rücktritte vom Lehramte
gehalten am 13. Juli 1901 im Geologischen Hörsaale der Wiener Universität: Beiträge zur Paläontologie und
Geologie Österreich-Ungarns und des Orients, Bd. 14, Heft 1, S. 8; Englische Übersetzung von Charles
Schuchert in: Suess, E., 1904, Farewell Lecture by Professor Edward Suess on resigning his professorship:
Jounal of Geology, v. 12, S. 275; Sueß, E., 1916, Erinnerungen, SS. IV-V.

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Eduard Sueß ist am 26. April 1914 gestorben. Glücklich war er, wie der große Pierre Termier in
seinem schönen Nachruf auf ihn sagte, weil er den Wahnsinn des Ersten Weltkrieges nicht mehr
erlebte. Diese kollektive Geisteskrankheit hat nicht nur Sueß’ Heimat zerstört, sonden auch seine
Schule. Sehr schwere Jahre durchlebte Europa nach dem Krieg. Obwohl nach dem Krieg großartige
Entdeckungen in den Naturwissenschaften das Publikum fesselten, das Bild des Naturforschers, das
Sueß sich vorgestellt hatte, verschwand hinter dem Bild des zerstreuten, vom alltäglichen Leben und
Publikum fortgerissenen Professors. Mit seinem langen Haar, nachlässiger Kleidung und sozialer
Naivität wurde Albert Einstein zum Idealbild eines Naturforschers. Seine immense, auf Erfahrungen
der Jahrhunderte beruhende Arbeit wurde vom Volk total missverstanden und man glaubte, sie sei ein
Ergebnis der Träumereien eines Genies. Und als diese angeblichen Träumereien eines Tages eine
Atombombe schufen, packte die Menschen eine Panik, die sich schnell in eine anti-wissenschaftliche
Gesinnung umwandelte. Man begann zu glauben, dass die Naturwissenschaft der Menschheit nichts
Nützliches anzubieten hätte, es sei denn, dass man augenblicklich irgendeine medizinische Hilfe
bräuchte oder irgendein Ingenieurprojekt; sonst wäre die Naturwissenschaft sogar schädlich, wie die
Atombombe gezeigt habe! Wie Sokrates seinerzeit, versuchten die modernen weltfremden
Philosophen, Systeme zu errichten, um das Menschenleben zu verbessern, ohne es oder seine
natürliche Umwelt zu kennen. Es wurde Mode, den menschlichen Verstand anzugreifen und die
Naturwissenschaft zu verspotten5. Das Ergebnis war und bleibt mehr Elend, mehr Umweltschäden und
mehr Krieg.
Seitdem Marx seine verhängnisvolle elfte These über Feuerbach, „Die Philosophen haben die Welt nur
verschieden interpretiert; es kömmt darauf an, sie zu verändern“ publiziert hatte6, versuchten die
Politiker immer, die Welt zu verändern, ohne davon auch nur das geringste Verständnis zu haben.
Heute werden jedes Jahr, hauptsächlich durch menschliche Tätigkeit, ungefähr 40.000 Arten
ausgerottet7. Die Zahl der neu dazugekommenen Arten beträgt jährlich kaum ein tausend,
wahrscheinlich viel weniger. Im letzten Jahrhundert hat der globale Verbrauch der fossilen
Brennstoffe jährlich von weniger als 1 Millarden Tonnen auf mehr als 7 Milliarden Tonnen
gewachsen. Die 50 Jahre sind die wärmsten des letzten Jahrtausends gewesen. Es steht auch fest, dass
die Entwicklung der durchschnittlichen Temperatur der Erdoberfläche ganz an die Entwicklung des
CO2-Gehaltes der Atmosphäre gebunden ist. Seit dem Beginn der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts ist
das globale Meeresniveau um 17 mm gestiegen, was ebenfalls eine Auswirkung der steigenden

durchschnittlichen Jahrestemperatur ist. Man nimmt an, das bis zum Ende des Jahrhunderts, der
Anstieg mehr als einen Meter betragen wird. Die Ergebnisse der zu erwartend, massiven
Verscheibungen der Bevölkerungen sind nicht schwierig vorzustellen8.
Der neue britische Naturwissenschaftsrat Prof. Dr. John Beddington hat die britische Regierung vor
den Konsequenzen der globalen Erwärmung gewarnt und unterstrichen, dass schon im Jahre 2030 eine
mit der globalen Erwärmung und mit einer unwissenschaftlichen Politik verbundene Hungersnot die
Welt gefährden könnte. Er hat seiner Regierung dringend geraten, eine „grünere” Energiepolitik zu
betreiben. Er hat auch Anfang März 2008 unterstrichen, in einer Rede er in einer Konferenz in
Westminster über haltbare Entwicklung gehalten hat, dass viel größere Geldanlagen in Landwirtschaft
5

Als Beispiel vgl. Feyerabend, P., 1988, Against Method, revised edition: Verso, London, viii+296 SS; 1991,
Three Dialogues Concerning Knowledge: Basil Blackwell, Oxford, 167 SS. Für die extreme Gefährlichkeit
solche unbegründeten und verantwortungslosen Ideen, die einen guten Teil der sog. postmodernen
Erkenntnistheorie ausmachen, vgl. Gross, P. R. und Levitt, N., 1994, Higher Superstition: The Academic Left
and Its Quarrels with Science: The Johns Hopkins University Press, Baltimore, [ii]+314 SS; Gross, P. R., Levitt,
N. und Lewis, M. W., Hrsg., 1996, The Flight from Science and Reason: The New York Academy of Sciences,
New York, xi+593 SS; Koertge, N., Hrsg., 1998, A House Built on Sand—Exposing Postmodernist Myths About
Science: Oxford University Press, New York, xi+322 SS;
6
Marx hatte diese Thesen erst im Frühling 1845 in Brüssel verfasst. Sie blieben aber bis 1888 unveröffentlicht.
Vgl. Karl Marx Friedrich Engels Werke, Bd. 3 (1845 bis 1846): Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der
SED, Dietz Verlag, Berlin (1969), S. 535, These 11.
7
The Natural History Museum, London, verschiedene Flugschriften.
8
Vgl. Bard, E., Hsg., 2006, L’Homme Face au Climat: Collège de France, Odile Jacob, Paris, 246 SS; Gore, A.,
2006, An Inconvenient Truth: Bloomsbury, London, 325 SS; Rahmstorf, S. und Schellnhuber, H. J., 2006, Der
Klimawechsel: C. H. Beck Wissen, München, 144 SS.


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heute nötig seien um das Verlangen nach besserer Nahrungsqualität der sich immer schneller
vegrößernden mittleren Klassen zu befriedigen9.
Diese und ähnliche sehr ernst zu nehmenden, ja lebenswichtigen, Probleme der Menschheit können
nur mit Hilfe der Naturwissenschaften und ganz besonders der Erd- und Lebenwissenschaften gelöst
werden. Im Lichte dieser Feststellung erscheinen uns die Worte von Sueß, dass „der Naturforscher
selbst sich mehr und mehr würdig fühle[n muß], teilzunehmen an der Führung der gestigen
Menschheit”, in einer ganz aktuellen Bedeutung, und wir bewundern den Seherblick des großen
Meisters.
Das vorliegende kleine Buch ist die einzige monographische Biographie, die über Sueß geschrieben
worden ist, was in sich allein eine erstaunenswerte Sachlage ist. Warum gibt es nicht viel mehr
Studien über diesen einmaligen Mann und Wissenschafter? Diese Frage hat mehrere Antworten:
Erstens hat Sueß in den letzten zwei Dezennien seines Lebens eine sehr zurückgezogene Existenz
geführt. Ich zitiere hier die Beschreibung des Maßes dieser seiner Zurückgezogenheit aus einem sich
in meiner privaten Sammlung befindenden persönlichen Brief von Sueß an den Diplomaten und
Schriftsteller Josef Freiherr von Doblhoff-Dier (1844-1929), datiert Wien, 29. Jänner 1904, was hier
auch als Faksimile-Druck wiedergegeben ist:
Mein hochgeehrter Freiherr
Zunächst innigsten Dank für die wirklich sehr hohe Ehre, aber ich kann leider
wirklich nicht annehmen. Ich habe mich, außer der Akademie, von allen
Corporationen, ja selbst fast ganz von dem persönl. Umgange mit Bekannten
zurückgezogen, um ungestört meine wiss. Arbeiten fortzuführen. Ich gehe fast nie
abend aus u. bin in weiten Kreisen dadurch zu solchem Maaße ein Fremder
geworden, daß ich nicht vor langer Zeit, als ich im wiss. Club10 zu thun hatte, dort
etwa fünfzehn Herren, offenbar Mitglieder, antraf, von denen ich keinen einzigen
kannte u. auch kein einziger mich gekannt hat.

Ich wiederhole daher meinen herzlichsten u. verbindlichsten Dank. Ich habe das
öffentl. Leben verlassen, um meine letzten Lebensjahre der Arbeit widmen zu können,
und bitte recht sehr, mich bei dieser Arbeit zu lassen, und mir die Ablehnung nicht zu
verübeln.
In ganz besonderer Hochachtung, verehrter Freiherr,
Ihr ergebener E. Sueß
Zweitens ist Sueß noch vor Beginn des Ersten Weltkriges gestorben. Während des Krieges hatte jeder
seine eigene Sorgen und Pflichten. Es war dies keine Zeit, ein großes gelehrtes Projekt zu
unternehmen. Wir haben nicht einmal einen befriedigenden Nachruf für Sueß (vgl. Fußnote 1 oben).
Trotzdem erschien eine ziemlich umfangreiche Studie über das wissenschaftliche Werk von Sueß aus
der Feder von Emil Tietze (1845-1931), damals Direktor der k. k. Geologischen Reichsanstalt in
Wien. Tietze war der Schwiegersohn des berühmten österreichischen Altmeisters der Geologie Franz
Ritter von Hauer (1822-1899) und der Vater des weltbekannten Mathematikers Heinrich Franz
Friedrich Tietze (1880-1964). Emil Tietze selbst war aber nur ein mittelmäßiger Geologe und die
Aufgabe, die er sich für eine Auswertung des kolossalen Werkes von Sueß gestellt hatte, überstieg bei
weitem seine Fähigkeiten. Das Ergebnis war eine lange, mit Missverständnissen und Fehlurteilen
überfüllte Schrift, die leider mehrere Generationen von wenigstens deutschsprachigen Forschern auf
falsche Wege geführt hat. Nicht wenige nahmen Tietzes Schrift als Führer für die Arbeiten und Ideen
von Sueß und gelangten dabei zu falschen Schlüssen, wie z. B. der große deutsche Geologe Hans
Stille (1886-1926)11. Auch manche Wissenschaftshistoriker unserer Tage haben sich durch Tietzes
9

(gesehen am 10. 3. 2008)
Dieser Klub wurde 1876 von Freiherrn von Doblhoff-Dier selbst gegründet.
11
Stille verdankt Tietze z. B. seine Verwirrung über den Beriff “Vortiefe”: Stille, H., 1919, Alte und junge
Saumtiefen: Nachrichten der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, Mathematisch physikalische Klasse, Jg. 1919, SS. 336-372; Dieselbe über “Leitlinien”: Stille, H., 1927, Über westmediterrane
10

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Schrift irreführen lassen (z.B. Mott Greene in seiner in der Fußnote 1 erwähnten Studie). Diejenigen,
die besser wussten, wie z.B. das große schweizerische Genie Émile Argand (1879-1940), haben Sueß
selbst gelesen. Diejenigen aber, die nicht so glücklich waren, begnügten sich mit Tietze und glaubten,
dass eine grundlegende Studie über das Denken von Sueß bereits vorhanden war.
Sehr wenige der Wiener Giganten, die Sueß gut kannten, haben den Ersten Weltkrieg überlebt. Einige
von Ihnen, wie der geniale Paläontologe Melchior Neumayr (1845-1890), der Schwiegersohn von
Sueß, oder Edmund Mojsisovis (1839-1907), der unsterbliche Meister der Triasammoniten und der
Südalpen und einer der früheren engen Mitarbeiter von Sueß, oder Viktor Uhlig (1857-1911), der
Vater der modernen Tektonik der Karpathen, waren schon vor Sueß gestorben. Der geniale, aber
streitfreudige Alexander Bittner (1850-1902) war auch tot, aber ich frage mich, ob er eine Biographie
von Sueß geschrieben hätte, hätte er ihn überlebt. Die anderen wie Theodor Fuchs (1842-1925) oder
Carl Diener (1862-1928) waren zu beschäftigt mit anderen Sachen oder zu zurückgezogen, um eine
umfangreiche historische Studie bewältigen zu können und sie waren nunmehr gezwungen, in einem
mit gewaltigen sozialen und ökonomischen Problemen, ja mit Hungernot geplagten Lande zu leben.
Franz Eduard Sueß (1867-1941), der Sohn von Sueß und der letzte Wiener Gigant, wäre vielleicht der
Berufenste von allen gewesen, eine Biographie seines Vaters zu liefern. Es könnte sein, dass er
vielleicht den Augenblick nicht gerade für den günstigsten hielt, eine Lebensgeschichte eines Mannes
zu schreiben, dessen Büste aus rassistischen Gründen aus der Universität entfernt wurde!
Die Nachkriegsjahren waren offensichtlich keine Zeit, der glorreichen Errungenschaften der Wiener
Schule und deren Schöpfers zu gedenken.
Nach dem Zweiten Weltkrieg sind die Umstände, um eine Sueß-Biographie zu schreiben, nicht besser
geworden. Die deutschsprachigen Länder, ja fast ganz Europa, lagen in Trümmern und es galt, nach
einem Verlust von vielen Generationen von jungen Menschen und wertvollen Bibliotheken, Museen,
Laboratorien, die Wissenschaft wieder in Gang zu bringen. Die Sprache der Wissenschaft hat auch
gewechselt, ist Amerikanisch geworden, und damit auch ihre Kultur. Die Geologie von Eduard Sueß
verschwand allmählich aus dem kollektiven Gedächtnis der Geologen. Nur sein Name blieb. Es ist

immer noch wichtig, seinen Namen zu wissen, aber nicht, was hinter diesem Namen steckt.
Sehr wenige Geologen heute wissen, wieviel ihre Wissenschaft Eduard Sueß schuldig ist. Er war der
erste, der den Geologen beibrachte, unseren Planeten als ein Ganzes zu sehen, und ihnen die dazu
nötige Methodologie12 gab. Schon seit den frühesten Zeiten hatte der Mensch versucht, über die
Struktur und die Geschichte der Erde global zu denken. Wir wissen, daß schon Anaximander von
Milet (floruit ca. 560 v. C.) eine globale geologische Theorie hatte und dem großen Gelehrten
Aristoteles (384-322 v. C.) verdanken wir die erste globale tektonische Theorie, die er in Assos in
Kleinasien verfasste13. Im 19. Jahrhundert schwebte dem großen Alexander Freiherrn von Humboldt
(1769-1859) eine Wissenschaft der Erde, ja der Kosmos vor, die alle zusammenwirkenden Kräfte und
deren Resultate studieren sollte. Seine eigenen Studien blieben aber zerstückelt, großartige
Sammlungen von Erfahrungen, aber doch keine wahre Synthese. Deshalb konnte Albert Einstein
damit nicht einverstanden sein, ihn ein Genie zu nennen14. Der geistreiche französische Geologe Élie
de Beaumont (1798-1874) versuchte, eine globale Tektonik zu erdenken. Er hatte es auch getan, aber
eine Methodologie, um diese Theorie zu prüfen, gab er nie. Sein ganzes Leben lang hat er versucht,
seine Theorie gegen alle Versuche aufrechtzuerhalten, sie zu stürtzen, sie unangreifbar zu machen.

Gebirgszusammenhänge: in Stille, H., Hrsg., Beiträge zur Geologie der westlichen Mediterrangebiete, I,
Abhandlungen der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, mathematisch-physikalische Klasse, neue
Folge, Bd. 12, Nr. 3, IV+62 SS. Vgl. ganz besonders SS.1-9.
12
Über die Forschungsmethodologie von Sueß vgl. meinen Aufsatz aus dem Jahre 2006 angegeben im Fußnote 1
oben.
13
, A. M. C. Şengör, 2003, The Large Wavelength Deformations of the Lithosphere: Materials for a history of
the evolution of thought from the earliest times to plate tectonics: Geological Society of America Memoir 196,
Kapitel II und III.
14
Vgl. Moszowski, A., 1921, Einstein—Einblicke in seine Gedankenwelt: Hoffmann und Campe, Hamburg/ F.
Fontane & Co., Berlin, S. 60.


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Andere große, global arbeitende Geologen des 19. Jahrhunderts wie Sir Charles Lyell (1797-1875)
und Leopold von Buch Freiherr von Gelmersdorf (1774-1852) studierten einzelne Vorgänge wie
Abtragung, Vulkanismus, Entstehung der Koralleninseln oder einzelne Regionen wie z.B. das Tertiär
in Europa oder den Jura in Deutschland. Nur Freiherr Alexander von Humboldt (1769-1859) hatte
versucht, in seinem „Essai Géognostique sur le Gisement des Roches dans les Deux Hémisphères”15
eine globale Stratigraphie zu liefern. Dieser Versuch war fehlgeschlagen, weil Humboldts Theorie der
Stratigraphie, die er seinem Versuch zugrunde gelegt hatte, auch für seine eigene Zeit veraltert und
seine Erfahrungsbasis viel zu eng gewesen waren.
Mit Sueß’ „Die Entstehung der Alpen” aus dem Jahre 187516 erschien etwas völlig Neues in der
Geologie. Der früher global arbeitende Paläontologe erschien hier als ein genauso global arbeitender
Tektoniker. Tektonische Einheiten wie Gebirge oder Ozeanbecken fasste er wie Organismen auf und
unterzog sie einer vergleichenden anatomischen Studie. Wenn Sueß ein tektonisches Gebilde
beschrieb, war er nicht zufrieden, es mit nur einigen Beispielen zu erläutern. Wenn er z.B. die
Struktur der Gebirge besprach, beschrieb er alle Gebirge der Erde! Diese beschreibende Tätigkeit
zwang auf die Gebirge keine angenommene Struktur wie Élie de Beaumont es zu tun versucht hatte,
sondern sie benützte alle Gebirge der Erde, um ein in den Alpen entwickeltes Modell zu testen und
weiter zu entwickeln. Sueß beschrieb nicht nur einzelne Gebirge, sondern auch das Verteilungsmuster
aller Gebirge auf dem Antlitz unseres Planeten. Dies ist ihm auch gelungen, weil er die seltene Gabe
besaß, einen Gegenstand sowohl mit nur einigen Strichen auf dem Papier korrekt zu zeichnen als auch
ihn mit wenigen Worten ausreichend zu beschreiben.
Als er die Gebirge der Erde beschrieb, sah er ein, dass ihr Verteilungsmuster auf der Erdoberfläche
kein regelmäßiges war. Dies war mit einer seiner früheren Überzeugungen vereinbar: Als Stratigraph
hatte Sueß sich überzeugen können, dass die großen Faunenwechsel der Vorzeit von globalen
Meeresspiegelschwankungen verursacht worden waren17 und, das einzige Mittel, das Meeresniveau zu
bewegen, konnten nur Änderungen in der Kapazität des Weltozeans sein. Dafür bot das

Erdschrumpfungsmodell des französischen Geologen Constant Prévost (1787-1836)18 (aber nicht das
Schrumpfungsmodell von Élie de Beaumont) eine sehr günstige Arbeitshypothese, die unregelmä?ige
Einsenkungen in den Ozeanen als Ursache für die Meeresniveausenkungen angesehen hatte. Diese
Hypothese, kombiniert mit einseitigem Schub der Gebirge, wie es von den Amerikanern entwickelt
worden war19, gab Sueß ein Handwerkzeug, mit dessen Hilfe er die globale Geologie überschauen
konnte.
Erdschrumpfung erschien ihm als ein vielversprechendes Modell. Er war mit Prévost einig, dass dieses
Modell mit der Erhebungstheorie von John Playfair (1748-1819), Leopold von Buch und Charles Lyell
nicht vereinbar war. Seine frühere Feldarbeit in den Alpen hatte ihm gezeigt, dass die Eruptivgesteine,
bis dahin als Agentien der Gebirgserhebung angesehen, nur passive Mitmacher der Gebirgsbildung
waren. Gebirge entstehen durch Einengung und Zusammenpressung der Gesteine, wobei sich Falten
und Überschiebungen formten. Sueß konnte nicht verstehen, wenn Gebirge keine primäre
Vertikalbewegungen zeigen, warum Erdkontraktion in den Kontinenten gewaltige vertikale
Schwingungen verursachen sollte. Er schrieb 1880:
„Vor Jahren bereits wurde die Lehre von den Erhebungskrateren aufgegeben. Ich
darf sagen, dass die grosse Mehrzahl der heutigen Geologen die Bildung von
15

de Humboldt, A., 1823, Essai Géognostique sur le Gisement des Roches dans les Deux Hémisphères: F. G.
Levrault, Paris, viij + 379 pp.
16
Sueß, E., 1875, Die Entstehung der Alpen: W. Braumüller, Wien, IV+168 SS.
17
Vgl. ganz besonders Sueß, E., 1860, Über die Wohnsitze der Brachiopoden—II. Abschnitt. Die Wohnsitze der
fossilen Brachiopoden: Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, mathematischnaturwissenschaftliche Classe, Bd. 39, SS. 151-206.
18
Prévost, C., 1840, Sur la théorie des soulèvements: Bulletin de la Société Géologique de France, (1e série) Bd.
11, SS. 183-203.
19
Eine gute Geschichte der Entwicklung der tektonischen Ideen in Amerika gibt Merrill, G. P., 1924, The First

One Hundred Years of American Geology: Yale University Press, New Haven, xxi+773 SS.+ 1 Falttafel. Vgl.
auch das Buch von Mott Greene (angegeben in Fußnote 1)

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Gebirgsketten nicht mehr durch die vertikale Erhebung von centralen Axen erklärt.
Wir werden uns entschliessen müssen, auch die letzte Form der
Erhebungstheorie, die Doctrin von den seculären Schwankungen der
Continente, zu verlassen.”20
Sueß hat dann die ganze Geologie der Erde beschrieben mit der Absicht, zu zeigen, dass die
Erhebungstheorie in keiner Form aufrechtzuerhalten war. Dies war die Zentralthese seines magnum
opus, „Das Antlitz der Erde”. Es ist ein großer Fehler zu glauben, dass „Das Antlitz der Erde” nur ein
beschreibendes Buch der regionalen Tektonik der Erde sei. Pierre Termier hat dieses Buch ganz falsch
verstanden wenn er schreibt: „Das ganze Buch ist nur eine Beschreibung des Planeten, gesehen von
der Ferne, gesehen von Außen, wie von den Reisenden auf einem anderen Gestirn des Sonnensystems.
Keine oder fast keine Theorien. Der Autor versucht weder zu erklären noch zu überzeugen. Er zeigt.”21
Ganz im Gegenteil, Sueß hat sein größtes Werk geschrieben, um die Geologenschaft doch zu
überzeugen, dass die Erhebungstheorie in keiner Form richtig sein konnte. Das ganze kolossale Buch
ist nichts als ein langes Argument gegen die Erhebungstheorie. Ich weiß dies zum Teil aus
persönlicher Erfahrung: Noch als Gymnasiast hatte ich „Das Antlitz der Erde” gelesen. Vieles konnte
ich damals gar nicht verstehen. Aber eines hatte ich gut verstanden: Es kann keine primären
Erhebungen auf unserem Planeten geben. Jahre später, als Universitätsstudent, Doktorand und endlich
als selbständiger Forscher, habe ich immer eine psychologische Abneigung gegen jede Form von
primären Erhebungen gehabt. Als ich 1977 an der Staatsuniversität von New York in Albany ein
Student von John Dewey und Kevin Burke wurde, konnte ich lange Zeit ihre Theorie der
lithosphärischen Aufwölbungen, verursacht von Manteldiapiren, d.h. vom Erdinneren
emporsteigenden, heissen Strömungen, nicht akzeptieren. Später, als ich in den Alpen arbeitete, waren

mir Deckenbewegungen durch Schweregleitung ein Märchen. Meine vierte wissenschaftliche
Publikation war eine Streitschrift gegen Schweregleitung der Decken in den Gebirgen22. All das, habe
ich endlich eingesehen, wurzelte in der Formung meiner tektonischen Gedanken und Urteile durch
Sueß.
Die große Kunst von Sueß ist seine Fähigkeit gewesen, seine eigene Interpretationen allein durch seine
Wahl, Vorstellung und Anreihung seiner Darstellungen seinem Leser beizubringen. Man übernimmt
seine Interpretationen, ohne es zu bemerken. Nur in bestimmten Fällen, in welchen seine
„Beschreibung” gegen allgemein bekannte physikalische Gesetze verstieß, wie, z. B. bei seiner
Darstellung des sog. einseitigen Schubes, erweckte er ernst zu nehmenden Einwand23.
In dieser Weise, die Leser zu erziehen, besteht aber stets die Gefahr, dass wenn ein Leser das gesamte
Argument, d. h. das gesamte Buch, nicht liest oder nur oberflächlich durchblättert, verworren wird. Er
kann zum Beispiel nicht leicht verstehen, dass eine Vortiefe sowohl der Ausdruck vom Sinken des
Vorlandes durch radiale Schrumpfung als auch das Ergebnis von dessen Unterdrückung durch das
überschiebende Gebirge wegen des tangentialen Schubes sein kann. Oder wie gewaltige Zerrgebilde,
wie z. B. die großen ostafrikanischen Gräben oder der Oberrheintalgraben auf einem sich
verkleinernden Planeten zustandekommen können. Wie könnte ein assymetrisches Gebirge entstehen,
indem seine Außenseite sich in Form von großen Decken auf das Vorland bewegt, während die
Innenseite sich zerrt, auseinanderfällt, einbricht und Vulkanismus verursacht. Solche und noch
mehrere Fragen haben die Kritiker von Sueß schon zu seinen Lebzeiten geplagt und sie haben ihm alle
vorgeworfen, die Sache unnötigerweise verkompliziert zu haben. Alle diese Kritiker haben seinem
uferlosen Wissen über die regionale Geologie der Erde applaudiert, aber auch bedauert, dass der
Meister ihnen kein festes theoretisches Gerüst hinterlassen hatte.
Sie hatten ihn nicht sorgfältig gelesen oder konnten ihn einfach nicht verstehen.
20

Sueß, E., 1880, Über die vermeintlichen säcularen Schwankungen einzelner Theile der Erdoberfläche:
Verhandlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt, Nr. 11, S. 180. Gesperrt von Sueß selbst.
21
Termier, P., 1914[1922] (in der Fußnote 1 oben), S. 286
22

Şengör, A. M. C., 1977, Orojenik kuşaklarda tektonik taşınma: Yeryuvarı ve İnsan, Bd. 2, S. 23-35.
23
Bittner, A., Über einige geotektonische Begriffe und deren Anwendung: Jahrbuch der kaiserlich und
königlichen Geologischen Reichsanstalt, 37, pp. 397-422, Wien 1887.

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Es gab aber einige, die Sueß gut verstanden und seine Argumente weiter ausgebaut haben. Argand
zum Beispiel sah, dass Sueß’ Ablehnung der Theorie der Isostasie nicht aufrechtzuerhalten war. Er
fragte sich, wenn man die Erscheinungswelt der Tektonik, wie sie von Sueß dargestellt worden war,
vom Gesichtspunkt der Isostasie betrachten würde, was würde geschehen? Argand verstand sofort,
dass unter diesen Bedingungen, es wäre unmöglich ohne irgend eine Form von Kontinentaldrift, die
irdische Tektonik zu erklären. Frank Bursley Taylor (1860-1938) hat dasselbe gedacht. Im Folgenden
zitiere ich die Gedanken dieser beiden großen Geologen des 20. Jahrhunderts über Sueß, der
Publikationszeit nach.
Als Taylor das tektonische Verhalten der Erde untersuchen wollte, dachte er:
“Alle Gedanken von Sueß über diese Punkte sind würdig, mit der größten
Aufmerksamkeit betrachtet zu werden. Da er das gesamte Thema umfangreicher und
gründlicher als irgend ein lebendiger Mensch studiert hat, sind wir freilich geneigt,
für eine Erklärung der Verschiebungen der Strandlinien und der Verstellung der
Leitlinien der Gebirgsbildung uns an ihn zu wenden. Sueß unternimmt es aber nicht,
zu erklären. Er ist zufrieden, nur sehr kurze und anscheinend nur vorübergehende
Vorschläge über die Natur der Ursachen zu machen.”24
Taylor verstand aber, auf der Basis eines “vorübergehenden Vorschlages” über das Fließverhalten der
Gesteine auf kontinentalem Maßstab, enthalten in zwei kurzen Arbeiten von Sueß25, dass sehr große
und fließende Bewegungen der Kontinente unvermeidlich sind, wenn man die Geometrie der
Leitlinien der känozoischen Gebirge der Erde erklären will26.

Argand eröffnete seine epochemachende Rede während des 22. Internationalen Geologenkongress in
Brüssel 1922 mit folgenden Worten:
“Zwölf Jahre sind verstrichen, meine Herren, seitdem die letzten Seiten des großen
Werkes von Sueß geschrieben worden sind, zwölf Jahre, während welcher eine Anzahl
von Arbeiten über die verschiedensten Teile der Welt erschienen sind, die eine
unübersehbare Fülle von Erfahrungen und manchmal auch gewagte Interpretationen
hervorgebracht haben. Wenn der Meister unter uns zurückkehren würde, er wäre
vielleicht geneigt, dieses Detail ein wenig zu ändern, eine Skizze vielleicht zu
vervollständigen oder jene Episode durch eine andere Zusammentragung der
24

Taylor, F. B., 1910, Bearing of the Tertiary mountain belt on the origin of the earth's plan: Bulletin of the
Geological Society of America, Bd. 21, SS. 221f.
25
Sueß, E., 1898, Über die Assymetrie der nördlichen Halbkugel: Sitzungsberichten der kaiserlichen Akademie
der Wissenschaften zu Wien, Mathematisch-naturwissenschaftliche Classe, Abt. I, Bd. 107, SS. 89-192. (Eine
englische Übersetzung dieses Aufsatzes wurde an Benjamin Kendall Emersons Präsidialrede vor der Geological
Society of America angehängt, unternommen vom Präsidenten selbst: Suess, E., 1900, Asymmetry of the
northern hemisphere: Bulletin of the Geological Society of America, Bd. 11, SS. 96-106); Suess, E., 1904, Sur la
nature des charriages: Comptes Rendus hébdomadaires de l’Academie des Sciences, Bd. 139, SS. 714-716.
26
Frank Taylor ist heute sehr unverdienterweise beinahe ganz vergessen. Für seine wichtigen, ganz im Sinne von
Sueß durchgeführten und (vielleicht deshalb) zu seinen Lebzeiten kaum verstandenen Arbeiten über Tektonik,
vgl: Taylor, F. B., 1921, Some points in the mechanics of arcuate and lobate mountain structure: Bulletin of the
Geological Society of America, Bd. 32, SS. 31-32; Taylor, F. B., 1927, Salient points in Tertiary epeirogeny:
Bulletin of the Geological Society of America, Bd. 38, SS. 107-109; Taylor, F. B., 1928, North America and
Asia: a comparison in Tertiary diastrophism: Bulletin of the Geological Society of America, Bd. 39, SS. 9851000; Taylor, F. B., 1928, Bearing of distribution of earthquakes and volcanoes and their origin: Bulletin of the
Geological Society of America, Bd. 39, SS. 1001-1016; Taylor, F. B., 1928, Sliding continents and tidal and
rotational forces: In Theory of Continental Drift, A Symposium on the Origin and Movement of Land Masses
Both Inter-Continental and Intra-Continental, as Proposed by Alfred Wegener, American Association of

Petroleum Geologist, Tulsa, SS. 158-177; Taylor, F. B., 1930, Correlation of Tertiary mountain ranges in the
diffrent continents: Bulletin of the Geological Society of America, Bd. 41 SS. 431-474; Taylor, F. B., 1933.
Wegener's theory of continental drifting: A critique of some of his views: Bulletin of the Geological Society of
America, Bd. 43, S. 173.

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Erfahrungen zu erklären. Er würde aber, glaube ich, die großen Linien des
Monuments nicht verändern, weil seine Einrichtung richtig geblieben ist.”27
Es gab eine dritte Klasse von Forschern, die fast alles, was Sueß gesagt hatte, akzeptierten und
versuchten, ihre eigene Untersuchungen genau entlang der Gedankenlinien von Sueß weiterzuführen.
Diese Geologen waren meistens Feldforscher, diejenigen, die ihr ganzes Leben der Erforschung
verschiedener Teile der Erde gewidmet hatten. Den Geologen Europas und Amerikas bestbekanntes
Beispiel eines solchen Forschers ist der Schottische Geologe John Walter Gregory (1864-1932), der
berühmte Erforscher des nach ihm benannten Astes des ostafrikanischen Grabensystems und Osttibets
28
. Es gab viele andere in verschiedensten Teilen der Erde. Der größte unter diesen Verfolgern von
Sueß war aber eben sein bisher einziger Biograph, der große russische Entdeckungsreisender,
Geologe, Geograph, Bergwerksingenieur und Schriftsteller, Wladimir Afanasiewitsch Obrutschew
(Abb. 3)29.
Obrutschew ist im Dorfe Klepenino in der Twer-Region im nordöstlichen Russland am 10. Oktober
1863 (neuen Styls) geboren. Er studierte am Institut für Bergbauwesen in St. Petersburg und
absolvierte 1886 seine dortigen Studien. Den Rest seines Lebens widmete er der Erforschung Sibiriens
und Zentralasiens. Seine Forschungen stammten meist aus praktischen Fragen des Bergbaus aber
Obrutschew schloss fast immer die regionale Geologie und ganz besonders die Tektonik der studierten
Gebiete in seine Forschungen ein. Er begann seine Studien 1886 im nördlichen Pamir. 1892-1894 war
er Leiter einer wichtigen geologischen Expedition, die von Kjachta über Urga (heutiges Ulaan Baatar,

Hauptstadt der Mongolei), Kalgan, Beijing, Nordchina, die östlichen Teile des chinesischen Turkestan
bis nach Turfan und Kuldscha, einen wichtigen Teil Zentralasiens, führte. Obrutschew studierte dabei
das mongolische Grundgebirge (einen Teil des „alten Scheitels” von Sueß), das berühmte Lössplateau
von China, das Nord- von Südchina scheidende Qin-Ling-Gebirge, und die Tibetischen Grenzgebirge
in Qinghai und Gansu. Der große, zweibändige Bericht über diese Expedition30 bildete die Grundlage

27

Argand, E., 1924, La tectonique de l'Asie: Congrès Géologique International, Comptes Rendus de la XIIme
session, Premier Fascicule, H. Vaillant-Carmanne, Liége, pp. 171-372.
28
Gregory, J. W., 1894, Contributions to the physical geography of British East Africa: The Geographical
Journal, Bd. 4, SS. 289-315, 408-424, 505-524; Gregory, J. W., 1896, The Great Rift Valley being the Narrative
of a Journey to Mount Kenya and Lake Baringo with some account of the geology, natural history,
anthropology, and future prospects of British East Africa: John Murray, London, xxi+422 SS.+XX Tafeln+1
Frontispiz+2 farbige Faltkarten; Gregory, J. W., 1915, Suess’ classification of Eurasian mountains: The
Geographical Journal, June 1915, SS. 497-513; Gregory, J. W. und Gregory, C. J., 1923, To the Alps of Chinese
Tibet—An Account of A Journey of Exploration up to and Among the Snow-Clad Mountains of the Tibetan
Frontier: Seeley, Service & Co., London, [vii]+321 SS.+ 16 fotographische Tafeln+1 Faltkarte; Gregory, J. W.
und Gregory, C. J., 1925, The Geology and physical geography of Chinese Tibet, and its relations to the
mountain system of South-Eastern Asia, from observations made during the Percy Sladen Expedition, 1922:
Philosophical Transactions of the Royal Society of London, Series B, Bd. 213, SS. 171-298, 1 Faltkarte+3
Fossiltafeln; Gregory, J. W., 1929, Introduction: in Gregory, J. W., editor, The Structure of Asia, Methuen &
Co., London, SS. 1-34.
29
Unten kann ich nur eine ganz skizzenhafte Schilderung des Lebens von Obrutschew geben. Für genauere
Auskunft ziehe man die folgenden Veröffentlichungen zu Rate: Anonym, 1946, Wladimir Afanasiewitsch
Obrutschew: Akademija Nauk Soijusa SSR, Isdatelstwo Akademii Nauk SSSR, Moskwa, Leningrad, 88 SS; von
Bubnoff, S., 1956, Wladimir Afanasiewitsch Obrutschew 28. Oktober 1863-19.Juli [sic] 1956: Geologie, Bd. 5,
SS. 530-531; Mursaev, E. M., Obrutschew, W. W. und Rjabukhin, G. E., 1959, Wladimir Afanasiewitsch

Obrutschew—Dzhizn i Dejatelnosst: Akademija Nauk SSSR Nautschno-Popularnaja Serija, Isdatelstwo
Akademii Nauk SSSR, Moskwa, 320 SS.+mit vielen Faltkarten. Dieses gebundene Buch wurde 1986 nochmals,
aber in broschierter Form und mit verkelinerter Karten, gedruckt; French, R. A., 1963, V. A. Obruchev; The
centenary of a great Geographer: The Geographical Journal, Bd. 129, Nr. 4, SS. 494-497.
30
Obrutschew, V. A., 1900, Tschentralnaja Asia, Ssevernji Kitai i Nan Shan — Otschet o Puteshestvii
Sovershennom po Porucheniue Imperatorskago Russkago Geographicheskago Boshestva vy 1892-94 godakh;
Tom I (Kasautschnessja Wostotschnoi Mongolii, Provintschii Tschu-İli, Schan-ssi, Schen-ssi, i Gan-ssu,
Ordossa, Alaschanja i Wostotschnogo Nan Schanja): Izdanie Imperatorskago Russkago Gegraphicheskago
Obshestva, St. Peterburg, 631 SS. + 1 S. Errata. Obrutschew, V. A., 1901, Tschentralnaja Asia, Ssevernji Kitai i
Nan Shan — Otschet o Puteshestvii Sovershennom po Porucheniue Imperatorskago Russkago
Geographicheskago Boshestva vy 1892-94 godakh; Tom II (Putevie dnevniki, Kasaueshieaya Chentralnoi

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vieler Darstellungen der tektonischen Verhältnisse des östlichen Teiles von Zentralasien im „Antlitz
der Erde” von Sueß. 1898 wurde ihm der Tchihatcheff-Preis in Frankreich für seine Studien über
Zentralasien verliehen.
Von 1901 bis 1912 war Obrutschew Professor am Institut für Technologie in Tomsk, wo er ab 1908
auch das Dekanat bekleidete. Zu dieser Zeit widmete er sich den Studien Sibiriens und seines
Metallreichtums. Von 1912 bis 1918 war er in Moskau ansäßig, von wo aus er Expeditionen zum
Altaigebirge (1914), zu der Gebirgswelt des Kaukasus (1915) und nach der Krim geführte (19161917). 1918 hat man ihm für seinen “Kurzen Bericht über die Orographie und Geologie vom südlichen
Transbaikalien”31 den Helmersen Preis der Russischen Akademie der Wissenschaften verliehen.
Von 1919 bis 1922 war er Professor am Tauris-Insitut für Technologie in Simferopol und 1921 wurde
er Korrespondierendes Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften, deren wirkliches
Mitglied er 1929 wurde. Von 1922 bis 1929 war er Professor an der Bergbauakademie in Moskau.
1925 wurde ihm zum zweiten Mal der Tchihatcheff-Preis verliehen, diesmal für die Gesamtheit seiner

Arbeiten über Asien. 1926 wurde sein Buch über die Geologie Sibiriens32 in Deutschland publiziert
und im selben Jahr hat er für dieses Buch den W. I. Lenin-Preis erhalten.
Mit Ausnahme der Jahre 1941 bis 1943, als er unter der Bedrohung der sich nach Moskau nähernden
deutschen Armeen nach Alma-Ata in Kasakhstan evakuiert wurde, hat Obrutschew den Rest seines
Lebens in Moskau und in der Umgebung der Stadt verbracht. Als Akademiemitglied war er in
verschiedenen Funktionen tätig. 1940 war er Herausgeber des geologischen Teiles der „Isvesstia” und
zwischen 1942 und 1946 Sekretär der geologisch-geographischen Sektion der Akademie der
Wissenschaften der Sovietunion.
Von 1931 bis 1959 hat Obrutschew ein gewaltiges, mehrbändiges Werk über die Geschichte der
geologischen Erforschung von Sibirien publiziert (z.T. posthum)33. Dieses Buch ist in der Form einer
reichlich kommentierten Bibliographie geschrieben und wahrlich eine Schatzgrube für jeden, der sich
für die Geologie Sibiriens interessiert. 1935 begann er seine große Schilderung der Geologie Sibiriens
zu publizieren, die 1938 vollendet wurde und heute noch eine sehr nützliche Quelle für die Geologie
dieses großen Landes darstellt34.

Mongoli, Djungarii i Gornikh Sistem Bei Shan, Nan Shan, vostochnogo Tien Shanya i Tchin-Lin-Shanya):
Izdanie Imperatorskago Russkago Gegraphicheskago Obshestva, St. Peterburg, 686 SS. + 1 S. Errata.
31
Obrutschew, W. A., 1905, Orografitschesskii i Geologitschesskii Otscherk Ü-S Sabaikalia (Selenginskoi
Dauria). Otschet ob Issledowanniakh 1895-1898 gg Tsch. II, Opissanije Obnadzhenii: Geologitscheski
Issledowania Sibiri dz. d. Wyp. 22, Tsch. 2, 533 SS.
32
Obrutschew, W. A., 1926, Geologie von Sibirien: in Soergel, W., Hrsg., Fortschritte der Geologie und
Paläontologie, no. 15, Gebrüder Borntraeger, Berlin, XI+572 SS.+1 S. errata+1 Faltkarte und 10 Tafeln.
33
Obrutschew, W. A., 1931, Istoriya Geologicheskogo Issledovaniya Sibiri. Period pervei (XVII-XVIII ww.):
Izdatelstvo Akademii Nauk, Moskva-Leningrad, 153 SS; Obrutschew, W. A., 1933, Istoriya Geologicheskogo
Issledovaniya Sibiri. Period vtaroi (1801-1850 gg.): Izdatelstvo Akademii Nauk, Moskva-Leningrad, 257 SS;
Obrutschew, W. A., 1934, Istoriya Geologicheskogo Issledovaniya Sibiri. Period tretii (1851-1888 gg.):
Izdatelstvo Akademii Nauk, Moskva-Leningrad, 354 SS; Obrutschew, W. A., 1937, Istoriya Geologicheskogo

Issledovaniya Sibiri. Period chetvertii (1889-1917 gg.): Izdatelstvo Akademii Nauk, Moskva-Leningrad, 127 SS;
Obrutschew, W. A., 1949-1959, Istoriya Geologicheskogo Issledovaniya Sibiri. Period pyatii (1918-1940 gg.),
Wypusk 1 (1949, 60 pp.), Wyp. 2 (1947, 63 pp.), Wyp. 3 (1947, 108 pp.), Wyp. 4 (1944, 233 pp.), Wyp. 5 (1945,
126 pp.), Wyp. 6 (1945, 118 pp.), Wyp. 7 (1946, 115 pp.), Wyp. 9 (1959, 199 pp.): Izdatelstvo Akademii Nauk,
Moskva-Leningrad, 354 SS.
34
Obrutschew, W. A., 1935, Geologiya Sibiri, Bd. I (Dokembrii i Drevnii Paleozoi): Izdatelstvo Akademii Nauk,
Moskva, Leningrad, 366 pp., 2 Kartentaflen, XII fotographische tafeln und 3 Falttabellen; Obrutschew, W. A.,
1936, Geologiya Sibiri, Bd. II (Srednii i Verkhnii Paleozoi): Izdatelstvo Akademii Nauk, Moskva, Leningrad,
SS. 366-772, 3 Kartentafeln, XIII-XXV fotographische Tafeln und eine Falttabelle; Obrutschew, W. A., 1938,
Geologiya Sibiri, Bd. III (Mezozoi i Kainozoi): Izdatelstvo Akademii Nauk, Moskva, Leningrad, pp. 782-1357, 5
Kartentafel, XXVI-XLI fotographische Tafeln.

14


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Obrutschew war auch ein literarischer Schriftsteller. Seine Romane35 haben den Stil von Jules Verne
und behandeln geographisch-geologische Themen, die zum Teil phantastisch, zum Teil
autobiographisch sind.
Der große Erdwissenschafter starb am 19 Juni 1956 im schönen bewaldeten Dorf Swenigorod bei
Moskau.
Obrutschew hatte einen fast grenzlosen Fleiß. Mein Kollege Herr Professor Boris Alexeitsch Natal’in
in İstanbul hat festgestellt, dass er in Asien während seinen Studien 30.000 km zurückgelegt und in
seinem Leben 30.000 Seiten publiziert hatte – also eine Seite pro Kilometer! Er war aber kein
origineller Theoretiker. Seine Arbeit bestand darin, Erfahrungen zu sammeln und diese nach den von
ihm richtig befundenen theoretischen Gerüsten zu ordnen, zu vereinfachen und zu kombinieren und
möglichst für praktische Zwecke nutzbar zu machen. In dieser seiner Lebensaufgabe hat er
erstaunenwert Vieles und Gutes geleistet. Vieles, was wir heute über Asien wissen, sind wir seinem

Fleiß schuldig.
Sueß hatte dies sehr früh anerkannt. Schon als Obrutschew noch ein junger Mann war, wählte ihn
Sueß als seinen Korrespondenten und gewissermaßen Führer durch die russische geologische
Literatur. Wie zutreffend dieser Wahl war und wie hervorragend Obrutschew die ihm zugewiesene
Funktion erfüllt hat, bezeugt der enorme Erfolg des dritten Bandes des „Antlitz”.
Wie aussagekräftig ist die vorliegende Biographie? Meiner Einschätzung nach ist sie nicht eine
wirklich umfassende Darstellung des Lebens und Wirkens von Sueß. Erstens ist sie viel zu kurz, um
dem Leben, das sie darstellt, gerecht zu werden. Es ist aber wahrscheinlich, dass ihre Länge von dem
Rahmen der populären Buchserie, in welcher sie erschien, abhängig war. Innerhalb dieses Rahmens ist
die Biographie sehr von den „Erinnerungen” von Sueß abhängig und gemäß dem Inhalt der
„Erinnerungen”, viel von Sueß’ persönlichem und außerwissenschaftlichem Leben erzählt. Man hätte
viel mehr von Sueß’ wissenschaftlichem Wirken zu lesen gewünscht und ganz besonders von der
Feder eines großen, Sueß persönlich bekannten und, in einem gewissen Sinne, mit ihm
zusammengearbeitet habenden Geologen, wie Obrutschew. Es ist möglich, ja wahrscheinlich, dass, da
Sueß zur Zeit der Verfassung der Biographie tot war und da zur Zeit der stalinistischen Verfolgungen
es nicht leicht gewesen sein muss, mit dem “kapitalistischen” Ausland zu korrespondieren, fehlten
Obrutschew Unterlagen, um eine detailliertere historische Untersuchung zu unternehmen. Auch ist
eine gewissche marxistische Deutung und Kritik des Sueß’schen politischen Lebens der unsicheren
Atmosphäre der damaligen Sowjetunion zuzuschreiben. Aber,was geschrieben sein sollte, war ja ein
populäres Buch in der Sowjetunion Stalins und kein wisseschaftlicher Beitrag.
Immerhin erfahren wir in diesem kleinen Buch vieles über Sueß, was ich nirgendwoanders gesehen
habe. Wir erfahren, wie sein tagtägliches Leben aussah. Wir erfahren, wie er mit der
wissenschaftlichen Welt verkehrte. Wir erfahren, wie er Auskunft erhielt über die Geologie der Erde.
Wir sehen, wie sein Arbeitszimmer in seinem Haus aussah, wo er einen guten Teil seiner gewaltigen
wissenschaftlichen Arbeit leistete. In dieser kleinen Biographie habe ich zum ersten Mal ein Bildnis
von Frau Hermine Sueß gesehen, „das Licht des Daseins” für Eduard Sueß.
Trotz seines bescheidenen Rahmens und der Zeitumstände ist die von Obrutschew und Zotina
geschriebene Biograpie von Sueß ein sehr wichtiger Beitrag zur internationalen Sueßforschung. Wir
35


Obrutschew schrieb drei Romane und eine Sammlung kurzer Geschichten um ein zentrales Thema, nämlich
Kukushkin. Ich zitiere hier die Übersetzungen, die ich in meiner privaten Bibliothek besitze: Obruchev, V., ohne
Datum, Plutonia: Foreign Languages Publishing House, Moscow, 327 SS. Diese englische Übersetzung von
„Plutonia” (ursprünglich publiziert 1924) enthält eine kurze Biographie des Autors auf den Seiten 326 und 327;
Obruchev, V., 1955, Sannikov Land: Soviet Literature for Young People, Foreign Languages Publishing House,
Moscow, 372 SS. „Sannikov Land” wurde zuerst 1926 publiziert. Die hier zitierte englische Übersetzung hat ein
Nachwort von Obrutschew; Obrutschew, W., 1952, Goldsucher in der Wüste: L. Staackmann Verlag, Leipzig, 25
SS; Obruchev, V. A., 1956, Kukushkin—A Geographer’s Tales, translated and edited by Vera Bowen: Constable,
London, 228 SS. „Kukushkin” wurde ursprünglich 1950 unter dem Titel In der Wildnis von Zentralasien
publiziert.

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sind, neben vielem anderen, unserem großen Meister Wladimir Obrutschew auch für diese seine
Unternehmung zu Dank verpflichtet. Ich bin für die Wiederbelebung der Biographie von Obrutschew
durch eine deutsche Übersetzung ganz besonders der Großzügigkeit des Collège de France, das einen
Teil des Projekts unterstützte, meinen österreichischen und französischen Kollegen, aber ganz
besonders Herrn Prof. Dr. Xavier Le Pichon, Herrn Hofrat Dr. Tillfried Cernajsek, Herrn Mag. Dr.
Johannes Seidl, MAS, Herrn Prof. Dr. Boris A. Natal’in und Frau Mag. Barbara Steininger, sehr
dankbar. Durch ihre gemeinsame Unterstützung haben sie gezeigt, dass Sueß uns allen gehört und dass
Naturwissenschaft wirklich keine nationale oder konfessionelle, mit anderen Worten, künstliche
Grenzen anerkennt, die die Menschen errichtet haben,um sich gegeneinander abzugrenzen. Solche
Grenzen verachetet die Naturwissenschaft. Sie ist eine gesamtmenschliche Unternehmung, ganz im
Sinne von Eduard Sueß und Wladimir Obrutschew.
Möge dieses kleine Buch einen Anstoß zu einer viel umfassenderer Biographie von Eduard Sueß
geben. Nicht nur um die Erinnerung an Sueß zu wecken, sondern auch um unsere heutige
Wissenschaft zu bereichern.

A. M. Celâl Şengör, Technische Universität Istanbul
Ehrenmitglied der Österreichischen Geologischen Gesellschaft und
Korrespondent der Geologischen Bundesanstalt in Wien.
İstanbul, am 10. März 2008

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Eine Einführung in die Übersetzungsproblematik des vorliegenden Textes:
Den Rahmen der hier vorliegenden Sueß-Biographie und wie es zu ihrer Übersetzung ins Deutsche
kam, hat Herr Prof. bereits umfassend dargestellt. Zum Hintergrund des vorliegenden Buches und v.
a. seiner Übersetzungsproblematiken ist nunmehr auch von der Übersetzer-Seite aus einiges, wenn
auch nicht allzu detailliert, zu sagen.
Vorausschicken möchte ich, dass sowohl in den Einleitungen, als auch in den Kommentaren zum Text
dort, wo z.B. „Wissenschafter“ oder „Leser“ steht, im Sinne der heutigen Gender-Frage stets
männliche und weibliche Personen gemeint sind. Allein der Lesbarkeit zuliebe wurde auf eine
durchgehende, dezidierte Genderaufspaltung (z.B. „Leserin und Leser“, Leser/innen, LeserInnen etc.)
in diesem Buch verzichtet.
Zum Hintergrund der Übersetzung
Vladimir Afanassevič Obručev, Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften und Geologe,
unterhielt, wie bereits von Herrn Prof. beschrieben, eine Zeit lang Kontakt mit Eduard Sueß, den er
als bedeutenden Gelehrten und gewissermaßen als Begründer der modernen Phase der geologischen
Wissenschaften schätzte. Ihm widmete er daher in den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts eine
Biographie, die 1937 in Russland erscheinen durfte. Selbstverständlich war dies nicht, beherrschte
doch eine um diese Zeit äußerst strenge und stark ideologisch geartete Zensur der Staatsmacht jegliche
publikatorische Ambitionen, auch jene der Wissenschafter, die, so wie die Vertreter vieler anderer
Schichten, besonders in den Jahren um 1936 bis 1938 regelrechten politischen Verfolgungen
ausgesetzt waren36. Texte, die erscheinen sollten, mussten sich ihr ausnahmslos beugen, was sich z. T.

in Minderung der Objektivität und nicht zuletzt oftmals auch der Qualität auswirkte. Kürzungen,
Veränderungen, Streichungen und andererseits offensichtlich geradezu zwanghaft hinzugefügte
Ergänzungen in politisch-ideologisch vorgefasstem Stil kennzeichnen nahezu alle diese
wissenschaftlichen und populär-wissenschaftlichen Publikationen. Unter diesen Voraussetzungen
verfasste V. A. Obručev die einzige jemals publizierte Sueß-Biographie, in russischer Sprache, und
vor demselben Hintergrund ist sie auch in ihrer nun erstmals auf Deutsch erscheinenden Übersetzung
zu lesen. Obručevs Biographie lässt Erkenntnisse über seine Bezugnahme auf Sueß´ Leben, Werk und
Forschung, sowie den damaligen Stand der Kenntnisse über die österreichischen Begebenheiten aus
russischer Sicht zu.
Abgesehen davon, dass Franz Eduard Sueß, wie Herr Prof. bereits sagte, als Geologe und Nachfolger
seines Vaters wohl prädestiniert gewesen wäre, diesem eine ausführliche und authentische Biographie
zu widmen, hat dieselbe Idee sein zweiter Sohn Erhard in Form der Veröffentlichung von Eduard
Sueß´ Autobiographie Erinnerungen im Jahre 1916 getan. Von dessen privaten Informationen zu
Sueß´ Leben macht Obručev in seiner Biographie Eduard Sueß, bis auf eine Stelle, allerdings nicht
eindeutig Gebrauch. Prinzipiell nun ist Obručevs Sueß-Biographie in ihrem Aufbau sehr eng an Sueß´
Erinnerungen angelehnt. Daher werden im Folgenden Obručevs Schrift vereinzelt als
„Übersetzungsvorlage“ und die Erinnerungen z.T. als „Original“ bezeichnet.
Das Akademiemitglied Vladimir Obručev selbst nennt in der in Russland erschienenen Biographie zu
Eduard Sueß keinerlei Quellen oder Vorlagen. Im für die Übersetzung zur Verfügung gestandenen
Exemplar also ist keine Literaturliste vorhanden.
Lediglich an einigen wenigen Stellen im biographischen Hauptteil erblickt das Auge des Lesers einen
Hinweis auf die Erinnerungen von Sueß, wobei diese oft nicht eindeutig als Textvorlage ausgewiesen
werden, sondern lediglich als Begriff und häufig ohne Kennzeichnung im Erzählfluss auftauchen.
Einige andere Texte Sueß´ finden allerdings betont als Rezeptionsvorlage Erwähnung (z.B. Das Antlitz
der Erde, Die Entstehung der Alpen u. e. a. – s. dazu die Einführung von Univ. Prof. Dr. Ali Mehmet
Celâl Şengör).
36

Siehe dazu u. a.: Verbrechen im Namen der Idee. Terror im Kommunismus 1936-1938. Hrsg. v. Hermann
Weber und Ulrich Mählert, im Auftr. d. Stiftung zur Aufarbeitung d. SED-Diktatur). Berlin: Aufbau Verlag –

Taschenbuch 2007; Baberowski, Jörg. Der rote Terror. Die Geschichte des Stalinismus. München: Deutsche
Verlags-Anstalt 2003; Beyrau, Dietrich. Petrograd, 25. Oktober 1917. Die russische Revolution und der Aufstieg
des Kommunismus. In: 20 Tage im 20. Jahrhundert (hrsg. v. Norbert Frei, Klaus-Dietmar Henke und Hans
Woller. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2001, v. a. S. 166-177; Kappeler, Andreas. Russische
Geschichte. 3. Aufl. München: Verlag C. H. Beck 2002, v. a. S. 57-59;

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Im Textaufbau folgt Obručev, wie bereits angedeutet, chronologisch dem Aufbau der Erinnerungen,
wobei er allerdings mitunter große Teile von Kapiteln sowie ausgewählte Details weglässt. Dadurch
stehen in der russischen Biographie letztlich primär das Werk und Wirken Sueß´ im Vordergrund,
wenn auch in gekürzter Form.
Als Innovation der Biographie von Vladimir Obručev, das heißt als Abweichung bzw. Ergänzung zur
Linie der Erinnerungen, sind nicht zuletzt die Kapitel „Familie und Alltag. Sueß in den Augen der
Zeitgenossen. Krankheit und Tod“ und „Sueß, der Wissenschafter“ anzusehen. Hierin beschreibt
Obručev nicht nur, was er offenbar in persönlichem Kontakt mit Eduard Sueß über diesen erfuhr,
sondern lässt unter anderem auch einige von dessen Zeitgenossen zu Wort kommen. Nicht alle dieser
hatten Sueß persönlich gekannt, doch verdeutlicht das aufgezeigte Rezeptionsspektrum verschiedener,
z. T. internationaler Wissenschafter umso mehr die Bedeutung des österreichischen Geologen.
In diesem Sinne setzt Obručevs Biographie an jener Stelle fort, an der Sueß selbst im Alter von 63
Jahren endete, und führt die Aufzeichnungen über sein Leben bis zu Sueß´ Tod im Jahr 1914 fort.
Vom Schlusswort der „Erinnerungen“, das Sueß in seinem 80. Lebensjahr verfasste (s. Sueß Eduard,
Erinnerungen S. 426-428), nahm Obručev allerdings nichts in die Biographie auf. Doch handelt er, wie
von Herrn Sengör bereits erwähnt, auch Sueß´ Werk ab, d.h. er stellt es seinem, dem russischen
Publikum der Dreißigerjahre, in einer Zusammenfassung vor. Am Ende sind der russischen Biographie
zudem ein Glossar mit geologischen Fachbegriffen, sowie ein biographischer Anhang
(Personenverzeichnis mit Eckdaten zu ausgewählten Personen, die in der deutschen Übersetzung

vereinzelt ergänzt wurden) angeschlossen. Beides existiert in dieser Form im deutschen „Original“
nicht, in Sueß´ Autobiographie existiert lediglich ein (allerdings offenbar vollständiges)
Personenregister mit Name, zumeist Beruf und Angabe jener Seite(n), auf welcher(n) die Person in
den Erinnerungen erwähnt wird.
Das Vorwort zu den „Erinnerungen“ von Eduard Sueß, das sein Sohn Erhard für die Publikation im
Jahr 1916 verfasste, fand (wie oben erwähnt bis auf eine Stelle in Sueß, Erinnerungen auf S. V) nicht
Eingang in die russische Sueß-Biographie. So blieb u. a. auch die kaiserliche Urkunde an den großen
österreichischen Geologen und Politiker hier unerwähnt (ebenda) – möglicherweise war sie auch aus
politischen Gründen in der Sowjetunion nicht zitierbar…
Eine Einschränkung muss abschließend noch bezüglich der im Impressum als Verfasser angegebenen
Namen gemacht werden: Während wir zu V. A. Obručev, wie C. Şengör bereits dargelegt hat, einiges
wissen, war es uns selbst über die Kontaktierung russischer wissenschaftlicher Kollegen/innen des
Department of the History of Geology, Vernadsky State Geological Museums (Moskau) nicht
möglich, auch nur den bzw. die Vornamen Zotinas in Erfahrung zu bringen. Ob Frau M. Zotina als
Co-Autorin der Biographie fungierte, ist nicht eindeutig feststellbar. Vielleicht agierte sie in der
Funktion einer wissenschaftlichen Assistenz, einer Übersetzerin, eines Lektors oder womöglich eines
Zensors. Auch eine (möglicherweise nachträgliche) Bearbeitung oder Überarbeitung der SueßBiographie könnte aus ihrer Feder stammen. Eigens sind der Redaktor (Iosif Genkij), der Textredaktor
(A. M. Iglickij), die Korrektorin (L. K. Nikolaeva), und die Graphiker (G. S. Beršadskij für den
Umschlag und A. M. Kritskoj für die Holzstiche) angeführt. Von welchen Personen der Anhang
bearbeitet wurde, ist leider nicht eindeutig, gerade dieser könnte auch eigenständig und von anderen an
Obručevs Bericht als Ergänzung angehängt worden sein. In den Kommentaren, v. a. den Fußnoten zur
auf Deutsch übersetzten Sueß-Biographie konnte daher (leider) keinerlei Rücksicht auf einen
möglichen Einfluss M. Zotinas auf die Arbeit genommen werden.
In Vladimir Obručevs Sueß-Biographie gibt es einige starke Augenfälligkeiten, welche die strukturelle
Vorlage des Textes, die Erinnerungen von Eduard Sueß, eindeutig widerspiegeln. So scheinen einige
Auszüge aus denselben von Deutsch auf Russisch übersetzt und von Obručev beinahe wörtlich zitiert
worden zu sein. Dies offenbart sich vordergründig bei einigen Episoden, die besonders lebhaft und
zumeist auch in Dialogform dargestellt werden, wie z.B. Dialoge zwischen Sueß und seinem ersten
Lehrer (Thurgar) in Prag, weiters zwischen Sueß´ späterem Schwiegervater Dr. Franz Strauß und
dessen Patienten, dem Lyriker Johann Mayrhofer, oder beispielsweise einigen Gesprächen, die Sueß

während seiner Untersuchungshaft 1848 führte bzw. auch selbst in seiner Autobiographie wiedergab.
Sollten der Leserin bzw. dem Leser der übersetzten Sueß-Biographie von Vladimir Obručev demnach
beinahe wörtliche Parallelen zu Sueß´ Erinnerungen auffallen, so sei dies hiermit vorweggenommen.
In der deutschen Übersetzung von Obručevs Sueß-Biographie aus dem Russischen wurde allerdings

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bewusst darauf geachtet, nicht ebenfalls Sueß´ Erinnerungen als Vorlage bzw. „Übersetzungshilfe“ zu
Rate zu ziehen. Dadurch würden die Ergebnisse der Übersetzung möglicherweise verfälscht bzw. zum
Teil sogar willkürlich verändert, indem man Obručevs Text wieder stärker an das „Original“
annäherte. Die Bemühung bestand vielmehr darin, nach Möglichkeit Obručevs Stil beizubehalten und
durchaus auch wortgetreu wiederzugeben.
Während nicht alle der originalen Bilder Vladimir Obručevs Sueß-Biographie zum Druck der
deutschen Publikation verwendet werden konnten, ist es der Arbeitsgruppe andererseits gelungen,
einige andere, z. T. noch unveröffentlichte Illustrationen zu Sueß´ Wirkungs- und Lebensbereich
zusätzlich einzufügen.
In die der Übersetzung angefügten Fußnoten wurden vereinzelt Verweise auf weiterführende Literatur
bzw. Nachschlage- und Nachrecherchemöglichkeiten, sowie biographische Angaben zu einzelnen
Personen aufgenommen. Diese erheben allerdings nicht den Anspruch auf Vollständigkeit und
Qualität, sondern verstehen sich lediglich als erste Anreize für ein eigenständiges Weiterforschen.
Übersetzungsproblematiken: Transkription und Begriffswahl
In dieser Übersetzungsarbeit wurde grundsätzlich versucht, so nahe wie möglich am originalen Text
zu bleiben, d.h. mitunter wurde die wörtliche Übertragung aus dem Russischen ins Deutsche
gegenüber einer „verschönerten“ (Stichwort „Belle infidel“) bevorzugt.
Übersetzungen aus dem Russischen weisen stets gewisse Problematiken auf, die sich auf Grund des
unterschiedlichen Alphabets ergeben. Gewisse Zeichen, die im russischen (kyrillischen) Alphabet
vorhanden sind, existieren im lateinischen nicht, weshalb zumeist diakritische und einige andere

Zeichen (s. u.) für die in unserem Alphabet fehlenden eingesetzt werden. Gegenwärtig gibt es
verschiedene Ersatz-Zeichen-Systeme für die Übertragung russischer Texte ins lateinische Alphabet,
die allgemein anerkannt sind.
Eine weitere Komponente bei der Übertragung vom russischen ins lateinische Alphabet bildet die sehr
wesentliche Unterscheidung zwischen Transliteration und Transkription.
Bei der „Transliteration“ als schriftbasierte buchstabengetreue, bei Bedarf wieder umkehrbare
Übertragung eines Wortes bzw. eines Namens aus der Quellenschrift (z. B. kyrillisch) in das Alphabet
der Zielsprache (z.B. ins Deutsche), werden besonders häufig diakritische Zeichen verwendet, um
möglichst nahe an den Zeichen des originalen Textes zu bleiben. Zweck dessen ist, vor allem den
Fachleuten die genaue Schreibweise des Wortes im Alphabet bzw. der Schrift der Zielsprache
wiederzugeben, um ihnen die Suche und Weiterforschung z.B. nach Erwähnungen oder Texten der
genannten Namen in der Fremdsprache zu erleichtern.
„Transkription“ steht für eine aussprachebasierte Darstellung von Zeichen der zu übertragenden
Sprache in die andere mit Hilfe einer phonetisch definierten Lautschrift oder eines anderen
Basisalphabetes als Lautschriftersatz. Ziel ist es hierbei, den Leser/innen der Zielsprache eine
möglichst richtige Aussprache des Wortes auf einfache Art zu ermöglichen.
Im Falle der russischen Sueß-Biographie ist zu beachten, dass der Text bzw. viele v.a. „internationale“
Namen, die in der Sueß-Bioraphie vorkommen, in zwei Richtungen übertragen worden sind –
zunächst ins kyrillische und danach, mit der Übersetzung ins Deutsche, ins lateinische. Vladimir
Obručev machte dabei mehrheitlich von der Transkription Gebrauch. Um dem deutschsprachigen
Publikum die Lektüre und Nachforschungen zu erleichtern, verwendet die deutsche Übersetzung der
Sueß-Biogrpahie im Fließtext nun die korrekte internationale Schreibweise, vermerkt aber zusätzlich
in den Fußnoten zumeist auch die Transliteration (hauptsächlich basierend auf ISO/R 9:1968) der vom
russischen Biographen gewählten Transkription aus dem lateinischen ins russische Alphabet.
Einige Beispiele der Transliterationsvarianten, die in der deutschsprachigen Sueß-Biographie zur
Anwendung oder Erwähnung kommen:
Konsonanten
ж ч џ ш щ Х
ž č c š š´ H
zh ch tz sh sh´ ch


Vokale
э
йы
ė/e j y
ä/æj y

19

ь
´
j

я Ю
ja Ju
ja ju


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Weitere Problematiken des Textes:
Notwendig ist es im Zuge dieser Publikation selbstverständlich auch festzuhalten, dass in der in
Russland veröffentlichten Sueß-Biographie nicht wenige Fehler und Missverständnisse auftreten, die
für die Übersetzung ins Deutsche bzw. für die hiesige Wissenschaft nicht unbedeutend sind und daher
nicht ungenannt bleiben sollten.
a) Technisch
Häufig handelt es sich bei diesen Problematiken zunächst offenbar um Setzfehler, bzw.
Verständnisfehler des Setzers. Entweder hatte der Setzer des Moskauer Verlages bzw. der Druckerei („Žurnal´no-gazetnoe obyedinenie Moskva“, d. h. „Zeitschriften- und Zeitungsbund Moskau“) nur ein
händisch verfasstes Manuskript zur Vorlage, oder eine z.T. unleserliche, auf Schreibmaschine getippte
Version. Auch von Schlampigkeit des Schriftsetzers könnten manche Fehler herrühren. Zudem war

der ihm zur Verfügung stehende Buchstabensatz offenbar nicht vollständig, oder wurde zumindest
uneinheitlich verwendet. Sichtbar ist dies beispielsweise beim so genannten „tverdyj znak“ (Ru:
„твердый знак“) , d.h. beim „harten Zeichen“: Dieses wird auf der ersten Seite, die das Buch vor der
Eingliederung in ihren Bestand vom Buchbinder binden ließ) mit dem korrekten Zeichen „ъ“ an- bzw.
wiedergegeben, schon auf den nachfolgenden Seiten der Vorsatzblätter bzw. in den bibliographischen
Angaben, sowie im gesamten Textverlauf allerdings stattdessen mit Apostroph.
Ein „Fremdzeichen“, d.h. möglicherweise ein aus einem anderen Schriftsatz stammender Buchstabe
wird zudem im ersten Teil des Kapitels „Die Reise nach Norwegen. Der Kampf mit den Klerikalen“
verwendet: Bei der Erwähnung der Stadt Tromsø („Тромсё“, 2x auf Seite 141) ist der letzte Buchstabe
„ё“ jeweils ein klein wenig abgehoben, d.h. oberhalb des Zeilenniveaus (dies zeigt die Entlehnung aus
einem fremden Schriftsatz an, wobei das Zeichen selbst in der russischen Schrift, hier Druckschrift,
zwar theoretisch existiert, tatsächlich aber nur in Ausnahmefällen eingesetzt wurde (und wird).
Seltsam muten zudem einige Beispiele falscher Buchstabenverwendung in einigen Fällen an, allen
voran der Familienname von Sueß´ Vorfahren Zdekauer (Ru: Здекауер). Dieser steht in der
gedruckten Version der Sueß-Biographie von Vladimir Obruchchev beispielsweise stets als
„Ėdekauer“ / „Ädekauer“ (Ru: „Эдекауер“). Die Buchstaben З und Э sehen sich unbestreitbar
ähnlich, doch wurden beide Zeichen auch an anderen Stellen verwendet und dort nicht verwechselt.
Fraglich ist daher, ob der Setzer den sich beständig wiederholenden Fehler selbst „initiiert“ hat, oder
ob etwa schon die Vorlage nicht eindeutig oder gar falsch war. Dasselbe Phänomen zeigt sich auch im
Falle des Namen Paul Maria Partschs (Ru: Партш), der an einigen Stellen auftritt. Obručev scheint
den Namen falsch ins Russische transkribiert zu haben – in der Druckversion seines Textes steht:
„Парти“ (lat.: „Parti“), was an und für sich bei der Abschrift oder dem Setzvorgang weniger leicht
verwechselbar ist als das zuvor erwähnte Beispiel.
Allgemein lässt sich bemerken, dass der Wissenschafter Vladimir Obručev in seinem Text einen für
seine Kreise damals sprachlich angemessenen Stil verwendet, der allerdings bei der Übersetzung ins
Deutsche „Einbußen“ hinnehmen muss – der in Russland damals übliche, durchaus wissenschaftliche,
aber auch populärwissenschaftliche Satzbau ist zum Großteil sehr komplex und durch häufige und oft
sehr lange Nebensatzkonstruktionen für die deutsche Überlieferung bis zu einem gewissen Maße
ungeeignet.
b) Inhaltlich

An einigen Stellen haben sich in Obručevs Text u. a. inhaltliche Fehler eingeschlichen. Gemeint sind
hierbei nicht Ansichten, die sich im Laufe der Zeit geändert haben und die wir heutzutage als falsch
erkennen, sondern vielmehr offensichtliche Recherchemängel. Am auffälligsten sind inkorrekte
Zahlen, vor allem Jahreszahlen. So liest man auf Seite 12 bei Obručev beispielsweise, dass Sueß 1887
wirkliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften geworden sei. Tatsächlich war dies aber schon
1867 passiert.
Im dazu passenden Kapitel „Mitglied der Akademie der Wissenschaften und Schulinspektor“ findet
sich u. a. die folgende historische „Unvollständigkeit“:
Im Winter 1868-69 hatte Sueß viel zu erledigen, was ihn von der
wissenschaftlichen Arbeit ablenkte. Auf Befehl des Kaisers hatte man 1867 in

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Wien damit begonnen, die Wälle abzureißen, Gräben auszuheben und die Glacis
der früheren Befestigungsanlagen zu bebauen. (Obručev, Sjuss S. 88-89)
Auf den ersten Blick scheint Obručev hier ein zeitlicher Fehler unterlaufen zu sein: Der Entschluss
zum Abtragen der Befestigungsanlagen und Glacis von Wien war bereits am 20.12.1857 von Kaiser
Franz Joseph I. verlautbart und die Ringstraße, von der hier die Rede ist, am 01.05.1865 eröffnet
worden. Einzig ein Abschnitt ab dem „heutigen Parlamentsgebäude bis zur verlängerten Alserstraße“,
wie Sueß in den Erinnerungen beschreibt, war zunächst noch nicht umgewidmet worden, sondern dort
„erstreckte sich eine Heide, der Paradeplatz. Am 17. August 1868 gab der Kaiser seine Zustimmung
zur Verbauung des Paradeplatzes“ (Sueß, Erinnerungen S. 182). Aus dem elektronischen ViennaIndex im Internet heißt es dazu:
Ringstraße (volkstüml. "Ring"), Wr. Prunkstraße rund um die Innere Stadt (an 3 Seiten,
im NO ergänzt durch den Kai am Donaukanal). Aufgrund der Entschließung von Ks.
Franz Joseph I. vom 20. 12. 1857 anstelle der alten Befestigungs- und
Verteidigungsanlagen (Basteien und Glacis) im Zuge der Stadterweiterung erbaut. In
einer internat. Konkurrenz siegten 1858 die 3 Projekte von L. C. F. Förster, A. Sicard v.

Sicardsburg, E. van der Nüll und F. Stache. Die in ihrer großzügigen städtebaul.
Konzeption einmalige R. ist 6,5 km lang, 57 m breit, hat 2 Alleen und wurde am 1. 5.
1865 eröffnet. (Aus: 17.11.06.)
Hinzuzufügen ist, dass Obručev seine Fehlinformation nicht aus Sueß´ Autobiographie hat – dort ist
das richtige Datum, sogar konkreter, der „20. Dezember 1857“ angegeben (Sueß, Erinnerungen S.
181). Auf Grund des Aufbaus der russischen Sueß-Biographie lässt sich aber dennoch annehmen, dass
es sich dabei einfach um einen Abschreib- oder Übertragungsfehler gehandelt haben könnte. An
anderen Stellen ist dies mitunter nicht der Fall, weshalb diese gewöhnlich in den Fußnoten
kommentiert werden (s. z.B. jene Daten, die Sueß für seine politische Tätigkeit in verschiedenen
Gremien zugeschrieben werden, die Verwechslung der Zahlen rund um die Türkenbelagerung etc. – s.
Haupttext).
Offenbar falsch verstandene und aus der auf die österreichischen Verhältnisse bezogenen
Autobiographie Sueß´ falsch ins Russische übertragene Begriffe oder Zusammenhänge zählen
ebenfalls zur Kategorie der Übertragungs- oder Verständnisfehler. So zum Beispiel, dass Sueß von
Obručev im Vorwort als Monarchist bezeichnet wird (s. Obručev, Sjuss S. 14). Diese Interpretation
widerspricht Sueß´ politischem Bild bzw. seinen Idealen und wird daher in einer Fußnote zum Text
kommentiert. Ein anders Mal nennt der russische Biograph in einer Aufzählung der politischen
Nationalitäten, die im 19. Jahrhundert der Österreichisch-Ungarischen Monarchie angehörten, mit
zwei verschiedenen Begriffen die Kroaten (einmal mit dem slawischen Wort „kroaty“ und ein zweites
Mal mit dem ungarischen „horvaty“). Dies deutet auf einen Verständnis- oder Verwechslungsfehler
hin. Ebenso verhält es sich möglicherweise mit dem folgenden aus Obručevs Sueß-Biographie
zitierten Satz:
In der Funktion eines langjährigen Mitglieds des österreichischen Landtags und danach
(1873) als Mitglied des österreichischen Reichsrats (des Parlaments) trat Sueß als
Vertreter der bürgerlich-liberalen Partei scharf gegen die Linksparteien auf und erkannte
die Rechte und das Streben nach Unabhängigkeit des politischen Lebens der einzelnen
Nationen, die sich zur selben Zeit in der Österreich-Ungarischen Regierung befanden,
nicht an. (Obručev, Sjuss S. 14)
Hier kommt es zu einigen Begriffsdifferenzen: zum einen steht in Obručevs Text „österreichischer“
Landtag statt, wie es korrekt wäre, niederösterreichischer. Dies legt die Vermutung nahe, dass der

Autor an eine Zentralgewalt dachte, was das politische System Russlands zu seiner Zeit
kennzeichnete. Denkbar ist allerdings auch hier ein Verständnisfehler. Zugleich setzt Obručev das
Wort „Reichsrat“ und daneben in Klammer gleich die entsprechende Erklärung. Dies ist allerdings
nicht überall im Text der Fall. Auf den Begriff „Parlament“ und andere politische
Institutionsbezeichnungen stößt man in Obručevs Biographie häufig. Immer wieder kommt es dabei
aber zu Abweichungen vom deutschsprachigen bzw. in Österreich (damals und heute) angewendeten

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Gebrauch. Alleine die verschiedenen Regierungsgremien erhalten so oftmals eine eigene, mit
sowjetischen Institutionen konform gehende Bezeichnung, was beispielsweise bei Worten wie
Stadtrat, Stadtparlament versus Gemeinderat, Kommune, Reichsrat, etc. sichtbar wird. Kommentare
dazu finden sich in dieser Übersetzung der russischen Sueß-Biographie in den Fußnoten.
Politisch-ideologisch gefärbte Aussagen, die Obručev in der Sueß-Biographie zeitweilig tätigt, müssen
wohl zum Teil als Interpretationsvarianten Obručevs und zum Teil als Rechtfertigungsversuche bzw.
Zensurbesänftigung angesehen werden (siehe dazu nochmals Fußnote 1 in dieser Einleitung). Ein
Beispiel dafür bietet bereits die Einführung in Obručevs Publikation:
Besonders großartige Erfolge der praktischen Anwendung der Geologie sehen wir in der
Sowjetunion, wo Privatbesitz auf der Erde und ihrem Inneren abgeschafft worden ist, wo
die freie Entwicklung der Wissenschaft in jeglicher Weise gefördert wird. Geologische
Untersuchungen, welche breit angelegt in allen Gebieten der Union an staatlichen
Ressourcen durchgeführt werden, ohne Rücksicht auf die Grenzen von privatem Besitz
und die Interessen ihrer Eigentümer, ergaben bereits außerordentliche Resultate. Es
wurden unzählige und vielfältig nutzvolle Mineral-Abbaugebiete eröffnet, beginnend bei
seltenen Elementen und endend bei unscheinbarem Lehm, Sand und Geröll,
unentbehrlich für den sozialistischen Apparat. Mit der Öffnung neuer und dank der
gründlicheren Erforschung von früher bereits bekannten Abbaugebieten, füllten sich die

Vorräte an Eisen, Kupfer, Zink, Eisen, Kohle, Öl und so weiter um vieles mehr. Im Zuge
der Errichtung gigantischer hydraulischer Werke, neuer Bahnverbindungen, der
Untergrundbahn, im Zuge des Baus der unterirdischen Kanäle, des Aufbaus der
Wasserversorgung, der Kaptage von Mineralquellen u.s.w., erfuhr die Geologie breite
und ausgiebige Anwendung. (Obručev, Sjuss, S. 10)
Allgemein beherrschte der Autor sichtlich den ideologisch vorgegebenen Diskurs, weshalb er auch vor
allem zu Beginn seiner Arbeit einige Male aus dem „kommunistischen Grundlagenbuch“, den
Gesammelten Werken (ru: Sobranie Sočinenia) von Marx und Engels zitiert.
Abgesehen davon hat Herr Sengör einige geologische Irrtümer und Fehlinterpretationen in seiner
Einführung bereits erläutert. Ein Teil davon ist in der ins Deutsche übertragenen Sueß-Biographie in
den Fußnoten kommentiert.
Mögliche Fehlerquellen
Woher die Fehler in Obručevs Sueß-Biographie allgemein stammen, lässt sich nur vermuten. Abseits
der Erinnerungen, die Obručev sichtlich zur Verfügung standen (er folgte, wie berichtet, ohne
Abweichung im Aufbau und absatzweise wörtlich), ist anzunehmen, dass der russische Biograph auch
die zahlreichen Briefe aus seiner Korrespondenz mit Sueß zu Rate zog.
Auch auf Inhalte aus Gesprächen, welche die beiden großen Geologen laut Vladimir Obručev
persönlich in Wien zwischen 1898 und 1899 miteinander führten, und nicht zuletzt darauf, wie er
selbst und viele andere von Sueß´ Zeitgenossen diesen als Menschen und Wissenschafter erlebten (s.
v. a. Kapitel „Familie und Alltag. Sueß in den Augen der Zeitgenossen. Krankheit und Tod“), konnte
der russische Biograph laut eigenen Angaben zurückgreifen. Zu jener Zeit, als die russische
Biographie über Eduard Sueß entstand, verzeichneten ihn einige Enzyklopädien zudem bereits als
geologischen Wissenschafter von Rang und Namen.37 So könnten manche Unstimmigkeiten auch von
unterschiedlichen Angaben dort herrühren. Zumindest ein paar wenige der zuletzt beschriebenen
Fehler könnten allerdings möglicherweise wiederum auf das Konto des Setzers gehen.
Es mutet insgesamt wohl ein wenig seltsam an, dass der Text der mit wissenschaftlichem Anspruch
ausgewiesenen, wenn auch populär-wissenschaftlichen Biographie, offenbar nicht detailliert
37

Auch auf andere Unterstützer oder Wegbereiter von Sueß´s Werk in Russland konnte Obruchev offenbar

zurückgreifen. Siehe dazu beispielsweise das Abstract von Iraida Starodubtseva (Moskau), gehalten am 6.
Wissenschaftshistorischen Symposium „Geschichte der Erdwissenschaften in Österreich zum Thema Eduard
Sueß in der Geologischen Bundesanstalt Wien, 1. – 3. Dezember 2006, unter dem Titel „Aleksei Petrovich
Pavlov (1854–1929) – the propagator of Sueß’ ideas in Russia”. Abstract in: Berichte der Geologischen
Bundesanstalt, Bd. 69, Wien 2006, sowie in Berichte des Instituts für Erdwissenschaften , K.-F.-Universität
Graz, Bd. 12, Graz 2006.

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nachkorrigiert wurde. Doch diente all dies der Präsentation von Sueß und dessen wissenschaftlicher
und politischer Tätigkeit, die Obručev den russischsprachigen Lesern nahe bringen wollte.
Der russische Sueß-Biograph und sein Anliegen
Über den sehr engagierten russischen Wissenschafter Vladimir Afanassevič Obručev, der an der
Erkundung Sibiriens persönlich teilnahm und dafür Wesentliches geleistet hat, hat Prof. Şengör
bereits berichtet. Obručev hat als Geologe in seiner Heimat für die Wahrnehmung und Rezeption
Eduard Sueß´ viel Positives geleistet. Dies nicht zuletzt dadurch, dass er selbst eine rezipierte und
verehrte Größe in seinem Land war. Gerne möchte ich hier daher noch die Tatsache erwähnen, dass,
laut der „Bol´šaja Sovetskaja Entsiklopedija“, der Großen Sovjetischen Enzyklopädie, nicht nur eine
Bergkette in Tuva (ASSR) nach Obručev benannt worden ist, sondern auch eine Oase in der Antarktis,
ein Mineral und einge weitere Naturerscheinungen. Selbst ein V. A. Obručev-Preis für Verdienste um
die Geologie Sibiriens wurde 1938 auf Grund der Anerkennung für Obručev ins Leben gerufen.
Über direkte Kontakte zwischen Obručev und Sueß lässt sich, wie berichtet, von Wien aus wenig
sagen, da kaum Zeugnisse dazu vor Ort vorhanden zu sein scheinen, bzw. der aktiven, mit dem Thema
befassten Wissenschaft zurzeit nicht zugänglich sind. In der Great Soviet Encyclopedia, einer
Übersetzung der 3. Auflage der „Bol´šaja Sovetskaja Entsiklopedija“, wird aber ein unmittelbarer
Bezug zwischen Sueß und Obručev hergestellt. Dort heißt es unter dem Eintrag zum russischen
Geologen:

He took part in the debate over the existence of E. Suess´ hypothetical „ancient crown
of Asia“.38
(Aus: Great Soviet Encyclopedia. A Translation of the Third Edition, Volume 18. New
York: Macmillan, Inc. 1978, S. 366-367. – Nach: A. M. Prokhorov, Editor in Chief.
Third Edition, volume 18. Moscow: Sovetskaia Entsiklopediia Publishing House,
1974.)
Obručev hatte seit jeher Interesse an Sueß als Mensch und an seinem Werk. Die Publikation der
russischen Sueß-Biographie, Obručevs Vorgehens- und Umgangsweise damit, sein Stil – all dies
diente letztlich der Präsentation von Sueß und dessen wissenschaftlicher und politischer Tätigkeit, die
Obručev den russischsprachigen Lesern nahe bringen wollte.

Abschließend …
Als Übersetzerin und Mitarbeiterin des Teams möchte ich vor allem meinen Kollegen vom Fach, Dr.
Tillfried Cernajsek, Dr. Johannes Seidl, und Dr. A. M. C. Şengör, für die gute Zusammenarbeit
danken, ebenso Herrn Mag. Franz Pfliegl und Herrn Josef Nitsche für diverse sprachliche und
historische Vor- und Ratschläge. Dank gebührt ebenso den Damen vom Departement of the History of
Geology des Vernadsky State Geological Museums (Moskau) Frau Elena L. Minina, Irena Malakhova,
Zoya Bessudnova, Iraida Starodubtseva für die Bereitstellung eines fotokopierten Druckexemplars der
Eduard Sueß-Biographie von Vladimir A. Obručev, das als Grundlage der Übersetzung ins Deutsche
diente und allen weiteren hier ungenannten, die mich und das Team während der aufwändigen Arbeit
unterstützten.

Mag. Barbara S. Steininger
Übersetzerin, wissenschaftliche Mitarbeiterin
Wien, September 2008

38

Mit „Ancient crown of Asia“ ist der alte Scheitel Eurasiens gemeint, in der autorisierten englischen Ausgabe
des Antlitz der Erde mit „The Ancient Vertex of Eurasia“ übertragen.


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Eduard Sueß

Obručev, Vladimir und Zotina, M. Eduard Sjuss = Žizn´ zamečatel´nyh ljudej. 1. Aufl. Moskau:
Žurnal´no-gazetnoe obyedinenie Moskva 193739.

INHALTSVERZEICHNIS

Einleitung .............................................................................................................................................. 25
Die Familie Sueß´, seine Kindheit und Jugend ..................................................................................... 32
Studienzeit und die Revolution von 1848 ............................................................................................. 35
Erste Experimente ................................................................................................................................. 46
In den Tagen der Reaktion .................................................................................................................... 50
Das Dachsteingebirge. Gelehrter oder Fabrikant? Die Vermählung. .................................................... 54
Außerordentlicher Professor ohne Gehalt ............................................................................................. 59
Paris und London. Beobachtungen und Treffen .................................................................................... 64
Die Wiener Wasserleitung..................................................................................................................... 69
Reise durch Oberitalien ......................................................................................................................... 69
Der Krieg 1866 und seine Folgen.......................................................................................................... 76
Kampf um die neue Wasserleitung ....................................................................................................... 76
Mitglied der Akademie der Wissenschaften und Schulinspektor .......................................................... 80
Eine schwierige Expertise. Der Suezkanal. ........................................................................................... 84
Arbeiten an der Donauregulierung und der Bau der Wasserleitung. Tätigkeit im Landtag .................. 88
Erforschung des Vesuvs und Erdbeben in Österreich ........................................................................... 91
Die Eröffnung der Wasserleitung. ......................................................................................................... 94

Ehrenbürger Wiens und Reichsratsmitglied .......................................................................................... 94
Sueß im Reichsrat. Die Donauregulierung. Das Buch über die Entstehung der Alpen......................... 98
Der Russisch-Türkische Krieg. Imperialistischer Taumel. Die Reise in die Schweiz .......................... 99
„Der Eiserne Ring“ und die Schulgesetze. „Das Antlitz der Erde“..................................................... 103
Die Reise nach Norwegen. Der Kampf mit den Klerikalen. ............................................................... 108
Die letzten Jahre der politischen Arbeit. Die Tätigkeit des Akademikers [E. Suess als Mitglieder der k.
Akademie der Wissenschaften in Wien]. ............................................................................................ 114
Familie und Alltag. Sueß in den Augen der Zeitgenossen. Krankheit und Tod. ................................. 120
ANHANG............................................................................................................................................ 124
Sueß, der Wissenschafter ................................................................................................................ 124
Anmerkungen ...................................................................................................................................... 158
Geologische Termini: ...................................................................................................................... 158

39

Die Reihe, in der die vorliegende Sueß-Biographie erschien, nennt sich auf Deutsch übertragen „Das Leben
außergewöhnlicher Menschen“. Als herausgebender Verlag fungierte der Zeitschriften- und Zeitungsbund
Moskau.

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Einleitung
Eduard Sueß, Präsident der österreichischen Akademie der Wissenschaften und Professor an der
Universität Wien, war einer der bedeutendsten Wissenschafter des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts
und der ersten Jahre des 20. Jahrhunderts. Sueß war ein geschätztes Mitglied fast aller Akademien des
Erdballs, Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften und Autor des mehrbändigen Werkes
Das Antlitz der Erde, zu dem es keine Entsprechung in der Literatur über unseren Planeten gab und

gibt40. Dank dieses Werkes konnte er nicht nur bei allen Geologen Europas, sondern auch bei
Geologen aus anderen Teilen der Welt Ansehen erlangen, so dass es vom Deutschen auch ins
Französische, Englische und Italienische übertragen wurde41.
Um die Grundzüge des Antlitzes der Erde42 verständlich zu machen und zu konstatieren, arbeitete
Sueß alles Wesentliche und Existente der Weltliteratur aus dem Bereich der Geologie durch. Aus
seiner Korrespondenz mit zahlreichen Gelehrten verschiedener Länder schöpfte er Kenntnisse über die
Resultate der neuen Forschungen, wobei er sich besonders für Asien, Afrika und Australien als die am
wenigsten untersuchten Kontinente interessierte. Er kannte das Antlitz der Erde nicht nur in seinem
gegenwärtigen Zustand, sondern zeichnete auch dessen Entwicklung seit den Urzeiten nach. Mit
meisterhaften Analysen die Falten dieses Antlitzes zergliedernd, die alten und jungen Gebirgsländer
und Hochebenen studierend, welche durch mehr oder weniger Millionen von Jahren geglättet und
oftmals durch viel spätere Überlagerungen verdeckt worden waren, erklärte Sueß die Gesetzmäßigkeit
und das Prozedere der Bildung heute existierender und urzeitlicher Gebirgsketten und erstellte durch
die Schlussfolgerungen, die er gleichzeitig aus den Formungen aller Festlandmassen zog, in einer
glänzenden Synthese die Geschichte der einzelnen Epochen der Entstehung der Erde. Durch seine
bildhafte Ausdrucksweise brachte er die Leser dazu, auf unseren Planeten zu blicken und seiner
Rotation aus großer Höhe zu folgen, oder ihn in Form eines Globus in die Hand zu nehmen, um,
zwischen den Fingern drehend, seine Anatomie und seine Linien zu studieren, nachdem er die Luftund die Wasserhülle, die das Beobachten behindern, entfernt hatte.
Vor hundert Jahren hatte das Buch Principles of Geology des bedeutenden Engländers [Charles]
Lyell43 die Begründung der Methodologie einer modernen geologischen Wissenschaft festgelegt,
welche in der durch ihn vorgezeigten Richtung auch bis zu Sueß weiter wuchs. Lyell wies nach, dass
es für das Verstehen der Vergangenheit unserer Erde unerlässlich sei, die heutigen geologischen
40

Diese Einschätzung ist heute, 70 Jahre nach der ersten Publikation der russischen Sueß-Biographie, immer
noch gültig (- Anm. C.Ş.).
41
Nur der erste Band wurde ins Italienische übersetzt.
42
Sueß nannte sein Hauptwerk Das Antlitz der Erde. Obručev bleibt in seiner Sueß-Biographie auch im Fließtext

oftmals bei dieser Bezeichnung. Gemeint ist gewöhnlich das Äußere bzw. das Aussehen und die Struktur der
Erde bzw. der Erdoberfläche.
43
Lyell war eigentlich Schotte (- Anm. C.Ş.). Obručev nennt Lyell in seiner Sueß-Biographie hier zum ersten
Mal: Obručev, V. und Zotina, M.. Eduard Sjuss. In: Žizn´ zamečatel´nyh ljudej. 1. Aufl. Moskau: Žurnal´nogazetnoe obyedinenie Moskva 1937, S. 8. Zu näheren Angaben über Lyell siehe biographischer Anhang
Obručev, Sjuss S. 227. Lyells dreibändiges Hauptwerk erschien 1830-1833 auf Englisch in drei Bänden unter
dem Titel Principles of Geology. Bis 1875 erlebte dieses grundlegende Buch zwölf Auflagen.

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