NATIONALUNIVERSITÄT HANOI
FREMDSPRACHENHOCHSCHULE
FAKULTÄT POST-GRADUIERTE
NGUYỄN THÙY LINH
GEBRAUCH DER ERWEITERTEN NOMINALPHRASEN IN
GESPROCHENER UND GESCHRIEBENER
WISSENSCHAFTSSPRACHE
CÁCH SỬ DỤNG CỦA NGỮ DANH TỪ MỞ RỘNG TRONG NGƠN
NGỮ KHOA HỌC NĨI VÀ NGƠN NGỮ KHOA HỌC VIẾT
Masterarbeit
Fachbereich: Gemanistik
Studiengangsnummer: 8220205,01
Hanoi – 2018
NATIONALUNIVERSITÄT HANOI
FREMDSPRACHENHOCHSCHULE
FAKULTÄT POST-GRADUIERTE
NGUYỄN THÙY LINH
GEBRAUCH DER ERWEITERTEN NOMINALPHRASEN IN
GESPROCHENER UND GESCHRIEBENER
WISSENSCHAFTSSPRACHE
CÁCH SỬ DỤNG CỦA NGỮ DANH TỪ MỞ RỘNG TRONG NGƠN
NGỮ KHOA HỌC NĨI VÀ NGƠN NGỮ KHOA HỌC VIẾT
Masterarbeit
Fachbereich: Gemanistik
Studiengangsnummer: 8220205,01
Betreuerin: Dr. Đặng Thị Thu Hiền
Hanoi – 2018
Erklärung
Hiermit erkläre ich an Eides statt, dass ich vorliegende Diplomarbeit
selbstständig angefertigt und keine andere Literatur als die angegebenen
benutzt
habe.
Alle
Stellen,
die
wưrtlich
oder
sinngemäß
aus
Verưffentlichungen oder anderen Quellen entnommen sind, sind als solche
kenntlich gemacht.
......................................
Ort, Datum
..........................................
Unterschrift
Danksagung
An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei allen bedanken, die mich bei
der Anfertigung dieser Arbeit in den vergangenen Monaten mit Rat und Tat
unterstützt haben.
Meiner Gutachterin, Dr. Dang, Thi Thu Hien, danke ich für ihre vielfältigen
thematischen Anregungen und für die wissenschaftliche Unterstützung
Auch Dr. Le TuyetNga, Dr. Le HoaiAn sei für ihre konstruktiven Vorschläge
gedankt.
Dr. Fandrych und den KollegInnen am Herder-Institut (Universität Leipzig)
danke ich für die wertvolle Unterstützung während meines wissenschaftlichen
Aufenthalts in Deutschland.
Meinen FreundInnen und KollegInnen danke ich herzlich für die Hilfe bei der
Materialienrecherche, das kritische Korrekturlesen der Arbeit und ihren
konstruktiven Vorschläge.
Mein ganz besonderer Dank gilt abschließend meinen Eltern, die mir stets
helfend zur Seite standen.
Überblick
Die vorliegende Arbeit versteht sich als eine Untersuchung des Gebrauchs der
erweiterten
Nominalphrase
in
gesprochener
und
geschriebener
Wissenschaftssprache. Um der Forschungsfrage in der vorliegenden Arbeit
nachzugehen,
bedient
sich
die
Arbeit
der
korpuslinguistischen
Forschungsmethode.
Die Theorie beruht auf die wissenschaftlicher Erklärung Heringersvon
Nominalphrasen unter dem Aspekt der Verständlichkeit (2001), nebenbei
auch
auf
dem
theoretischen
Konzept
Webers
des
erweiterten
Partizipialattributs(1971), das sehr eng mit erweiterten Nominalphrase
verbunden ist. Mündliche und schriftliche Wissenschaftsprache mit ihren
spezifischen Merkmalen sind dabei ein wichtiges Thema in meiner Arbeit.
Nach den betrachteten theoretischen Teilen wird es dann beabsichtigt, anhand
der Korpora die Parameter hinsichtlich der erweiterten Nominalphrase in
beiden gesprochenen und geschriebenen Medienzu untersuchen.
Inhaltverzeichnis
Überblick
Abkürzungen
Abbildungen / Tabellen
I. Einleitung ................................................................................................... 1
1.Forschungsgegenstand und Forschungsstand ............................................ 1
2.Problemstellung und Zielsetzung.............................................................. 1
3.Methodisches Vorgehen, Aufbau und Datengrundlage der Arbeit ............ 2
II.Theoretische Grundlagen zur Untersuchung der Nominalphrase ................. 5
1.Nominalphrase ......................................................................................... 5
1.1.Struktur der Nominalphrase ................................................................... 5
1.2.Struktur von erweitertenNominalphrasen: ............................................. 7
1.2.1.Linkserweiterung ............................................................................. 7
1.2.2.Rechtserweiterungen ..................................................................... 12
1.2.2.1. Nominale Attribute .................................................................... 12
1.2.2.1.1.Genitiv-Attribute .................................................................. 12
1.2.2.1.2.Präpositionalattribute ............................................................ 14
1.2.2.2.Relativsatz .................................................................................. 20
2.Erweiterte Partizipialattribute ................................................................. 21
2.1.Zum Begriff„Attribut“ und zur Funktion von erweiterten Attributen 22
2.2.Was ist ein erweitertes Partizipialattribut? ........................................ 26
2.3.Erweiterungen .................................................................................. 27
2.3.1.Akkusativische Erweiterungen ...................................................... 28
2.3.1.1.Dativische Erweiterungen ........................................................ 28
2.3.2.Präpositionale Erweiterungen ........................................................ 29
2.3.3.Adverbiale Erweiterungen ............................................................. 29
2.4.Die komplexen Strukturen des erweiterten PA ................................. 32
2.4.1.Koordination der erweiterten PA ................................................ 32
2.4.2.Koordination der Erweiterungen ................................................ 34
2.4.3.Mehrgliederige Erweiterungen ................................................... 35
2.4.4.Attribute der Erweiterngen ......................................................... 36
2.4.5.Verschachtelung von erweiterten PA .......................................... 37
3.Nominalstil in der Wissenschaftssprache................................................ 40
3.1.“Ökonomie als ein Gebot der Wissenschaftssprache” ....................... 41
3.2.Erweiterte Nominalphrase als Merkmal der Wissenschaftssprache... 43
3.3.Mündliche
und
schriftliche
Wissenschaftsprache
mit
ihren
spezifischen Merkmalen ......................................................................... 44
III.Empirische Untersuchung........................................................................ 46
1.Methodisches Vorgehen ......................................................................... 46
2. Ergebnisse ............................................................................................. 53
2.1. Häufigkeit und Umfang der erweiterten NP..................................... 53
2.2. Umfang der Erweitungen pro erweiterten Nominalgruppe .............. 55
2.3. Attributhierarchie ............................................................................ 57
2.4. Anzahl der erweiterten Partizipialattribute und der Relatisätze ........ 62
2.5. Die strukturelle Komplexität von erw.PA in gesprochenen
wissenschaftlichen Texten ...................................................................... 66
3. Zusammenfassung ................................................................................. 77
Quellenverzeichnis ..................................................................................... 84
Literaturverzeichnis ................................................................................... 86
Anhang
Abkürzungen
PA
Partizipialattribut
bzw.
beziehungsweise
erw.
erweitert
NP
Nominalphrase
NG
Nominalgruppe
PI
Partizip Präsens
PII
Partizip Präteritum
wiss.
wissenschaftlich
ca.
circa
z.B.
zum Beispiel
Abbildung / Tabelle
Seite
Tabelle 1. relative Häufigkeit der erweiterten Nominalgruppe
in gesprochenen Texten
Tabelle 2. relative Häufigkeit der erweiterten Nominalgruppe
in geschriebenen Texten
Tabelle 3. Umfang
gesprochenen Texten
der
Erweiterungen
pro
NP
in
Tabelle 4. Umfang
geschriebenen Texten
der
Erweiterungen
pro
NP
in
Tabelle 5.Hierarchieverhalten der gesprochenen wiss. Texte
Tabelle 6. Hierarchieverhalten der geschriebenen wiss. Texte
Abbildung 1. Hierarchieverhalten
wiss.Texte und der geschriebenen wiss. Texte
der
gesprochenen
Tabelle 7. relative Häufigkeit der erweiterten PA in
gesprochenen Texten
Tabelle 8. relative Häufigkeit der satzförmigen Attribute in
gesprochenen Texten
Tabelle 9. relative Häufigkeit der erweiterten PA in
geschriebenen Texten
Tabelle 10. relative Häufigkeit der satzförmigen Attribute in
geschriebenen Texten
Abbildung 2. Attributtypen in
den gesprochenen wiss.
Texten und den geschriebenen wiss. Texten
Tabelle 11. Die strukturelle Komplexität des erweiterten PA in
gesprochenen wissenschaftlichen Texten
Tabelle 12. Die strukturelle Komplexität des erweiterten PA
in geschriebenen wissenschaftlichen Texten
Tabelle 13. Zusammenfasung des Gebrauchs des erweiterten
Partizipialattributs im Vergleich
Tabelle 14. Zusammenfassung der Ergebnisse
54
54
56
56
57
58
62
63
64
64
65
65
69
71
76
78
I. Einleitung
1. Forschungsgegenstand und Forschungsstand
Im
Rahmen
meiner
Masterarbeit
Nominalphrasen-Phänomen
in
beschäftige
gesprochener
ich
mich
und
mit
dem
geschriebener
Wissenschaftssprache. Für eine vollständige Beschreibung des Phänomens in
gesprochener und geschriebener Wissenschaftssprache
ist es darum
notwendig, die Gegenstände einzeln, in erweiterten Nominalphrasen in der
Wissenschaftssprache
und
die
mündliche
und
schriftliche
Wissenschaftsprache mit ihren spezifischen Merkmalen ausreichend zu
berücksichtigen.Aber
zuerst
werden
allgemeine
Kenntnisse
der
Nominalphrase und ihre Struktur in dieser Arbeit betrachtet. Eingehende
Überlegungen zur empirischen Erfassung der oberen Forschungsgegenstände
sind nach meinem Kenntnisstand kaum vorhanden. Deswegen stelle ich
einleitend die Untersuchungsgegenstände der vorliegenden Arbeit dar.
2. Problemstellung und Zielsetzung
Dass
der
Nominalstil
ein
grammatisches
Merkmal
der
deutschen
Wissenschaftssprache darstellt, ist in der Forschungsliteratur mehrfach
bestätigt (Eroms 2008, vgl. Czicza/Hennig et al. 2012, Czicza/Hennig 2011).
Es liegen allerdings erst wenige Arbeiten vor, die sich der Untersuchung der
erweiterten
Nominalphrase
in
gesprochener
und
geschriebener
Wissenschaftssprache widmen.
Viele Forschungsarbeiten beschränken sich lediglich auf die Erforschung des
Gebrauchs
der
erweiterten
Nominalphrase
in
geschriebenen
Wissenschaftstexten. Eine eingehende Untersuchung des Gebrauchs der
1
erweiterten Nominalphrase in gesprochenen Wissenschaftstexten ist jedoch
als ein klares Forschungsdesiderat anzusehen.
Gesprochene Wissenschaftssprache und geschriebene Wissenschaftssprache
besitzen unterschiedliche kommunikative Bedingungen und insofern sind
syntaktische
Strukturen gesprochener Äußerungen
und geschriebener
Äußerungen unterschiedlich (Koch/ Oesterreicher 1985). Es stellt sich
infolgedessen die Frage, ob und inwiefern es Unterschiede im Gebrauch von
erweiterten Nominalphrasen zwischen gesprochenen und geschriebenen
wissenschaftlichen Texten gibt.
Für eine vollständige Antwort auf diese Frage ist es daher notwendig,
konkrete Untersuchungsparameter für den Vergleich der Verwendung dieser
Konstruktion
in
den
gesprochenen
und
geschriebenen
Texten
herauszuarbeiten. Auf solche Untersuchungsparameter und die damit
verbundenen Fragen und Desiderate werde ich während meiner Ausführungen
hinweisen.
3. Methodisches Vorgehen, Aufbau und Datengrundlage der Arbeit
Die Arbeit gliedert sich in drei Kapitel. Im Kapitel I/Einleitung werden der
Forschungsgegenstand,
der
Forschungsstand,die
Problemstellung,
die
Zielsetzung, das methodische Vorgehen, der Aufbau und die Datengrundlage
der Arbeit vorgestellt.
Kapitel II stellt die theoretischen Grundlagen der Arbeit dar. Den
theoretischen Ausgang für methodische Überlegungen zur Erarbeitung der
Fragen, die mit den genannten Zielen verbunden sind, bietet Heringers
Theorie von Nominalphrasen unter dem Aspekt der Verständlichkeit (2001).
Die Darstellung der Theorie erfolgt im ersten Teil des Kapitels. In diesem
Teil geht es grundsätzlich um die Definition, Funktion von Nominalphrasen
2
und die Struktur von erweiterten Nominalphrasen. Weiterhin kommen die
Beschreibungen des komplexen Partizipialattributs in deutschen Grammatiken
im Teil 2 vor. Es handelt sich hierbei um die theoretischen Konzepte in Bezug
auf erweiterte Partizipialattribute. Hierzu ist ein theoretisches Konzept
erforderlich,
das
die
komplexen
Strukturen
des
erweiterten
Partizipialattributsbeinhaltet. Dieser Teil stützt sich hauptsächlich auf die
Arbeit Webers (1971). Im dritten Teil dieses Kapitels wird der Nominalstil in
der Wissenschaftssprache im Hinblick auf erweiterte Nominalphrasen
untersucht. Dieser Teil beschäftigt sich zuerst
mit den kleineren
Teilen:„Ökonomie als ein Gebot der Wissenschaftssprache“
(Teil 1) gefolgt von „Erweiterte Nominalphrase als Merkmal der
Wissenschaftssprache“ (Teil 2). Da der Gegendstand der vorliegenden Arbeit
den Gebrauch von Nominalphrasen in gesprochenen und geschriebenen
wissenschaftlichen Texten ist, wird anschließend die Darstellung mündlicher
und schriftlicher Wissenschaftsprache mit ihren spezifischen Merkmalen im
letzten Teilvorgenommen (Teil 3).
Die empirische Untersuchung erfolgt in Kapitel III. Es beginnt mit
Überlegungen zum methodischen Vorgehen bei der Erfassung grammatischer
Struktur
der
Partizipialattribute
erweiterten
(Teil
1).
Nominalphrase
Wie
noch
und
gezeigt
der
wird,
erweiterten
werden
die
Analyseparameter herausgearbeitet (Teil 2). Dabei werden Überlegungen zur
Anwendung der fesgelegten Parameter zur Ermittlung von erweiterten
Nominalphrasen und von erweiterten Partizipialattributen durchgeführt. Zur
einer
vollständigen
Erfassung
der
Verwendung
der
erweiterten
Nominalphrase, stelle ich gesprochene und geschriebene Korpora her und
berücksichtige diese anschließend in der empirischen Untersuchung. Die
3
Forschungsanalyse von Korpusdaten basiert auf die Theorie im Kapitel II und
die ausgearbeitete Zählweise der erweiterten Nominalphrase und des
erweiterten Partizipialattributs im ersten Teil dieses Kapitels. Der Korpus
gesprochener wissenschaftlicher Texte und der Korpus geschriebener
wissenschaftlicher Texte werden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Eine
ausführliche Darstellung der beiden Kopora befindet sich in meiner Arbeit im
ersten Teil des dritten Kapitels. Der letzte Teil des Kapitels gibt einen
zusammenfassenden Überblick über die Ergebnisse der Untersuchung. Es
steht außer Frage, dass die oben genannte Gliederung der Arbeit ihrer
Zielsetzung entsprechen soll.
4
II.Theoretische Grundlagen zur Untersuchung der Nominalphrase
Ziel des vorliegenden Kapitels ist es, ein theoretisches Konzept zur
Untersuchung der Nominalphrase zu erarbeiten. Dazu werden aus Webers
Verständnis vom erweiterten Partizipialattribut und dessen komplexen
Strukturen, die als nebenbei komplexe Einbettungen in die Nominalphrase
betrachtet werden, abgeleitet (Teil 2). Da die vorliegende Arbeit die
Komplexität der Nominalphrase
in gesprochener und geschriebener
Wissenschaftssprache untersucht, stellt sich die Frage, wie ein Nominalstil
der Wissensschaftssprache durch erweiterte Nominalphrasen präzisiert
werden kann. Die Behandlung dieser Frage stellt den Gegenstand des dritten
Teils dar.
1.Nominalphrase
Im Duden-Wörterbuch (2009, S.797) weist Nominalphrase auf ein Substantiv,
eine Substantivierung oder ein Pronomen hin. Dieser Terminus wird darüber
hinaus
in
der
Arbeit
Dürscheids
(2010,
S.67)
„Substantiv-
und
Pronominalgruppen“ zusammengefasst, in der Arbeit von Fabricius-Hansens
(2010,S.222)„Determinativphrase“,
in
Studien
Pohls
(2007,
S.405)
„Substantivgruppe (SG)“ oder „nominalen Strukturen“ genannt.
1.1.Struktur der Nominalphrase
Eine einfache Nominalphrase(NP) mit einem Substantiv als Kern 1 hat
folgende schematische Struktur:
1
Außer „Kern” verwendet Eisenberg (1998, S.239) in seiner Arbeit auch den Ausdruck „Kopf“ (nach Pohl
2007, S.405)
5
Artikel.........Substantiv..............
Beispiel:(1) Die notwendige Änderung des Gesetzes.
In der Nominalgruppe befinden sich neben Substantiven auch Pronomen, die
als Kern angesehen werden. Wenn der Kern der NPein Pronomen ist, kann
nur die Rechtserweiterung berücksichtigt werden, weil das Pronomen die
Bedeutung der Qualität (1.Frage) und der Identität (2.Frage) ausdrückt. Der
Bezug auf die erste (1) und zweite (2) Frage, wird im Folgenden erläutert:
Funktion von Linkserweiterung und Rechtserweiterung
Die Hauptfunktion von Nominalphrasen bezieht sich bei Heringer (2001,
S.193) auf Referenzgegenstände der Kommunikation. Um die Beziehung
richtig zu begreifen, gibt eine NP die Antwort auf drei Fragen:
Die erste Frage bezieht sich auf die Qualität. Von welcher Art ist der
Gegenstandund welche Eigenschaften hat er?
Die zweite Frage ist hinsichtlich der Identität:
Welcher Gegenstand der jeweiligen Art ist gemeint?
Schließlich bezieht sich die dritte Frage auf die Quantität:
Wie viel Gegenstände der jeweiligen Art sind gemeint?
Die Linkserweiterung stellt den Übergangsbereich von der Identität über die
Quantität zur Qualität her. Die Rechtserweiterung vermittelt weitere
Qualitäten. Zusätzliche Aussagen können dem Satz hinzugefügt werden,
wobei die Nominalstruktur als eine Gestalt der komprimierten Nominalphrase
betrachtet wird, die im Teil 1.2. genau dargestellt wird.
6
1.2.Struktur von erweitertenNominalphrasen:
1.2.1.Linkserweiterung
Wie in der oben dargestellten Struktur einer NP, kommen zwei Leerbereiche
zwischen dem Artikel und dem Substantiv sowie bei dem nach dem
Substantiv gebildeten Rahmen vor, die Heringer (2001) „Linkserweiterung“
und „Rechtserweiterung“ nennt.
Allgemein wird der linke Bereich einer NPdurch einen relativ großen Besitz
von attributiven
Adjektiven,
von Partizipialattributen,
von weiteren
Substantiven,die über die Erscheinung der Komposition verfügen, und von
Genitivattributen, die normalerweise nur bei Eigennamen besetzt sind:
Adjektiv:(2) Ein ruhiges Zimmer.
Partizipialattribut:(3) Die vergangene Woche.
Substantiv:(4) DasSchönheitsideal.
Genitivattribut: (5) Klaras Haus.
Im Rahmen meiner Arbeit werden insbesondere die Verwendungen der häufig
frequentierten Formen in Betracht gezogen, welche das Adjektivattribut und
das Partizipialattribut sind.
Adjektive, Partizipien und wortgebildete Adjektive werden bei Heringer
(2001, S.195f.) unter dem Begriff „attribute Adjektive“ behandelt. Was für
typische Eigenschaften und Merkmale ein Gegenstand besitzt und auch
Wertungen darüber, wird„attribute Adjektive“ genannt. Weber (1994,
S.140)unterscheidet vier Formen der Linkenserweiterung, nämlich Adjektiv,
Partizip I, Partizip II und Gerundiv/ Gerundivum
Adjektiv: (6) Der informative Vortrag.
Partizip I: (7) Der kommende Urlaub.
Partizip II: (8) Das eingesandte Manuskript.
Gerundivum:(9) Die zu lösende Aufgabe.
7
Als adjektivische Attribute gebrauchte Partizipien und lexikalisierte
Partizipien
Was Partizipien betrifft, unterscheidet Heringer (2001, S.196)zwei grammatische
Möglichkeitenvon Partizipien: Eine Form der als adjektivische Attribute
gebrauchten Partizipien und eine Form von Lexikalisierung, in der Partizipien
zu Adjektiven geworden sind, wie (sehr) bekannt, gewandt, beliebt, verliebt,
verschieden, gesprenkelt usw. Es ist zu beachten, manche Partizipien
verfügen über Zweideutigkeiten, wenn sie auf der einen Seite als Adjektiv
gegründet sind und auf der anderen Seite Partizipialform des entsprechenden
Verbs sind. Sie verhalten sich von der Funktion her sowohl wie ein Adjektiv
als auch wie ein Partizip. Helbig/Buscha (1998, S.588) stellt in diesem Fall
fest, dass die richtige Bedeutung von Partizipien aus dem Sinnzusammenhang
erschloßen werden soll. Nach der Untersuchung und der Auswertung von
einem breit angelegten Korpus Webers (1971, S.213, nach Dang 2004, S.10)
ist der Anteil lexikalisierter Partzipien klein und trägt ca. 12% der durch einen
adjektivischen Kern erweiterten Attribute bei.
Die detailierte Erläuterung der Besonderheiten der lexikalisierten Partizipien
im Sinne von Weber (1971, S.159ff., nach Dang 2004, S.9) wird im
Folgenden beschrieben:
Das Partizip verfügt über eine andere Valenzeigenschaft2 und andere
Bedeutung als das entsprechende Verb.
(9) Eine in vielen Bereichen des Lebens erfahrene Lehrerin.
Die Lehrerin ist in vielen Bereichen des Lebens erfahren.
*Eine Lehrerin erfährt in vielen Bereichen des Lebens.
2
Valenz oder Valenzeingenschaft bezieht sich auf die Fähigkeit von Verben, „um sich herum bestimmte
Stelle zu eröffnen, die in einem Satz durch Satzglieder zu besetzen sind” (Duden 1995, S.650, nach Dang
2004, S.15)
8
(10) Einefür das Studium bedeutende Rolle.
Eine Rolle ist für das Studium bedeutend
*Die Rolle bedeutet für das Studium
Die Erweiterung durch Graduierung oder durch Gradadverbien liegt im
Bereich des Möglichen
(11) die markierteste Form
(12) wegen relativ entwickelter Flexionsmorphologie
Die Verbindung mit Angaben und Ergänzungen zu einem Kompositum ist
berechtigt.
(13) die kleinste bedeutungsunterscheidende Einheit
(14) von einem handgeschriebenen Lernerprodukt
(15) einer formfokussierten Steuerung vom Perfekt
Die Negation ist durch das Präfix „un-“ gekenzeichnet. Diese Form der
Lexikalisierung findet sich lediglich beim Partizip II :
(16) im ungesteuerten L2-Erwerb verschiedener Sprachen
(17) unmarkierte Kategorien
Wortgebildete Adjektive
Zu den attributiven Adjektiven gehören, wie oben schon erwähnt,
wortgebildete Adjektive, die aus Ableitung und Komposition bestehen
(Heringer 2001, S.195). Die wesentlichen Bildungsweisen sind Substantiv +
Adjektiv, Verb + Adjektiv und besonders häufig Adjektiv + Adjektiv
(18)Adjektiv + Adjektiv:hochfrequenten(sehr hohe Schwingungszahl)
(19)Substantiv + Adjektiv:blutrot (rot wie Blut)
(20)Verb + Adjektiv:lernfähig (kann lernen)
9
Adjektivhäufungen
In der Wirklichkeit treten sehr häufig in den Leerbereich des Substantivs
mehrere attributive Adjektive gleichzeitig ein, aber ihre Bedeutung ist nicht
einfach zu erkennen. Heringer (ebd. S.197)unterscheidet bei solchen
Adjektivhäufungen drei Fälle:
Adjektive zählen zu verschiedenen semantischen Kategorien und besetzen
verschiedene
Zonen.
referenzbezogenen
Sie
haben
Adjektive
charakterisierenden Adjektive
eine
befinden
stehen
bestimmte
sich
Reihenfolge:
weiter
am weitesten
links,
rechts
Die
die
und die
quantifizierenden Adjektive habeneine Sonderstellung (keine Flexion).
Zone 1:
Zone 2:
Zone 3:
referenzbezogen quantifizierend qualifizierend
die
genannten
zwei
wasserdichten Tasschenlampen
Gebrauchfrequenz der quantifizierenden Adjektive ist nach Herringer (ebd.
S.197) am höchsten. Darüber hinaus sammelt der Autor Beispiele für die
übrigen Arten Adjektiv:
Referenzbezogene
Adjektive
folgend, genannt, vorder, hinter, nebenstehend, letzter,
angegeben, früher, derartig, ander, solch, sonstig, erst,
zweit...
Quantifizierende
gesamt, ganz, beide, wenig, viel, drei, vier, zahlreich,
Adjektive
einzig, mehrere
10
die Verbindung zwischen Adjektiven kann mit oder ohne explizite
Konjunktionen, getrennt durch ein Komma, vorkommen. Die folgenden
Belege sind im geschriebenen Korpus vorzufinden:
mit expliziten Konjunktionen:
(21)starke und schwache Formen- Text 3
(22)grundmopheme beziehungsweise lexikalische Morpheme- Text
3
ohne explizite Konjunktionen (durch Komma):
(23)sehr seltene, wahrscheinlich unbekannte Wörter- Text 5
(24)besondere, weniger häufig auftretende Beziehungen- Text 4
ohne explizite Konjunktionen und ohne Komma:
(25)eine weitere qualitative Analyse- Text 1
Eine Eigenschaft der meisten Adjektiveist Graduierung und Modifikation
der Adjektivbedeutung:
Graduierungen werden durch grammatikalisierte Komparation und
auch zusätzliche Adverbien wie sehr, fast, allzu, geradezu, besonders,
ungemein, ziemlich, überaus usw. durchgeführt
(26)mehr bedingungsbezeichnende und einschränkende Relationen- Text 1
(27)eine nahezu identische Anzahl an Diskursmarkern- Text 1
(28)eine sehr hohe Validität- Text 5
Der Aspekt der Modifikation ist komplizierter: Adjektive können durch
vorangestellte Adjektive modifiziert werden. Die modifizierenden Adjektive
sind nicht flektiert. Bei der Modifikation handelt es sich um eine
Unterordnung. „Man darf sie nicht verwechseln mit Adjektivketten oder
Adjektivkoordinationen, bei denen sich alle Adjektive auf das Substantiv
beziehen“ (Heringer 2001, S.203). Die Modifikation, die von Heringer (ebd.)
11
„dieses Ungetüm” genannt wird, ist als eine Erweiterung der Erweiterung
betrachtet:
(29) die Analyse der linguistisch relevanten Aspekte von Argumentation- Text
1
(30) eng verwandte nördliche Guangdong-Dialekt- Text 1
1.2.2.Rechtserweiterungen
Während man Linkserweiterungen durch den zwischen Artikel und Substantiv
gestalteten Bereich erkennen kann, ist der Bereich der Rechtserweiterungen
nicht geschlossen. Rechtserweiterung steht direkt rechts vom Substantiv oder
Pronomen. Die Rechtserweiterung ist Mittel der Genauigkeit: Sie teilt weitere
besondere Eigenschaften und Qualitäten des Gegenstands mit.Dadurch ist sie
in der Lage, die Referenz zu konkretisieren.
Rechtserweiterung sind nach Heringer (2001, S.211) nominale Attribute, in
denen es Genitiv-Attribute, Präposition-Attribute und Apposition (nicht
häufig) gibt, und Relativsatz.
1.2.2.1. Nominale Attribute
1.2.2.1.1.Genitiv-Attribute
Wie im Teil 1.2.1. beschrieben, können sich Genitiv-Attribute links von dem
Kern in artikellosen Nominalphrasen befinden, vor allem bei Eigennamen,
aber auch rechts von dem Kopf befinden. Die folgenden Belege sind aus dem
geschriebenen Korpus:
(31) der Prozentsatz nicht-trochäischer Formen- Text 5
(32) die sprachliche Verwendung der formalen Eigenschaften der
Argumentation- Text 1
12
(33) Die Schreibung der Wörter und ihrer Bausteine, der MorphemeText 4
und häufig nach festen präpositionalen Fügungen wie an Stelle, unter
Einbeziehung, auf Grund, in Anbetracht, und nach Mengenangaben wie eine
Menge, eine Gruppe, ein Teil, eine Auswahl, ein Stück usw.(Heringer 2001,
S.213f.)
(34) diese Stelle des Gedichtes
(35) der Gruppe der Kausalsätze
Die genitivischen Attribute bezeichnen nur die grammatische Eigenschaft.
Die semantische Eigenschaft wird je nach Kontext als Besitzverhältnis oder
Explikation interpretiert.
(36) die Schulbücher des Schülers → der Schüler hat Schulbücher
→ Besitzverhältnis
(37) das Schreiben einer Seminararbeit→ Explikation
Das Genitiv-Attribut kann das versteckte Subjekt beim übergeordneten
Verbalsubstantiv sein:
(38) die Beschreibung des Sprechers
→ [DerSprecher] beschreibt etwas.
Subjekt
Es kann das versteckte Objekt beim übergeordneten Verbalsubstantiv sein:
(39) Die Wiedergabe des Phonems
→ Jemand gibt [das Phonem] wieder.
Objekt
(40) Die Überprüfung dieser Hypothese
→ Jemand überprüft [diese Hypothese].
Objekt
13
(41) Hinzufügen bestimmter onomasiologischer Merkmale
→ Jemand fügt [bestimmte onomasiologische Merkmale] hinzu.
Objekt
1.2.2.1.2.Präpositionalattribute
Hierfür lassen sich folgende Beispiele nennen:
(42) Ausfüllung unter Angabevon Gründen
(43) Diskussion über einige Grundlagenfür argumentative Texte.
Es ist unbezweifelbar, dass dank des Vorhandenseins der Präpositionen die
semantische Beziehungbei den präpositionalenAttributendeutlicher als die bei
genitivischen Attributen zeigt. Auffällig ist, dass die stark grammatisierte
Präposition von, die ähnlich wie ein Genitiv wirkt und zur Mehrdeutlichkeit
führen kann.
(44) Das Schleifen von Rädern sollte vermieden werden.
→ Die Räder schleifen.
→ Jemand schleift die Räder.
Dabei bedarf es in diesem Teil der Bestimmung der Präpositionalphrase als
Attribut/ Präpositionalattribut und der Präpositionalphrase als selbstständiges
Supplement3.
Präpositionalphrasen
verfügen
über
unterschiedliche
Funktionen: Sie können die Rolle des selbstständigen Supplementsoder die
Rolle des Attributs in einem Supplement spielen und dadurch wird der
Bedeutungsunterschied dargestellt. Die folgende Tabelle ist ein Vergleich
zwischen
Präpositionalphrase
als
selbstständiges
Supplement
und
Präpositionalphrase als Attribut in einem Supplement(Heringer 2001,
S.216f.),
zum
besseren
Verständnis
der
Festlegung
eines
Präpositionalattributs:
3
Der Terminus „Supplement“ hängt mit freier Angabe zusammen (Graefen/ Liedke-Göbel 2008, S.185).
Angaben sind Elemente, die als Zusatz im Satz gegeben oder weggelassen werden können und die als nicht
notwendige Glieder angenommen (Schenkel 1792, 41ff., nach Dang 2004, S.15)
14
Präpositionalphraseals
Präpositionalphraseals Attribut in
selbstständiges Supplement
einem Supplement
kann allein das Vorfeld besetzen.
kann nicht allein das Vorfeld
besetzen.
z.B.: [Für das einzelne Produkt] ist z.B.: [Zu Beginn der Erntesaison] [
Sorgfalt zu Beginn der Erntesaison für das einzelne Produkt] ist Sorgfalt
geboten. (Präposition-Supplement)
geboten.
(Attribut
in
einem
Supplement)
Deutung:
das
Supplement
Deutung: Das Attribut bezieht
bezieht sich auf das Prädikat oder sich auf sein Bezugsnomen.
den ganzen Satz.
→ Es ist das Produkt, an dem Sorgfalt → Es ist die Erntesaison für das
zu Beginn der Erntesaison geboten ist. einzelne Produkt, in dem Sorgfalt
(Supplement-Deutung)
geboten ist. (Attribut-Deutung)
Bei der Untersuchung der Nominalphrase bewirkt ihre Betrachtung, mit
mehren nominalen Attributen, auf Rezipienten des Deutschen offensichtlich
viele Verständnisprobleme, denn man muss beim Hören und Lesen
bestimmen, was das untergeordnete Substantiv unter vielen anderen
Substantiven ist und welche die Zuordnung und die Unterordnung in einer
mehren Attribute umfassenden Nominalphrase ist. Diese haben nämlich
unterschiedliche Bedeutungen. Heringer (2001, S.220) unterscheidet zwei
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Möglichkeiten:
Die
geschachtelte
Unterordnung
und
die
serielle
Unterordnung. Vergleicht man zwei Unterordnungsmöglichkeiten, ist die
geschachtelte Unterordnung viel komplizierter als die serielle Unterordnung
zu erfassen:
(45) die Zuordnung [von neuer sprachlicher Formel] [zu konzeptualisierten
Objekten]
(46) Besprechung [von dem Programm][ für die erste Klasse] [bei meiner
Tochter]
In (45) sind zwei Erweitungenvon neuer sprachlicher Formel und zu
konzeptualisierten Objekten gleichstufig an das Bezugsnomen die Zuordnung
angeschlossen. Daher gehen die Pfeile vom gleichen Nomen aus. Hier lässt
sich ein Beispiel der geschachtelten Unterordnung anführen. Anders als (45)
zeigen Pfeile in (46) Ketten, bei denen es sich um die serielle Unterordnung
handelt,
die
laut
Heringer
(2001,
S.220)
die„Nominalphrasen
in
Nominalphrasen“ sind. In diesem Beispiel umfassen jeweilige Erweiterungen
wieder andere Erweiterungen: Besprechung enthält von dem Programm, von
dem Programm enthält für die erste Klasse, für die erste Klasse enthält selbst
wieder bei meiner Tochter.
Aber zu den grưßten Zuordnungsschwierigkeiten gehưrt die Mischung beider
oben aufgeführten Mưglichkeiten nach Heringer (ebd.). Dadurch kann man
beim Lesen oder Hören, wegen der Schwierigkeit beim Verstehen, die dann
auch zu großen Zuordnungschwierigkeiten führt, schnell die Orientierung
verlieren. Dies lässt sich leicht durch das folgende Beispiel aus dem
geschriebenen Korpus erklären:
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