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Vấn đề trung thành trong dịch thuật dựa trên tư liệu một bản dịch văn học từ tiếng việt sang tiếng đức

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NATIONALUNIVERSITÄT HANOI
FREMDSPRACHENHOCHSCHULE

LUU TRONG NAM

ZUR LOYALITÄT AM BEISPIEL EINER LITERARISCHEN
ÜBERSETZUNG VOM VIETNAMESISCHEN INS DEUTSCHE
Vấn đề “trung thành” trong dịch thuật dựa trên tư liệu một
bản dịch văn học từ tiếng Việt sang tiếng Đức

MASTERARBEIT

Fachrichtung

: Germanistik

Fachnummer

: 8220205.01

HANOI – 2019


NATIONALUNIVERSITÄT HANOI
FREMDSPRACHENHOCHSCHULE

LUU TRONG NAM

ZUR LOYALITÄT AM BEISPIEL EINER LITERARISCHEN
ÜBERSETZUNG VOM VIETNAMESISCHEN INS DEUTSCHE
Vấn đề “trung thành” trong dịch thuật dựa trên tư liệu một


bản dịch văn học từ tiếng Việt sang tiếng Đức

MASTERARBEIT

Fachrichtung

: Germanistik

Fachnummer

: 8220205.01

Betreuer

: Dr. Le Hoai An

HANOI – 2019


EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Hiermit erkläre ich an Eides statt, dass ich die vorliegende Masterarbeit
selbstständig angefertigt und keine andere Literatur als die im Literaturverzeichnis
angegebene verwendet habe.
Hanoi, den 28. März 2019

Lưu Trọng Nam

i



DANKSAGUNG
An dieser Stelle möchte ich mich bei all denjenigen bedanken, die mich während
der Anfertigung dieser Masterarbeit unterstützt und motiviert haben.
Zuerst gebührt mein Dank Herrn Dr. Le Hoai An, die meine Masterarbeit betreut
und begutachtet hat. Für die hilfreichen Anregungen und die konstruktive Kritik bei
der Erstellung dieser Arbeit möchte ich mich herzlich bedanken.
Ich bedanke mich bei allen Kolleginnen und Kollegen an der Fakultät für Deutsche
Sprache und Kultur und an der Fakultät für Postgraduales Studium, die mir während
meiner Forschungszeit geduldig geholfen haben.
Bedanken möchte ich mich für die zahlreichen interessanten Debatten und Ideen,
die maßgeblich dazu beigetragen haben, dass diese Masterarbeit in dieser Form
vorliegt.
Abschliend mưchte ich mich bei meinen Eltern und meiner Ehefrau bedanken, die
mir mein Studium durch ihre Unterstützung ermöglicht haben und stets ein offenes
Ohr für mich hatten.

ii


ZUSAMMENFASSUNG
Titel der Arbeit: Zur Loyalität am Beispiel einer literarischen Übersetzung vom
Vietnamesischen ins Deutsche

Gegenstand der Arbeit: Die Übersetzung von Bao Ninhs Roman Namens „Noi
buon chien tranh“ – „Die Leiden des Krieges“ von Günter Giesenfeld; Marianne
Ngo und Nguyen Ngoc Tan.

Forschungsfragen:
-


Welche Aspekte weist die Loyalität in der literarischen Übersetzung auf?

-

Wie wird die Loyalität der Übersetzer gegenüber allen Beteiligten in dem
Roman von Bao Ninh gezeigt?

Forschungsmethode: Die deutsche Übersetzung analysieren und mit dem
vietnamesischen Originaltext vergleichen, dabei soll es qualitativ und nicht
quantitativ vorgegangen werden.

iii


INHALTSVERZEICHNIS

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS .............................................................................. vi
EINLEITUNG ............................................................................................................. 1
KAPITEL 1 – THEORETISCHE GRUNDLAGEN .................................................. 6
1.1

Die Übersetzungswissenschaft .................................................................... 6

1.2

Differenzierung der Begriffe „Äquivalenz - Adäquatheit, Treue und

Loyalität“ ............................................................................................................... 15
1.2.1


Der translatorische Begriff ‚Äquivalenz„ .............................................. 15

1.2.2

Der Begriff ‚Treue„ ............................................................................... 18

1.2.3

Der Begriff ‚Loyalität„ .......................................................................... 23

KAPITEL 2: LOYALITÄT BEIM LITERATURÜBERSETZEN .......................... 31
2.1 Loyalität in Bezug auf Textsorte ..................................................................... 31
2.2 Loyalität gegenüber dem Ausgangstextautor .................................................. 35
2.3 Loyalität gegenüber den Zieltextemfängern.................................................... 39
2.4 Loyalität gegenüber dem Auftraggeber ........................................................... 43
2.4 Loyalitätssicherung durch Anwendung der Übersetzungsstrategien .............. 47
2.4.1 Übersetzungsmethoden ............................................................................. 47
2.4.2 Übersetzungstypen .................................................................................... 48
KAPITEL 3 – LOYALITÄT AM BEISPIEL EINER LITERARISCHEN
ÜBERSETZUNG ...................................................................................................... 54
3.1 Beschreibung des Ausgangs- und Zieltextes ................................................... 54
3.1.1 Zur Person Bao Ninhs ............................................................................... 54
3.1.2 Der Ausgangtext – der Roman „Nỗi buồn chiến tranh“ ........................... 55
iv


3.1.3 Der Zieltext – die Übersetzung „die Leiden des Krieges“ von Günter et al.... 56
3.2 Übersetzerischer Loyalitätsbeweis .................................................................. 57
3.2.1 Loyalität zu dem Ausgangstextautor ........................................................ 57

3.2.2 Loyalität zu den Zieltextempfängern ........................................................ 65
SCHLUSSFOLGERUNGEN .................................................................................... 69
Literaturverzeichnis ................................................................................................... 71
Anhang ...................................................................................................................... 78

v


ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

AS

=

Ausgangssprache

AS- Ausdruck

=

Ausgangssprachlicher Ausdruck

AS- Autor

=

Ausgangssprachlicher Autor

AS- Kultur


=

Ausgangssprachliche Kultur

AS- Leser

=

Ausgangssprachlicher Leser

AS- Text

=

Ausgangssprachlicher Text

AT

=

Ausgangstext

AT- Autor

=

Autor des Ausgangstextes

AT- Leser


=

Leser des Ausgangstextes

ZS

=

Zielsprache

ZS- Empfänger

=

Zielsprachlicher Empfänger

ZS- Entsprechung

=

Zielsprachliche Entsprechung

ZS- Kultur

=

Zielsprachliche Kultur

ZS- Leser


=

Zielsprachlicher Leser

ZS- Text

=

Zielsprachlicher Text

ZT

=

Zieltext

ZT- Leser

=

Leser des Zieltextes

vi


EINLEITUNG
Die vorliegende Masterarbeit ist als Versuch zur Erläuterung und Darlegung der
Loyalität des Übersetzers gegenüber den in der Translation vorkommenden
Akteuren zu betrachten. Zu diesen gehören der Ausgangstextautor bzw. -produzent,
der Auftraggeber und insbesondre der Zieltextempfänger. Mit der Arbeit soll

außerdem festgestellt werden, mit welcher Übersetzungsverfahren bzw. -strategien
ein Übersetzer die Loyalität zu den genannten Akteuren erzeugen und garantieren
kann. Um dies zu behandeln, ist eine qualitative Analyse am Beispiel einer
Übersetzung eines Romans vom Vietnamesischen ins Deutsche durchzuführen.
Problemstellung
Die Arbeit als Übersetzer ist heutzutage wichtiger als je zu vor und dies ist dem
Globalisierungsprozess und dem damit verbundenen Kulturaustausch zu verdanken.
Da die Sprache ein wichtiger Baustein der Kultur ist, gilt der Übersetzer als
Vermittler bzw. Bote zwischen zwei Kulturen. Zahlreiche deutsche und
vietnamesische Übersetzer tragen durch ihre Übersetzungen dazu bei, die deutsche
und vietnamesische Kultur den Lesern nahe zu bringen. Allerdings ist nicht nur die
Gewinnung der Kulturkenntnisse, sondern auch die Qualität der Übersetzung und
Übersetzungskompetenz des Übersetzers für die Leserschaft heute von hoher
Wichtigkeit. Deshalb wird oft in den Medien, sei es in der Zeitung oder im
Fernsehen, darüber diskutiert, ob eine Übersetzung in der Qualität und kulturellen
Angemessenheit vollkommen ist.

Ein im Jahr 2013 oft in den Zeitungen

diskutierter Fall ist die vermeintliche fehlerhafte Übersetzung von einem
Kurzgeschichtenband über den Vietnamkrieg des Autors Tim O‟Brien Namens The
Things They Carried - Những thứ họ mang (übersetzt von Trần Tiễn Cao Đăng). In
dem Artikel1 „Thảm họa dịch thuật trong “Những thứ họ mang“?“ – katastrophale
Übersetzung im „The Things They Carried“2 in der Petrotimes - hat die Journalistin

1
2

(Zugriff: 13.10.2018)
Eigene Übersetzung (Luu Trong Nam)


1


Truc Van einige Stellen gezeigt, die von der Leserschaft polarisiert diskutiert
werden. An einer von ihr genannten Stelle geht es um einen Brief eines USSoldaten, den er an die Schwester eines gefallenen Kameraden schickte. Darin hat
er vulgäre Ausdrücke verwendet, um eine Streitsituation lebhaft zu beschreiben.
Der Übersetzer hat in der vietnamesischen Übersetzung an dieser Stelle in den
Ohren vieler vietnamesischer Leser obszöne Begriffe verwendet. Allerdings gibt es
auch Stimmen der Befürwortung, denn sie halten es für angemessen bzw. wichtig,
dass der Übersetzer die Authentizität des Ausgangtextes zu vermitteln hat. In der
Übersetzungswissenschaft spricht man hierbei von der Frage, ob die Äquivalenz
und die Treue oder die Anpassung zu der Zielkultur bzw. -situation anzustreben ist.
Um diese Debatte fachgerecht führen zu können, bedarf es einer gerechten und
vielseitigen Beurteilung von praktizierenden Translatoren, die sich auf der Theorie
der Übersetzungskritik stützen.
Bisher wird in der Übersetzungskritik auf den Aspekt „Äquivalenz“ großer Wert
gelegt, die Koller3 sehr ausführlich erörterte. Äquivalenz und Treue wurden von der
Allgemeinheit4 oft gleichgesetzt5, was in der Übersetzungswissenschaft und -praxis
nicht zu empfehlen ist. Darüber hinaus gilt eine Übersetzung für viele
Übersetzungskritiker als gelungen, wenn sie dem AT und die Intention des ATAutors getreu wiedergeben hat. Allerdings ist der Begriff der Treue nur auf die
Texte – Ausgangstext und Zieltext – eingeschränkt. Dieser Begriff zieht somit die
im

Übersetzungsakt

mitbeteiligten

Akteuren


wie

beispielweise

den

Ausgangstextautor, Auftraggeber und die Zieltextrezipienten in Betrachtung. Wenn
man jedoch die Debatte der scheinbar missglückten Übersetzung verfolgt, spielen
diese Personen eine bedeutende Rolle bei der Beurteilung eines Translats. Ein
Übersetzer arbeitet nach Nord6 nicht nur mit den Texten, sondern auch mit den
Menschen, die aktiv oder passiv an der Übersetzungsarbeit mitwirken. Deshalb hat
3

vgl. Koller 2004: 228-236.
vgl. Nord 2011: 13
5
ebd.
6
vgl. Nord 2011: 17f
4

2


Nord7 neben der Funktionsgerechtigkeit in der Translation für die Verwendung des
Begriffs Loyalität statt Treue plädiert.
In diesem Sinne fokussiert sich dieses Forschungsvorhaben auf die Loyalität beim
Übersetzen von literarischen Texten.

Forschungsstand

Anfänglich hat man versucht, die Qualität anhand der Worttreuheit der Übersetzung
gegenüber dem Originaltext bemessen zu wollen. Dies bedeutete, dass „je treuer
sich eine Übersetzung gegenüber dem Ausgangtext und der Absicht des Autors
verhielt, desto gelungene war sie [(die Übersetzung)].“8.
Eine Fokussierung auf dieLeser bzw. Rezipienten wird ab dem 17. Jahrhundert
gelegt. Besonders in der Literaturübersetzung wird großer Wert daraufgelegt, was
die Leserschaft damals ansprechen und anregen, d.h. es geht um die Befriedigung
des Geschmacks der Lesenden9. Dies bedeutete, dass es noch keine wirklichen
Kriterien zur Beurteilung, die auf jeglichen theoretischen Grundlagen basieren und
somit sehr unterschiedlich verstanden und erörtert wurden. Erst in zweiter Hälfte
des 20. Jahrhunderts wurden in Europa zahlreiche Modelle der Übersetzungskritik
vorgestellt, die einen gewissen Konsens hatten, welches zeigt, dass die
Beurteilungsparameter mehr zu den Zielkontext bewegten und sich nicht als zu sehr
auf

den

Ausgangstext

konzentrieren.

Es

ging

nun

mehr

um


Kommunikationsaspekte, Funktion(en) und Zweck der tendierten Übersetzung,
Wünsche und Erwartungen der Zieltextrezipienten. Nun stellte sich die Frage, was
man genau unter dem Begriff übersetzerische Qualität zu verstehen hatte und wie
diese festzustellen vermag. In der Begrifflichkeit zu dieser Thematik wird auch
nicht mehr von „guten“ oder „schlechten“ bzw. „richtigen“ oder „schlechten“
7

vgl. Nord 2011.
Bernardo in House und Baumgarten 2007.: 2
9
ebd.
8

3


Übersetzungen gesprochen. Nach Bernado10 empfehlen die Wissenschaftler in der
Translationswissenschaft zunehmend die Begriffe „angemessen/adäquat“ ober
„nicht angemessen/ inadäquat“ zur Beurteilung von Übersetzungen, insbesondere
von der literarischen Übersetzung.
Trotz der Uneinigkeit über die Beurteilung der Übersetzungsqualität wird in der
Praxis Übersetzung betrieben und somit auch Übersetzungskritik geübt, welche sehr
stark von der emotionalen Subjektivität des Kritikers abhängt. So teilen sich viele
Kritiker die Ansicht, dass sich eine gelungene Übersetzung „fließend“ liest und
auch gut klingt11.
Methodik
Die vorliegende Arbeit ist eine empirische Untersuchung anhand einer Übersetzung
des Romans Noi buon chien tranh12 (übersetzer deutscher Titel Leiden des
Krieges13) vom vietnamesischen Autor Bao Ninh. Der Ausgangstext umfasst 320

Seiten und die entsprechende deutsche Übersetzung besteht aus 296 Seiten.
Die theoretische Grundlange stützt sich auf den funktionalen Übersetzungsansatz
von Reiß/Vermeer und überwiegend auf das Konzept der Funktionsgerechtigkeit
und Loyalität von Nord. Davon ausgehend werden die beiden oben genannten Texte
miteinander verglichen. Außerdem sind aus Gründen der Umfang der Arbeit und
dem Forschungsvorhaben keine quantitativen Methoden anzuwenden, deshalb wird
hierbei lediglich Methode der qualitativen Forschung bedient. Weiteres soll ein
Versuch zur Kriterisierung der Aspekte von Nord eingeführter Loyalität
unternommen werden. Darin sind unterschiedlichen Teilaspekte der Loyalität
vertieft zu erörtern. Unter Teilaspekten der Loyalität ist die Verbindlichkeit

10

Bernardo in House und Baumgarten 2007.: 3-17
11 vgl. House und Baumgarten 2007.
12
Bao Ninh 2011.
13
Günter et al. 2016 übersetzt von Günter Giesenfeld, Marianne Ngo und Nguyen Ngoc Tan.

4


zwischen dem Übersetzer und anderen Akteuren in einem Übersetzungsakt zu
verstehen, zu denen insbesondere AT-Autor, Auftraggeber und ZT-Empfänger
gehưren. Anschliend werden die genannten Teilaspekte der Loyalität anhand des
Ausgangstextes – der vietnamesische Roman von Bao Ninh – und dessen
Übersetzung untersucht. Dabei werden auch die Übersetzungsstrategien bzw.
Übersetzungsverfahren behandelt. Anschließend sind Inhalte und Passagen aus
dem Roman herauszunehmen, in denen verschiedenen Aspekte des Vietnamkrieges

bzw. - aus der Sicht der Vietnamesen – der amerikanischer Krieges beschrieben
wurden, um feststellen zu können, wie die Loyalität von der Übersetzergruppe
gegenüber den verschiedenen Akteuren gewährleistet werden konnte.
Ziele der Arbeit
 Teilaspekte der Loyalität des Übersetzers beim Übersetzungsakt literarischer
Texte darstellen und behandeln;
 Verschiedene

Übersetzungsstrategien

bzw.

-verfahren,

die

in

der

Übersetzung von dem vietnamesischen Roman zur Loyalitätssicherung
angewendet wurden, , ermitteln und darstellen.

5


KAPITEL 1 – THEORETISCHE GRUNDLAGEN

1.1 Die Übersetzungswissenschaft


Trotz des jungen Alters im Vergleich zur Sprachwissenschaft (13.Jh. v. Ch.14)
wurde auch schon seit der Antike übersetzerische Tätigkeiten betrieben, welche von
der Entdeckung des Steins von Rosette belegt wurde15. Wills – ein Wegbereiter der
Übersetzungswissenschaft in Deutschland - sagte zur Entstehung des Übersetzens
folgendes „Little is known about the beginning of Translation; it is known only that
interpreting, i.e. the oral form of Translation, is older than its written counterpart” 16.
Dies zeigt, dass der Wunsch nach gegenseitigem Verstehen beim Sprach- und
Kulturunterschied schon eine lange Geschichte hat und dass das Übersetzen schon
damals eine gewisse wichtige Rolle spielte, obwohl es noch nicht ausführlich
erforscht wurde. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Bibelübersetzung von Martin
Luther. Die Bibel war vor Martin Luthers Übersetzung nur auf Latein in
Deutschland lesbar. Deshalb konnten nur diejenigen, die Latein lesen konnten,
verstehen, welche nur Gelernten oder Priester der damaligen Zeit umfassen.
Außerdem war die Bibel für die damalige katholische Kirche ein Heiligtum und
auch ein Instrument der Machtdemonstration und -erhaltung, die unter keinen
Umständen verändert werden und besonders bei der Übersetzung vom Originalen
wörtlich nicht abgewichen werden durften. Alle Abweichungen wurden deshalb
scharf kritisiert und sogar verboten. Der Übersetzer, der diese Abweichungen
verursacht, konnte mit großen Problemen oder sogar mit dem Tod rechnen. Ein
bekannter Fall ist der französische Drucker, Verleger, Autor, Übersetzer Namens
Etienne Dolet, der der Ketzerei beschuldig und hingerichtet wurden, weil er

14

Lehmann 2018.
Panda AG.
16
Wilss 1982.
15


6


angeblich eine Stelle in der Bibel falsch übersetzt hatte17. Daher war das Wort-fürWort-Übersetzen

beim

Übersetzen

von

der

Bibel

als

unverzichtbares

Übersetzungsverfahren. Da Martin Luther es allerdings für besonders wichtig hielt,
die Bibel den normalen Menschen bzw. dem allgemeinen Volk näherzubringen, was
er in seinem Sendbrief vom Dolmetschen prägnant darstellte.
„(…) man muss nicht die Buchstaben in der lateinischen Sprache fragen, wie
man soll Deutsch reden, wie diese Esel tun, sondern man muss die Mutter im
Hause, die Kinder auf der Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt drum
fragen und denselbigen auf das Maul sehen, wie sie reden, und darnach
dolmetschen; da verstehen sie es denn und merken, daß man deutsch mit
ihnen redet.“18
Hierbei kann man erkennen, dass Martin Luther den Fokus eher auf die Zielsprache
und die ZS und ZT-Empfänger richteten19, was meines Erachtens sinnvoller als den

AT Wort-für-Wort getreu zu übersetzen. Somit wurde es schon damals über die
Problematik des Übersetzens diskutiert.
Heutzutage kann man auf Grund der zunehmenden Globalisierung die
Notwendigkeit und den Wert der Übersetzungsarbeit nur weiter bekräftigen,
deshalb

wird

sie

von

vielen

Forschern

und

Wissenschaftlern

in

der

Translationsgemeinschaft akribisch und intensiv erforscht. Ziel ist, eine
problemlose Kommunikation und Interaktion zwischen Völkern, Staaten und
Kulturen zu ermöglichen.
Allerdings ist es wichtig, erstmal zu definieren, was überhaupt das Übersetzen
bedeutet. In der Übersetzungswissenschaft bieten zahlreiche Wissenschaftler und
Forscher unterschiedliche Definitionen. Anfänglich wird Übersetzen lediglich unter


17

vgl. Ernst et al. 2006.: 1395
Luther 1523 unter zuletzt geprüft am
10.12.2018
19
Munday 2006.
18

7


sprach- und textbezogenen Aspekten definiert. Das Übersetzen wird von A.G.
Oettinger20 wie folgt definiert:
“Translating may be defined as the process of transforming signs or
representations into other signs or representations. If the originals have some
significance, we generally require that their images also have the same
significance, or, more realistically, as nearly the same significance as we can
get. Keeping significance invariant is the central problem in translating
between natural language.
Interlingual translation can be defined as the replacement of elements of one
language, the domain of translation, by equivalent elements of another
language, the range “
Es wird bei dieser Definition auf das Ersetzen von Sprachelementen der AS mit
semantisch identischen Elementen der ZS konzentriert.
Koschmieder definiert das Übersetzen nach universeller Anwendbarkeit von
Sprachzeichen als:
„Übersetzen


heißt,

zum

ausgangssprachlichen

Zeichen

über

das

ausgangssprachlich Bezeichnete das Gemeinte finden und zu demselben
Gemeinten in der Zielsprache über das zielsprachlich Bezeichnete das
zugeordnete zielsprachliche Zeichen finden.“21
Allerdings zeigt diese Definition, dass strukturelles sprachliches Sprachverständnis
die Sprache als formalisiertes System von Zeichen und Grammatikregeln begrenzt
und dadurch die Relevanz von Situation, Funktion und Aktion in der
Kommunikation nicht erkennbar machen kann. Aber eben diese Relevanz ist für
jede Kommunikation entscheidend. Beide Definitionen von Oettinger und
Koschmieder sind meines Erachtens kritisch zu sehen, denn es geht beim
20
21

Oettinger 1960: 104 und 110
Koschmieder 1965 zitiert nach Stolze 2008.

8



Übersetzen lediglich um die Sprachzeichen. Andere im Übersetzungsakt relevanten
Faktoren, die Einfluss auf das Übersetzen nehmen kann, z.B. Sprachunterschiede,
Kulturdiversität, Textsorten, Rezipentenkreis wurden in diesen Definitionen nicht
einbezogen.
Während sich Oettinger und Koschmieder den Fokus auf Sprachzeichen richten,
stellt die Definition von J.C. Catfords22 den Begriff des Textes in den Vordergrund.
Hierbei handelt es sich um die Substitution des AT durch den ZT, wobei sich die
Substitutionskriterien auf dem Äquivalent basiert. Folglich lautet seine Definition
des Übersetzens:
“Translation is an operation performed on languages: a process of substituting
a text in one language for a text in another.
Translation may be defined as follows: the replacement of textual material in
one language (SL)23 by equivalent textual material in another language
(TL)24.”
In der W. Winters25 Definition des Übersetzens geht es um die Umwandlung der
Formulierung von einer Interpretation von Weltsegmenten in einer Sprache durch
eine andere in die gewünschte Sprache. Die Formulierung in der ZS sollte identisch
wie möglich mit der in der Ausgangssprache sein. Mit anderen Worten, es sollte
zwischen beiden Formulierungen eine Äquivalenzrelation bestehen. Seiner
Auffassung nach musste Übersetzen wie folgt definiert werden:
“To translate is to replace the formulation of one interpretation of a segment
of the universe around us and within us by another formulation as equivalent
as possible. We speak of translation even within the framework of one single
language in the case of Stylistic shifts, for instance, when we find ourselves

22

vgl. Catford 1965.
Source Language (AS)
24

Target Language (ZS)
25
vgl. Winter 1961.: 68
23

9


asked to make plain and intelligible a highly esoteric statement we have just
made. This use of the term is, however, rather marginal, even though the
basic characteristics of the process are all present. As a rule, we may inject
into our definition the further qualification that translation involves the
replacement of an interpretation in one language by another in a second
language.”
E.A. Nida / C.R. Taber26 definieren Übersetzen wie folgt:
„Translation consists in reproducing in the receptor language the closest
natural equivalent of the source-language message, first in terms of meaning
and secondly in terms of style. “
Nach ihrer Ansicht gilt die Translation als Reproduktionsprozess, als die
Reproduktion von Texten, von Mitteilungen. Um dies zu erreichen soll besondere
Aufmerksamkeit auf den Sinn (meaning) und auf den Stil (style) gerichtet werden.
Obwohl es hier recht kurz behandelt wurde, sind diese beiden Aspekte – die
Sinnübertragung und die Formangemessenheit in der Übersetzung von grer
Bedeutung. Nach diesem Prozess bekommt man eine Übersetzung mit mưglichst
natürlichen Entsprechungen in Bezug auf den Inhalt und Stil mit dem Ausgangstext.
In vielen Definitionen wird Übersetzen unter sprach- und textbezogenem Aspekt
betrachtet. Dagegen rückte W. Wilss27 in seiner Definition den kommunikativen
Aspekt des Übersetzens in den Mittelpunkt:
„Übersetzen ist ein Textverarbeitungs- und Textreverbalisierungsprozess, der
von einem ausgangssprachlichen Text zu einem möglichst äquivalenten

zielsprachlichen Text hinüberführt und das inhaltliche und stilistische
Verständnis der Textvorlage voraussetzt. Übersetzen ist demnach ein in sich
gegliederter Vorgang, der zwei Hauptphasen umfasst, eine Verstehensphase,
26

vgl. Nida und Taber 2003.: 12

27

vgl. Wilss 1977: 72

10


in der der Übersetzer den ausgangssprachlichen Text auf seine Sinn- und
Stilintention hin analysiert, und eine sprachliche Rekonstruktionsphase, in
der

der

Übersetzer

ausgangssprachlichen

den

inhaltlich

Text


unter

und

stilistisch

optimaler

analysierten

Berücksichtigung

kommunikativer Äquivalenzgesichtspunkte reproduziert.“
In dieser Definition wird der Übersetzungsprozess in zwei Hauptphasen unterteilt,
nämlich in die Verstehensphase und die Rekonstruktionsphase. Bei der
Verstehensphase werden der Inhalt und Stil des AT gründlich analysiert und das
dient als Grundlage für die Rekonstruktionsphase, in der der ausgangssprachliche
Text in der Zielsprache reproduziert wird. Das Besondere an dieser Definition ist,
dass Wilss sich mehr auf den Aspekt Kommunikation fokussiert.
Eine Definition, die auch die Kommunikation als den wichtigsten Faktor sieht, ist
von Järger28, worin er die Aufgabe des Übersetzers in der Sicherung der
Kommunikation sieht. Deshalb sollten nach seiner Ansicht der AT und der ZT
kommunikativ äquivalent sein. Seine Definition lautet wie folgt:
„Das Wesen der Translation besteht darin, die Kommunikation zu sichern,
und zwar auf die spezielle, sie von der heterovalenten Sprachmittlung
abgrenzenden Weise, dass der kommunikative Wert eines Textes z.B. einer
Sprache La bei der Umkodierung in beispielweise eine Sprache Lb erhalten
bleibt, so dass La-Text und Lb-Text kommunikativ sind. Das Wesen der
Translation - wie der Kommunikation überhaupt - liegt somit im
Extralinguistischen, im linguistischen (sprachlichen) Bereich vollzieht sich

aber die Translation: Sie ist in ihrer Erscheinungsform ein sprachlicher
Prozess, bei dem einem Text einer Sprache La ein Text einer Sprache Lb
zugeordnet wird, der dem Text der Sprache La kommunikativ äquivalent ist.“

28

vgl. Jäger 1975 : 36

11


In der jüngsten Zeit hat vietnamesische Leserschaft immer grưßere Auswahl an
ausländischen Werken, die ins Vietnamesische übersetzt wurden. Allerdings ist die
Qualitätsfrage in den Fachdiskursen noch sehr umstritten. Beschwerden über die
Qualität der Übersetzung kommen immer wieder vor. Dafür werden verschiedene
Gründe genannt. Zum einen sind die Sprach- und Übersetzungskompetenz und das
Weltwissen von ÜbersetzerInnen noch verbesserungsdürftig. Zum anderen mangelt
es ihnen an dem Verantwortungsbewusstsein. Im Rahmen dieser Arbeit könnte aber
nur etwas auf die Übersetzungskompetenz eingegangen werden. Hätten sich die
ÜbersetzerInnen auf ein solides übersetzungstheoretisches Fundament gestützt,
wäre es nicht zu solchen mangelhaften Übersetzungen gekommen. Aus diesem
Grund haben viele vietnamesische Linguisten und Übersetzer/Dolmetscher den
Versuch vorgenommen, ihre eigene Definition vom Übersetzen zu formulieren. So
hat Nguyễn Thượng Hùng29 die Definition des Übersetzens wie folgt
vorgeschlagen:
Định nghĩa truyền thống: „Dịch là quá trình thay thế một văn bản viết bằng
ngơn ngữ gốc bằng một văn bản viết bằng ngơn ngữ đích với mục đích là đạt
được sự tương đương về nghĩa“
(eigener Übersetzungsvorschlag: „Traditionelle Definition: Übersetzen ist ein
Umwandlungsprozess von einem Text in der AS zu einem Text in der ZS mit

dem Ziel, eine Entsprechung im Bezug auf den Sinn von Mitteilungen zu
erlangen.“)
Định nghĩa hiện đại: „Dịch là q trình chuyển một thơng điệp được thể hiện
bằng một ngôn ngữ gốc thành một thông điệp được biểu đặt bằng một ngơn
ngữ đích với sự tương đương tối đa của một hay nhiều bình diện nội dung
của thông điệp.“

29

Nguyễn Thượng Hùng 2005.

12


(eigener Übersetzungsvorschlag: „Moderne Definition: Übersetzen ist ein
Umwandlungsprozess einer Botschaft aus der AS zu einer Botschaft in der
ZS, wobei grưßtmưgliche äquivalente Sinnelemente auf einer bzw. mehreren
semantischen Ebenen zwischen ihnen besteht.“)
Die beiden Definitionen unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt. Das ist
der Gegenstand des Übersetzens. In der ersten Definition ist der Gegenstand ein
Text und in der zweiten ist er eine Botschaft. Als Text ist es nur damit gemeint, dass
es eine Zusammenstellung von vielen Sätzen und Wörter. Daher wird beim
Übersetzen darauf geachtet, dass der Text, d.h. die Sätze und Wörter, die darin
vorkommen, getreut zu übertragen ist. Die Botschaft hingegen spiegelt den
inhaltlichen Sinn eines Textes wider. Wenn der Übersetzer eine Botschaft
übertragen soll, genießt er eine gewisse Freiheit gegenüber dem Text. Es ist somit
in der neueren Definition liberaler und breiter und ganz wichtig „nicht nur an
Texten“ gebunden, denn Botschaft ist nicht die sprachlichen Zeichen und
Grammatik selbst sondern das, was man mit Hilfe von anderen relevanten Faktoren
der Kommunikation wie Kontext, Kultur, soziale Beziehungen dekodieren muss.

Im Vergleich zu Nguyễn Thượng Hùng stellte Huỳnh Phan Anh30 eine kurze
Definition vor. Laut seiner Definition ist die Übersetzung als eine Auflösung eines
fremdsprachigen Werkes in die Nationalsprache anzusehen. Er hat mit dieser
Definition das Literaturübersetzen im Auge, deshalb hört sie sich ebenfalls sehr
literarisch an. Daraus ist es zu entnehmen, dass die Übersetzung so angefertigt wird,
dass die Leser sie nicht für eine Übersetzung halten. Um dies zu verdeutlichen, wird
ein Beispiel von Cao Xuân Hạo31 angeführt:
De ce train-là, les hommes en viendront à brouter l'herbe des prés comme les
brebis.
Der Satz wurde ins Vietnamesische wie folgt übersetzt:
30
31

vgl. Huynh Phan Anh zitiert nach Lê Hoài Ân 2011.: 12
Zugriff am 09.12.2018

13


Cứ cái đà này, những con người rồi sẽ đến nước phải gặm cỏ nội như những
con cừu cái.
(eigener Übersetzungsvorschlag: Wenn es so weiter geht, würden die vielen
Menschen schließlich wie die Mutterschafe grasen müssen)

Nach Cao Xuân Hạo weisen zwei Nominalphrasen ‚những con người„ (Menschen)
und ‚những con cừu cái„ (weibliche Schafe) in der vietnamesischen Übersetzung
Probleme auf. Problematisch ist die genaue Wiedergabe des Numerus ‚những„
(Pluralbildungswort im Vietnamesischen) und des Geschlechtes ‚cái„ (Wort zur
Geschlechtsbezeichnung im Vietnamesischen), welche die vietnamesischen Leser
als sehr fremd finden, weil in der vietnamesischen Sprache die Verwendung von

diesen zwei grammatischen Erscheinungen recht unüblich und überflüssig ist. Ohne
den Kerninhalt zu verändern würde man auf Vietnamesisch diesen Satz wie folgt
formulieren:
„Cứ cái đà này, con người rồi sẽ đến nước phải gặm cỏ nội như cừu“32
(eigener Übersetzungsvorschlag: Wenn es so weiter geht, würden Menschen
schließlich wie Schafe grasen müssen).
Solche Fehler rufen bei den Lesern das Gefühl hervor, gerade eine Übersetzung auf
der Hand zu halten, d.h. die Übersetzung erzeugt hier eine befremdliche Wirkung
auf die zielsprachliche Leserschaft. Und laut Huỳnh Phan Anh wäre in diesem Fall
die Übersetzung nicht gelungen.
Um eine gelungene Übersetzung anzufertigen, genügt es nicht zu wissen, was unter
Übersetzen zu verstehen ist. Es ist lediglich eine Grundbedingung fürs Ausführen
eines Übersetzungsaktes. Weiteres ist in der genannten Definition ein Wort immer

32

ebd.

14


wieder erschienen, und zwar der Begriff ‚Äquivalenz„. Im Folgenden wird
ausführlicher über den Begriff „Äquivalenz“ und „Loyalität“ diskutiert.
1.2 Differenzierung der Begriffe „Äquivalenz - Adäquatheit, Treue und
Loyalität“
1.2.1 Der translatorische Begriff ‚Äquivalenz„

K. Reiß und H. Vermeer33 sind zu der Feststellung gekommen, dass fast alle
Publikationen zur Translationstheorie und -praxis von dem Begriff ‚Äquivalenz„
bzw. ‚äquivalent„ Gebrauch machen. Allerdings mangelte es an einer eindeutigen

Definition.

Es

ist

allerdings

unumstritten,

dass

‚Äquivalenz„

in

der

Übersetzungswissenschaft eine Verbindung zwischen einem AT und einem ZT
bzw. deren Textelementen beschreibt. K. Reiß und H. Vermeer zufolge bleibt diese
Verbindung bzw. Relation nach wie vor nicht wegzusehen. Diese Relation wird
von Koller34 erörtert:
„Die

übersetzungskonstituierende

Relation

zwischen


Zieltext

und

Ausgangstext bezeichne ich als Äquivalenzrelation (oder auch als
Übersetzungsbeziehung). Nach J. Albrecht (1983: 3) handelt es sich um das
„Kernstück aller Übersetzungstheorie.“
Hieraus

ist

die

Wichtigkeit

des

Begriffes

„Äquivalenz“

in

der

Übersetzungswissenschaft zu entnehmen. Wie Albrecht35 prägnant formuliert hat,
ist dieser Begriff nämlich das Kernstück aller übersetzungstheoretischen Ansätze.
Weiteres kann man an der Definition von Koller erkennen, dass er statt,
Äquivalenz„ den Terminus ‚Äquivalenzrelation„ bzw. ‚Übersetzungsbeziehung„
verwendet. Die genannte Relation ist eine Wechselbeziehung zwischen dem

Ausgangstext und dem Zieltext.

33

Reiß und Vermeer 1991.: 124f
Koller 2004.
35
Albrecht, J. 1983:3 zitiert nach Koller 2004.
34

15


Der Begriff ‚Äquivalenz„ wird von K. Reiß und H. Vermeer36 wiederum definiert
als „Relation zwischen einem Ziel- und einem Ausgangstext, die in der jeweiligen
Kultur auf ranggleicher Ebene die gleiche kommunikative Funktion erfüllen
(können)“. In dieser Definition geht es auch um die Relation zwischen den ZT und
dem AT, die sich allerdings in der Kommunikationsfunktion nicht im
Wesentlichen unterscheidet. Diese Annahme ist gegenüber der Definition von
Koller zu unterscheiden, denn es geht ihnen dabei um die Beziehung des ZT zu
dem AT.
Nach Koller37

sind zur Verdeutlichung des Begriffs ‚Äquivalenz„ fünf

Bezugsrahmen zu nennen, nämlich außersprachlicher Sachverhalt, Adressat,
Konnotationen,

Text-


und

Sprachnormen,

ästhetische,

formale

und

individualstilistische Eigenschaften des AS-Textes. Demzufolge gleichen sich
diese fünf Bezugsrahmen an fünf folgenden Äquivalenztypen: denotativer,
pragmatischer, konnotativer, textnormativer und formal-ästhetischer Äquivalenz
(in gleicher Reihenfolge).
Im

Vergleich

zu

Koller

konzentriert

sich

Reiß38

auf


verschiedene

Äquivalenzkriterien nach Texttypen. Entsprechend ihren Äquivalenzkriterien hat
sie die Texte in vier folgende Typen unterteilt: inhaltsbetonte, formbetonte,
appellbetonte

und

audiomedialer

Texte.

In

Bezug

auf

die

Übersetzungswissenschaft wird auf die Inhalte bei den inhaltsbetonten Texten
großer Wert gelegt, denn es geht hierbei um die Vermittlung von Inhalten. Die
anderen

Äquivalenzaspekte

des

Textes


wie

der

Textnormativität

und

Formalästhetik spielen lediglich eine Nebenrolle, mit der Ausnahme von operative
Texten wie juristische Texte oder Behördenschreiben bzw. Dokumenten, denn bei
diesen Texten ist es sogar gesetztlich geregelt, wie ein Text aufzubauen
ist.Währenddessen ist die formale Übereinstimmung zwischen AT und ZT bei
36

Reiß und Vermeer 1991.: 139-140
vgl. Koller 2004.
38
vgl. Reiß 1986.
37

16


formbetonten Texten zu gewährleisten. Bei appellbetonten Texten ist die
Sicherung des appellativen Effekts in der Übersetzung von großer Bedeutung. Der
Versuch von Reiß, die Texte nach den oben genannten Äquivalenzkriterien zu
klassifizieren, ist im ersten Blick anscheinend plausibel und eindeutig. In der
Praxis erwies sich dies jedoch als ein schwieriges Unterfangen, denn Texte lassen
sich


nicht

in

eindeutige

Texttypen

einordnen.

Es

bestehen

immer

Überklappungen. Oft sind die Texte ein Kollektiv von verschiedenen Texttypen,
die stellenweise inhaltsbetont, formbetont und appellbetont sind. Um diese Stellen
zu lokalisieren, ist es auch nicht unproblematisch. Somit ist das Erreichen einer
geglückten Übersetzung auf der Grundlage von Äquivalenzkriterien nach Reiß,
wenn es mưglich ist, nur mit großem Aufwand zu realisieren39.
Ein weiterer wichtiger Begriff innerhalb der Skopostheorie ist die Adäquatheit. Ein
Zieltext ist als adäquat anzusehen, wenn er den Zweck des Translats, also seinen
Skopos, erfüllt40. Hierbei ist die Möglichkeit des Funktionswechsels mit
einbezogen worden. Welches wiederum bedeutet, dass der Skopos des
Ausgangstextes und der des Zieltextes sich unterscheiden können. Äquivalenz
wird somit neu definiert als „Sondersorte von Adäquatheit, nämlich Adäquatheit
bei Funktionskonstanz zwischen Ausgangs- und Zieltext“41.
Zusammenfassend ist es zu erkennen, dass der Begriff ‚Äquivalenz„ von
verschiedenen Translationswissenschaftlern unter unterschiedlichen


Aspekten

bzw. aus verschiedenen Perspektiven betrachtet wird, daher bestehen noch
Unstimmigkeiten darüber, was genau unter dem Begriff ‚Äquivalenz„ zu verstehen
ist. Für Koller spielt die Relation zwischen dem AS und dem ZT eine wichtige
Rolle bei der Definition von dem Begriff ‚Äquivalenz„. Hingegen ist der Zweck
bzw. Skopos (nach Skopostheorie von K. Reiß und H. Vermeer) des ZT im
Vergleich zu dem AT von großer Wichtigkeit bei der Beschreibung des Begriffs
39

vgl. Nord 1989.100
40 vgl. Siever 2010.
41 Reiß und Vermeer 1991.

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