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Cách đặt điện cực điện trị liệu

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Nieder- und
mittelfrequente
Elektrotherapie
Therapiebuch


Copyright:
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3004 GB ROTTERDAM
The Netherlands
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www.enraf-nonius.com
Part number: 1480.763-42
December 2005


Nieder- und
mittelfrequente
Elektrotherapie
Therapiebuch

R.V. den Adel
R.H.J. Luykx


D

Inhaltsverzeichnis


Vorwort.. .......................................................................................................................................................1
1

Kontinuierlicher Strom (cc) vs kontinuierliche Spannung (cv)...............................................2
1.1 Einleitung .............................................................................................................................2
1.2 Kontinuierlicher Strom .........................................................................................................2
1.3 Kontinuierliche Spannung....................................................................................................2
1.4 Kontinuierliche(r) Strom und Spannung in der Praxis .........................................................2

2

Schmerzmodulation und selektive Nervenreizung ..................................................................3
2.1 Einleitung .............................................................................................................................3
2.2 Schmerztheorien..................................................................................................................3
2.2.1
2.2.2
2.2.3

2.3

Selektive Nervenreizung......................................................................................................4
2.3.1
2.3.2
2.3.3

2.4
3

Howson .................................................................................................................................4
Lullies....................................................................................................................................4

Wyss .....................................................................................................................................5

Amplitude (Reizniveau)........................................................................................................6

Von der Theorie zur Praxis .........................................................................................................8
3.1 Einleitung .............................................................................................................................8
3.2 Diadynamische Stromarten .................................................................................................8
3.2.1
3.2.2

3.3
3.4
3.5

Beschreibung der Stromart ...................................................................................................9
Anwendung von 2-5-Strömen ...............................................................................................9

Mittelfrequente Ströme (Interferenz)..................................................................................10
Beschreibung der Stromarten............................................................................................10
3.5.1
3.5.2

3.6

Beschreibung der Stromarten ...............................................................................................8
Anwendung diadynamischer Stromarten ..............................................................................9

2-5-Strom (Träbert)..............................................................................................................9
3.3.1
3.3.2


Interferenzanwendung ........................................................................................................12
Auswahlkriterien für die geeigneten Parameter ..................................................................13

TENS .................................................................................................................................15
3.6.1
3.6.2

4

Die Gate-Control-Theorie (Melzack und Wall) ......................................................................3
Endorphinausschüttungs-Theorie (Sjölund und Erlksson) ................................................4
Postexzisionale Depression des Orthosympathi-kus (Sato und Schmidt).............................4

Burstfrequenzen..................................................................................................................15
Anwendung von TENS-Stromarten .....................................................................................16

Muskelstimulation......................................................................................................................17
4.1 Einleitung ...........................................................................................................................17
4.2 Muskelstimulierung mit unterbrochenem Gleichstrom ......................................................17
4.3 Die l/t-Kurve .......................................................................................................................17
4.3.1 Diagnose.................................................................................................................................17
4.3.2 Therapie..................................................................................................................................19

4.4

Faradischer Strom .............................................................................................................19
4.4.1 Beschreibung der Stromart .....................................................................................................19
4.4.2 Anwendung des faradischen Stroms ......................................................................................20


5

Muskeltraining mit Wechselströmen .......................................................................................21
5.1 Einleitung ...........................................................................................................................21
5.2 Kinesiatrische Aspekte ......................................................................................................21
5.3 Anwendung von Wechselströmen beim Muskeltraining....................................................22
5.3.1
5.3.2
5.3.3

Mittelfrequente Wechselströme...........................................................................................22
Russische Stimulation.........................................................................................................22
Die TENS-Stromarten .........................................................................................................23

6

Muskelstrecken ..........................................................................................................................24
6.1 Einleitung ...........................................................................................................................24
6.2 Die Wahl der Stromart .......................................................................................................24
6.3 Die Amplitude ....................................................................................................................24
6.4 Die Behandlungsdauer ......................................................................................................24
6.5 Methodik ............................................................................................................................24
6.6 Die Behandlungshäufigkeit................................................................................................24
6.7 Indikationen .......................................................................................................................25
6.8 Relative Kontraindikationen ...............................................................................................25

7

Iontophorese ..............................................................................................................................26
7.1 Einleitung ...........................................................................................................................26



7.2
7.3
8

Medikamente und Unbedenklichkeit ................................................................................. 26
Variationen eines Themas ................................................................................................ 27

Wundheilung.............................................................................................................................. 28
8.1 Einleitung .......................................................................................................................... 28
8.2 Funktionsweise der Wundheilung ..................................................................................... 28
8.3 Wundheilung in der Praxis ................................................................................................ 29
8.3.1
8.3.2

9

MF Gleichstrom................................................................................................................... 29
TENS-Stromarten ............................................................................................................... 29

Indikationen und Kontraindikationen...................................................................................... 31
9.1 Indikationen....................................................................................................................... 31
9.1.1
9.1.2

9.2

Diagnostik ........................................................................................................................... 31
Therapie.............................................................................................................................. 31


Kontraindikationen ............................................................................................................ 32

10

Behandlungsbeispiele .............................................................................................................. 33
10.1
Einleitung ....................................................................................................................... 33
10.2
Beispiele ........................................................................................................................ 33

11

Terminologie und Erläuterung von strombegriffen ............................................................... 38

Literaturverzeichnis.................................................................................................................................. 39


Haftungsbeschränkung
Die Information in diesem Therapiebuch ist Eigentum von Enraf-Nonius B.V. (Delft, die
Niederlanden). Insofern als dies kraft des gültigen und zwingenden Rechts maximal zulässig
ist, übernehmen weder die Firma Enraf-Nonius noch ihre Zulieferanten oder Händler
irgendwelche Haftung für indirekte Schäden, konkrete Schäden, Begleitschäden oder
Folgeschäden, die sich aus oder im Zusammenhang mit der Verwendung des Produkts oder
dem Unvermögen zur Verwendung des Produkts ergeben.
Enraf-Nonius kann keinesfalls für die Konsequenzen inkorrekter Informationen seitens des
Personals, oder für Fehler in dieser Bedienungsanleitung und / oder in anderen
Begleitunterlagen (einschließlich der Handelsdokumentation) haftbar gemacht werden.
Die Gegenpartei (der Benutzer des Produkts oder dessen Vertreter) ist verpflichtet, EnrafNonius von jeglichen Schadensansprüchen seitens Drittparteien freizustellen, ungeachtet der
Art beziehungsweise der Geschäftsbeziehungen mit der Gegenpartei.

Vor der Behandlung eines Patienten ist sicherzustellen, dass Sie die Bedienungsverfahren für
alle Behandlungsarten kennen und auch mit den Indikationen, den Kontraindikationen, den
Warnungen und den präventiven Schutzmassnahmen vertraut sind. Weitere
Einzelinformationen zur Elektrotherapie entnehmen Sie bitte auch anderen Quellen.




Vorwort
Sinn des Therapiebuches "Nieder- und mittelfrequente Elektrotherapie" ist es, den Benutzer schnell und
effektiv mit den therapeutischen Möglichkeiten der Enraf-Nonius-Stromgeräte vertraut zu machen. Hierbei
steht die Ausgewogenheit zwischen theoretischem Hintergrundwissen und praktischer Anwendung im
Mittelpunkt.
In Kapitel 1 werden die Begriffe kontinuierlicher Strom (CG) und kontinuierliche Spannung (CV) erläutert
und ihr praktischer Nutzen für die in der Physiotherapie eingesetzten elektrotherapeutischen Geräte
aufgezeigt.
In Kapitel 2 werden einige Theorien behandelt, die den Mechanismus erklären, der dem
schmerzlindernden Effekt zugrunde liegt, sowie die sich hieraus ergebenden Konsequenzen für die
Phasendauer, Frequenz und Amplitude der einzelnen Stromarten.
Kapitel 3 enthält praktische Informationen zur Anwendung der verschiedenen nieder- und
mittelfrequenten Stromarten. Hierbei stehen Schmerzlinderung und Normalisierung des neurovegetativen
Gleichgewichts im Mittelpunkt.
Diagnostische und therapeutische Anwendungen bezüglich des neuromuskulären Apparats werden in
den Kapiteln 4 und 6 behandelt. In Kapitel 4 wird die Anwendung von unterbrochenem Gleichstrom bei
der Muskelstimulierung und in Kapitel 5 die Anwendung von Wechselströmen beim Muskeltraining
besprochen. Das Thema Muskelstreckung mittels elektrischem Strom wird in Kapitel 6 näher erläutert.
Spezielle Stromanwendungen im Bereich der lontophorese und Wundheilung werden in Kapitel 7 bzw. 8
besprochen. Allgemeine Angaben zu Indikationen und Kontraindikationen werden in Kapitel 9 aufgeführt.
Kapitel 10 schließlich enthält Therapiebeispiele-, die im Prinzip eine Zusammenfassung des
vorangegangenen Stoffs darstellen.

In diesem Buch wurde versucht, wo immer möglich, die elektrotherapeutische Terminologie zu normieren
wie es in dem Buch "Electrotherapeutic Terminology in Physical Therapy, section on Clinical
Electrophysiology, American Physical Therapy Association, March 1990" festgelegt wurde.
Möge dieses Buch dem Benutzer eine wertvolle Hilfe sein und zur optimalen Nutzung der Geräte
beitragen.

R.V. den Adel
R.H.J. Luykx

* Siehe Terminologie und Erläuterung von Strombegriffen.

D

1


1 Kontinuierlicher Strom (cc) vs kontinuierliche Spannung (cv)
1.1

Einleitung

Innerhalb der Physiotherapie werden sowohl Geräte mit kontinuierlichem Strom (Constant Current = CG)
als auch Geräte mit kontinuierlicher Spannung (Constant Voltage = CV) verwendet. Besonders in Europa
wurden bis vor kurzem ausschließlich Geräte verwendet, die nach dem CG-Prinzip funktionieren. Bevor
der praktische Wert beider Funktionsprinzipien aufgezeigt wird, werden wir uns zunächst mit den
theoretischen Basisbegriffen beschäftigen.
Unter "Strom" (im menschlichen Körper) versteht man einen lonenstrom (gemessen in Milliampere = mA).
Die Kraft, die aufgewendet werden muß, um die Ionen fließen zu lassen, heißt "Spannung" (gemessen in
Volt = V). Der zwischen den Elektroden fließende lonenstrom wird im Körper abgebremst. Der
Widerstand (=R), der sich dem lonenstrom entgegensetzt, wird in Ohm (Ω) ausgedrückt. Den größten

Stromwiderstand haben die Haut, das subkutane Fettgewebe sowie Knochenstrukturen. Der
Hautwiderstand ist nicht immer konstant. Eine Reihe von Faktoren, z.B. die Dicke der Epidermis und des
subkutanen Fettgewebes, die Feuchtigkeit der Haut (Transpiration) sowie die Durchblutung und Trophik
können den Hautwiderstand beeinflussen.
Deshalb läßt sich der Hautwiderstand auch künstlich herabsetzen, und zwar durch:
• Anfeuchten der Haut;
• (vorherige) Anregung der Durchblutung;
• zeitweiliges Anlegen eines Stroms bis dieser einen Durchgang gefunden hat.
1.2

Kontinuierlicher Strom

Zwischen der Spannung (U), der Stromstärke (l) und dem Widerstand (R) besteht ein bestimmter
Zusammenhang. Dieser wird im Ohmschen Gesetz zum Ausdruck gebracht: U = l . R.
Da der Hautwiderstand während der Behandlung fluktuiert, besteht die Gefahr, daß die Stromstärke
aufgrund dieses Gesetzes (stark) zunimmt und beim Patienten ein unangenehmes Gefühl hervorruft. Bei
niederfrequenten Gleichströmen hätte diese unerwünschte Amplitudenzunahme eine Verätzung der Haut
zur Folge.
Ein Gerät mit kontinuierlichem Strom vermeidet diese negativen Begleiterscheinungen, da es die
eingestellte Stromstärke konstant hält (l . Rt = UT).
1.3

Kontinuierliche Spannung

Bei stationären Techniken kann die Entscheidung bewußt zugunsten der kontinuierlichen Spannung
ausfallen. Probleme entstehen allerdings bei der Anwendung dynamischer Techniken: die
Elektrodenoberfläche ändert sich hierbei ständig. Der Patient empfindet dies als Zunahme der Amplitude.
In Wirklichkeit ändert sich die Amplitude nicht. Verantwortlich für das gesteigerte Stromempfinden des
Patienten ist die höhere Stromdichte. Diese ist nicht nur unangenehm für den Patienten; sie führt bei der
Elektrodiagnostik außerdem zu Fehlinterpretationen. Darüber hinaus können beim Abnehmen und bei der

erneuten Anbringung der Elektroden Öffnungs- und/oder Verschlußreaktionen auftreten.
Die genannten Probleme treten bei einem Gerät, das nach dem CV-Prinzip arbeitet, nicht auf. Wenn die
Elektrodenoberfläche kleiner wird, was gleichbedeutend mit der Zunahme des Widerstands ist, wird auch
die Amplitude kleiner (U : RT = li). Die Stromdichte bleibt in diesem Fall konstant. Der Patient spürt keine
Stromänderung. Auch Öffnungs- und/oder Verschlußreaktionen unterbleiben, so daß der Patient den
Strom als sicher und angenehm erfährt.
1.4

D

2

Kontinuierliche(r) Strom und Spannung in der Praxis

Da beide Funktionsprinzipien in einem Gerät vereinigt sind, eröffnen sich zahllose
Behandlungsmöglichkeiten. Wenn das Gerät zusätzlich über zwei Stromkanäle verfügt, ermöglicht es die
Kombination stationärer und dynamischer Techniken während einer Behandlung. Es ist deutlich, daß sich
hieraus für mehrere Anwendungsgebiete ein praktischer Wert ergibt, z.B bei:
• (doppelseitigen) stationären Behandlungstechniken;
• der Diagnose und/oder Behandlung mit demselben Gerät;
• der Kombination von stationären und dynamischen Behandlungstechniken z.B. Behandlung eines
peripheren Schmerzpunktes und Lokalisierung von Triggerpoints auf segmentärem Innervationsniveau
(dynamische Behandlungstechnik);
• der Suche nach motorischen Reizpunkten;
• Patienten mit Stromangst.


2 Schmerzmodulation und selektive Nervenreizung
2.1


Einleitung

Schmerzlinderung läßt sich auf verschiedenen Wegen erreichen. Es würde den Rahmen dieser Fibel
sprengen, wollte man alle Möglichkeiten aufzählen. Wir werden uns daher auf eine Reihe von Theorien
beschränken, die den Mechanismus zu erklären versuchen, der dem schmerzlindernden Effekt zugrunde
liegt. Es dürfte in diesem Zusammenhang deutlich sein, daß die Phasendauer, Frequenz und Amplitude
bei der Elektrotherapie eine wichtige Rolle spielen.
2.2

Schmerztheorien

Den von den Enraf-Nonius Stromgeräten erzeugten Stromarten liegen die heutigen Theorien zugrunde,
die die Schmerzlinderung mit Hilfe von Elektrostimulation zu erklären versuchen. In diesem
Zusammenhang sind die drei nachfolgend behandelte Theorien wichtig:
2.2.1

Die Gate-Control-Theorie (Melzack und Wall)

Bei dieser Theorie geht man davon aus, daß eine Hemmung des Schmerzreizes auf spinalem Niveau
auftritt, wenn die dicken myelinisierten Nervenfasern selektiv stimuliert werden. Diese Hemmung ist die
Ursache dafür, daß die Weiterleitung des Schmerzreizes durch die dünnen, nicht myelinisierten
Nervenfasern zum Gehirn blockiert wird.
Zentrale Kontrolle
Aktionssystem
Type II und III
Nervenfasern

+

- +

Substantia Gelatinosa

Transmissie
Cel (Lamina V)

-

-

+

Type IV
Nervenfasern

GATE CONTROL SYSTEM
Abb. 1

Schematische Darstellung der Gate-Controle-Theorie (Melzack und Wall)

Mit anderen Worten, durch selektive Reizung der Typ-l- und Typ-ll-Nervenfasern wird eine Hemmung bei
der Reizweiterleitung der von Typ-lV-Nervenfasern stammenden Signale bewirkt. Eine Erregung der TypIV-Nervenfasern ist in diesem Zusammenhang unerwünscht.
Obwohl gegenwärtig auch von einer zentralen Beeinflussung gesprochen wird (Siehe Abschnitt 2.2.2),
stellt diese Theorie noch immer den wichtigsten Ausgangspunkt bei der Erklärung des schmerzlindernden
Effekts dar.
Kategorie
Dick
Dünn
Tabelle 1.

Efferent


Afferent

Leitgeschwindig-keit (m/s)

Durchmesser (µm)

A-α
A-β
A-γ
A-δ
B
C

I
II
II
III
IV

70-120
50-70
30-50
<30
3-14
<3

12-22
5-12
5-12

2-5
1-3
0.1-1.3

Schema der Nervenfasern (Erlanger + Gasser)

D

3


2.2.2

Endorphinausschüttungs-Theorie (Sjölund und Erlksson)

Diese Theorie geht von der Annahme aus, daß chronischen Schmerzen eine Hypoaktivität des
Endorphinsystems des Patienten oder der erhöhte Verbrauch freigesetzten Endorphins zugrunde liegt.
Die Anwendung der sog. Burst-TENS (auch "Iow frequency, high intensity TENS" oder "Acu-puncture
Like" TENS genannt) stimuliert das zentrale Nervensystem, diese endogenen Opiate auszuschütten. Dies
hat einen schmerzlinderden Effekt zur Folge. Laut Sjölund und Eriksson werden Endorphine nur bei einer
Burstfre-quenz von 2-5 Hz, einer internen Frequenz von 100 Hz und 7 Impulsen pro Burst freigesetzt. Bei
der Burst-TENS wird die Amplitude so eingestellt, daß lokale, für den Patienten angenehme
Muskelkontraktionen auftreten (Toleranzgrenze). Beim konventionellen TENS ("high frequency, Iow intensity TENS") wird die Schmerzlinderung auf die lokal-spinale Freisetzung von endogenen Opiaten
zurückgeführt (Enze-phaline).
2.2.3

Postexzisionale Depression des Orthosympathi-kus (Sato und Schmidt)

Diese Theorie geht von der Annahme aus, daß durch Erregung der Typ-ll- und Typ-lll-Nervenfasern eine
post-exzisionale Depression der orthosympathischen Aktivität hervorgerufen wird, bei der eine

übermäßige Stimulierung der Typ-IV-Fasern vermieden werden muß. Bei Erkrankungen, bei denen eine
Überaktivität des Orthosympathikus auftritt, muß der Nachdruck also auf Stimulierung derTyp-ll-und Typlll-Nervenfasern liegen.

Abb. 2

2.3

Orthosympatische Reflexkreise

Selektive Nervenreizung

Zusammenfassend läßt sich die Schlußfolgerung ziehen, daß die Reizung der Typ-ll- und Typ-lllNervenfasern bevorzugt werden sollte. Des weiteren sollte beim Muskeltraining der selektiven Erregung
des Aα-motorischen Neurons der Vorzug gegeben werden. Zu den Forschern, die sich mit der selektiven
Reizung der peripheren Nerven beschäftigt haben, gehören u.a. Howson, Lullies und Wyss.
2.3.1

Howson

Howson stellte fest, daß sich bei der Erregung von Typ-ll-und -HI-Nervenfasern sowie bei der Erregung
des Aα-motorischen Neurons sehr kurze Phasen am besten eignen (Siehe Abbildung 3, Seite 5).
Die l/t-Kurven von Nervenfasern zeigen, daß es bei Phasen unter 200 ,µs möglich ist, die sensiblen
und/odermotorischen Nerven zu erregen, ohne dabei die dünnen, nicht myelini-sierten Nervenfasern
(Schmerz) zu stimulieren. Mit anderen Worten, bei diesen kurzen Phasen läßt sich eine relativ hohe
Amplitude einstellen, ohne daß dabei die dünnen Nervenfasern stimuliert werden. Es handelt sich hierbei
um einen breiten Amplitudenbereich. Bei längeren Phasen allerdings liegen die verschiedenen l/t-Kurven
so dicht beieinander, daß bereits ein kleine Amplitudenzunahme zur Erregung der dünnen Nervenfasern
führt. Hierbei handelt es sich um einen schmalen Amplitudenbereich.
2.3.2

D


4

Lullies

Aufgrund der Untersuchungen von Lullies[1819! lassen sich Rückschlüsse bezüglich der Bedingungen
ziehen, denen ein Wechselstrom genügen muß, um dicke Nervenfasern selektiv zu stimulieren. Diese
Bedingungen lauten:
• eine "relativ" niedrige Stromstärke;
• eine "relativ" hohe Frequenz (über 3 Hz).


Obwohl bei der Interferenztherapie die Frequenz mittelfre-quenter Wechselströme von der optimalen
Frequenz abweicht, zeigt es sich, daß diese Ströme dennoch dicke Nervenfasern erregen können.



C



1µs

Abb.3

Die l/t-Kurven der verschiedenen Nervenfasertypen (Howson, 1978, nach Li und Bak)

Abb.4 Die Stromstärke eines Wechselstroms im Vergleich zur Frequenz des Wechselstroms für A-Fasern
(myelinisiert, motorische) und C-Fasern (nicht myelinisiert, orthosympathi-sche) des Nervus ischiadikus eines Frosches.


Die Frequenz der Amplitudenmodulation (AMF) hat keinen Einfluß auf die selektive Reizung der dicken
Nervenfasern, sondern bestimmt nur die Frequenz, mit der Nervenfasern depolarisieren.
Unterschiedliche AMFs rufen beim Patienten unterschiedliche Empfindungen hervor. Deshalb läßt sich
der verwendete Strom der Empfindlichkeit des Gewebes anpassen. Die Wahl der AMF hat also eine
therapeutische Bedeutung.
2.3.3

Wyss

Wyss untersuchte die Selektivität unterschwelliger Gleichstromimpulse mit unterschiedlichen Phasen für
A- und B-Fasern (Siehe Abb. 5). Hierbei zeigte sich, daß A-Fasern durch kürzere, unterschwellige
Impulse selektiv stimuliert werden, deren Stromstärken niedrigerer sind als die für die selektive
Stimulation von B-Fasern erforderlichen Stromstärken. Obwohl bis zum heutigen Zeitpunkt keine befriedigende physiologische Erklärung für den 2-5-Strom und die diadynamische Stromart gefunden wurde, ist
es dennoch auffallend, daß die Phasendauer dieser Stromarten sich mit denen decken, die laut Wyss
optimal für die Reizung dicker Nervenfasern geeignet sind, auch wenn Wyss bei seinen Untersuchungen
exponentielle Impulse verwendete. Die Phasendauer der (neo)faradischen Stromart läßt sich ausgezeichnet in dieses Modell einpassen.

D

5


Abb. 5 Abhängigkeit der Schwellenspannung bei exponentiell unterschwelligen Impulsen von unterschiedlicher
Einwirkungszeit (für A- und B-Fase m) nach Wyss.

2.4

Amplitude (Reizniveau)

Aus den obengenannten Untersuchungen wird ersichtlich, daß die Amplitude, neben der Phasendauer

und Frequenz, bei der selektiven Reizung mitentscheidend ist (Siehe Abb. 3,4,5). Bei der
Elektrostimulierung werden verschiedene Reizniveaus differenziert, um die Höhe der Amplitude
anzugeben, bei der tatsächlich eine selektive Erregung erzielt wird.
Vergrößert man bei gesunden Personen nach und nach die Amplitude, dann treten nacheinander
folgende Reaktionen auf:
a. Erreichen der sensiblen Schwelle;
b. Erreichen der motorischen Schwelle;
c. Erreichen der Schmerzschwelle; beim Patienten treten Kontraktionen und Schmerzen auf
(Siehe Abbildung 6).
Dies gilt für alle Stromarten! Deshalb muß vor jeder Behandlung die individuelle Sensibilität des Patienten
bestimmt werden.

Abb. 6

Zusammenhang zwischen Reizniveau und Amplitude

Nachfolgend werden zwei der am häufigsten verwendeten Klassifizierungsmodelle zur Angabe der
jeweils geeigneten Amplitude behandelt.
1. Amplitudeneinteilung, der eine bestimmte, beim Patienten hervorgerufene Empfindung zugrunde liegt:
a. submitis (Reizniveau, bei dem die Amplitude noch gerade nicht spürbar ist);
b. mitis (Reizniveau, bei dem die Amplitude gerade spürbar ist);
c. normalis (Reizniveau, bei dem die Amplitude deutlich spürbar ist);
d. fortis (Reizniveau, bei dem die Amplitude bis zur Toleranzgrenze gesteigert wird).
Der Nachteil dieses Einteilungsprinzips ist es, daß wir von der verbalen Information des Patienten
abhängig sind. Außerdem werden eventuelle motorische Aktivitäten nicht berücksichtigt.
D

6

2. Amplitudeneinteilung, bei der sowohl die sensorischen als auch die motorischen Reizniveaus

eingeteilt werden in:


a.
b.
c.
d.
e.

subsensorisches Reizniveau;
sensorisches Reizniveau;
motorisches Reizniveau (deutlich wahrnehmbare Muskelkontraktionen;
Toleranzgrenze (kräftige, noch gerade nicht schmerzhafte Muskelkontraktionen);
Schmerzschwelle.

Diese Einteilung erweist sich als für die Praxis besser geeignet. Es bleibt allerdings fraglich, ob ein
bestimmtes motorisches Niveau tatsächlich unterhalb derToleranzgrenze liegt. In pathologischen Fällen
kann sich nämlich die Reihenfolge der Niveaus ändern. Hierbei spielen viele Faktoren eine Rolle, z.B. Art
der Erkrankung, Empfindlichkeit des Patienten, Trophik der Haut usw.
Aus den genannten Gründen dürfte deutlich werden, daß es unmöglich ist, die Grenzen zwischen den
einzelnen Reizniveaus durch exakte Werte auszudrücken. Bei der Behandlung der Therapiebeispiele
wird die Amplitudeneinteilung 2 zugrunde gelegt. Wenn das Behandlungsziel eine motorische Reaktion
ist, dann wird zusätzlich angegeben, ob die Stromstärke bis zur Toleranzgrenze oder bis zur Schmerzschwelle gesteigert werden darf.

D

7


3 Von der Theorie zur Praxis

3.1

Einleitung

Enraf-Nonlus Stromgeräte erzeugen mehrere Stromarten, mit deren Hilfe sich das Nervensystem selektiv
stimulieren läßt, um Schmerzen zu lindern, das neurovegetative Gleichgewicht normalisiert oder die
Muskulatur angeregt werden kann. In diesem Kapitel werden die diadynamischen Stromarten, der
Träbert-Strom und verschiedene Wechselströme (Interferenz- und TENS-Ströme) beschrieben. Die
unterschiedlichen Formen der Nieder- und Mittelfre-quenz-elektrotherapie wurden in einem Kapitel
zusammengefaßt, da das Indikationsgebiet, die Art der Anwendung und die elektrophysiologische
Wirkung dieser Therapieformen häufig identisch sind. Diese Übereinstimmung betrifft die
Schmerzlinderung und die Normalisierung des neurovege-tativen Gleichgewichts.
3.2
3.2.1

Diadynamische Stromarten
Beschreibung der Stromarten

Mit dem Begriff diadynamischer Strom bezeichnet Bernard einen mono- (MF) oder doppelphasigen (DF),
gleichgerichteten Wechselstrom, dessen Frequenz direkt von der Netzleitung übernommen wird. Dadurch
entstehen sinusförmige Impulse mit einer Impulsdauer von 10 ms. Bei einer Phasendauer von 10 ms
werden hauptsächlich dicke Fasern depolarisiert. Erst bei hohen Frequenzen werden auch dünne Fasern
erregt (Siehe Abbildung 5).
Die diadynamischen Stromarten haben im Verlauf der (europäischen) Geschichte der Physiotherapie
eine überragende Stellung erworben. Im Vergleich mit Interferenz und JENS werden sie zu Unrecht als
überholt angesehen, denn die diadynamischen Ströme erzeugen spezifische Effekte, die erfolgreich zur
Schmerzlinderung und Verbesserung der Trophik eingesetzt werden können.
Die vier klassischen diadynamischen Stromarten bilden die Grundlage für Enraf-Nonius (Niederfrequenz-)
Stromgeräte:
• MF (Monophase Fixe), Frequenz 50 Hz;

• DF (Diphase Fixe), Frequenz 100 Hz;
• CP (Courtes Periodes): für die Dauer von 1 Sekunde fließt ein MF-Strom, der dann für die
Dauer von 1 Sekunde abrupt vom DF-Strom abgelöst wird;
• LP (Longues Periodes); zuerst fließt ein 6 Sekunden anhaltender MF-Strom. Anschließend
werden die Pausen zwischen den Einzelimpulsen durch Impulse ausgefüllt, deren Stromstärke
allmählich ansteigt, bis sie mit der Stromstärke des MF-Stroms identisch ist. Hierdurch entsteht
ein DF-Strom. Anschließend sinkt die Stromstärke dieser Impulse auf Null ab, und es fließt
wieder ein reiner MF-Strom. Die Dauer der DF-Phase, einschließlich des An- und
Abschwellens, beträgt 6 Sekunden.

Abb. 7

D

8

Stromformen

Innerhalb der diadynamischen Ströme werden die CP- und LP-Stromarten zur Vermeidung von
Adaptation verwendet. Hierbei ist CP aggressiver als LP, da die Wechsel beim CP ziemlich abrupt sind.
Darüber hinaus verwendete Bernard die beiden Stromarten zur Anpassung der Stimulationsformen an
den pathologischen Zustand (die "Aktualität").


3.2.2

Anwendung diadynamischer Stromarten

Bei allen Stromarten spürt der Patient bereits schnell ein stechendes Gefühl, wenn die Amplitude erhöht
wird. Dieses Gefühl wird von den Effekten der Phasendauer verursacht. Darüber hinaus sind galvanische

Effekte die Ursache dafür, daß der Strom häufig als unangenehm empfunden wird und deshalb die
Neigung besteht, die Amplitude nicht weiter zu erhöhen. Wenn die Amplitude weiter gesteigert wird, spürt
der Patient ein kribbelndes/prickelndes Gefühl (DF) oder Vibrationen (MF), die vom diadynamischen
Strom herrühren. Dieses Gefühl ist keineswegs unangenehm und das Stechen und Brennen wird kaum
noch verspürt. Das Erhöhen der Amplitude während der Behandlung, mit dem Ziel, den Reiz an einen
veränderten pathologischen Zustand anzupassen, ist nicht laut dem Bernardschen Prinzip .
Bei der Anwendung dieser gleichgerichteten Ströme muß allerdings die Gefahr einer möglichen
Verätzung der Haut berücksichtigt werden. Aufgrund seines Impulsformcharakters besitzt ein
diadynamischer Strom einen hohen Gleichstromwert, der die Gefahr von Hautverätzungen in sich birgt.
Verätzungen sind die Folge elektrochemischer Reaktionen im Hautbereich unterhalb der Kathode und der
Anode sowie Veränderungen des pH-Werts der Haut. Um dieses Risiko auf ein Minimum zu reduzieren,
sollte die Behandlungsdauer je Sitzung auf 10 Min. beschränkt bleiben und die Amplitude nicht bis zur
Schmerzgrenze des Patienten gesteigert werden (Bernard empfiehlt eine Behandlungsdauer von
maximal 4 bis 5 Min.). Außerdem sollte 1 cm dickes Viskosematerial verwendet werden, um genügend
Wasser im Behandlungsbereich binden zu können. Eventuell sollte Wasser mit einer Spritzflasche
zugeführt werden.
Mit Hilfe der MF-Stromart lassen sich auf einfache Weise Muskelkontraktionen erzielen. Deshalb scheint
diese Stromart für die Muskelstimulation besonders gut geeignet zu sein. Aber aufgrund des hohen
galvanischen Anteils dieser Stromart ist hiervon abzuraten, da die Muskelstimulation relativ hohe
Stromstärken erfordert.
Diadynamischer Strom eignet sich besonders gut bei der Schmerzbehandlung von Gelenken (z.B.
Finger- und Handgelenke). Bei Reflexdystrophie (Sudeck-Syndrom) lassen sich hervorragende
Ergebnisse durch segmentielle Anwendung des diadynamischen Stroms erzielen. Entsprechendes gilt für
oberflächige Hyperalgesien. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Wirkung des diadynamischen Stroms
bei Herpes zoster. Obwohl erst wenig über die eigentlichen Wirkmechanismen bekannt ist, sind die
Resultate verblüffend.
3.3
3.3.1

2-5-Strom (Träbert)

Beschreibung der Stromart

Unter einem 2-5-Strom versteht Träbert einen Gleichstrom mit Rechteckimpuls, einen Phasenintervall
von 2 ms und eine Pause von 5 ms. In der Fachliteratur wird diese Stromart auch als "Ultrareiz"-Strom
bezeichnet. Die Frequenz dieses Stroms beträgt ± 143 Hz. Wie bereits in Paragraph 2.3.3 angegeben,
eignet sich diese Stromart zur selektiven Stimulierung dicker Fasern.
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß dieser Strom über eine sehr einfache Struktur verfügt.
Träbert machte keine Angaben zur Wahl der Parameter. Doch seinen Angaben zufolge wurde diese
Therapie von vielen übernommen und wird noch immer erfolgreich angewendet. Sehr auffällig ist die
unmittelbare Schmerzbefreiung, die bereits nach einer Behandlungssitzung auftreten und einige Stunden
anhalten kann ("Erst-Effekt").

Abb. 8

3.3.2

2-5 Strom nach Träbert

Anwendung von 2-5-Strömen

Träbert beschreibt vier typische Elektroden(an)lagen, die hervorragend zum segmenteilen
Gedankengang der Elektrotherapie passen (Siehe Abbildung 9). Die Polarität der Elektroden macht er
vom jeweiligen Zielgebiet abhängig. Beispielsweise wird EL l sowohl zur Behandlung von Kopfschmerzen
als auch Nackenschmerzen verwendet. Bei Kopfschmerzen wird die negative Elektrode kaudal zur positiven Elektrode positioniert. Bei Nackenschmerzen mit Ausstrahlungen zum Arm wird die negative
Elektrode proxi-mal zur positiven Elektrode angebracht. Die Elektrodenpositionierungen eignen sich
hervorragend für segmentelle Anwendungen, z.B. EL IV bei der Behand-lungVon Claudicatio intermittens.
Falls es sich um eine beidseitige Erkrankung handelt, kann die negative Elektrode geteilt und im
Glutäalbereich angebracht werden.

D


9


Abb. 9

Elektrodenplazierungen nach Träbert

Aufgrund fehlender Frequenzwechsel und/oder -unterbrechungen wird bei einer einmal eingestellten
Stromstärke sehr schnell Gewöhnung eintreten; nach kurzer Zeit spürt der Patient den Strom nicht mehr
so stark wie zu Beginn der Behandlung. Deshalb empfiehlt Träbert eine stufenweise Erhöhung der
Amplitude bis zur Toleranzgrenze, d.h. bis Muskelzuckungen auftreten. Diese Muskelkontraktionen
müssen fühlbar palpabel oder gerade eben noch sichtbar sein.
Wahrscheinlich verbessern sie die Durchblutung der Muskulatur (Muskelpumpmechanismus). Die
Stromstärke muß sofort erhöht werden, sobald die Kontraktionen nachlassen. Die Amplitude wird im
Prinzip jeweils nach einer Minute gesteigert. Normalerweise wird die Toleranzgrenze innerhalb von 5 bis
7 Minuten erreicht. Danach darf die Amplitude nicht mehr erhöht werden. In einigen Fällen werden Amplitudenwerte von 70 - 80 mA erreicht.
Obwohl der Gleichstromwert relativ gering ist, müssen wegen der starken Zunahme des Amplitudenwerts
dicke, gut durchfeuchtete Schwämmchen (Mindestdicke 1 cm) verwendet werden. Während der
Behandlung kann gegebenenfalls Wasser zugeführt werden. Die Elektroden müssen gut fixiert werden.
Aufgrund der hervorgerufenen Muskelzuckungen reicht eine Fixierung der Elektroden mit Hilfe von
Sandsäckchen nicht immer aus. In der Literatur wird eine Gesamtbehandlungsdauer von 15 Minuten
beschrieben.
3.4

Mittelfrequente Ströme (Interferenz)

Obwohl es sehr unterschiedliche Formen mittelfrequenter Ströme gibt, ist die bekannteste Form der
Mittelfrequenzelektrotherapie die Interferenztherapie. Deshalb wird im nachfolgenden Abschnitt die am
häufigsten angewendete Form mittelfrequenter Ströme besprochen. Eine besondere Anwendungsform,

die "Russian Stimulation", eine Methode des Muskeltrainings mit Hilfe mittelfrequenter Stromarten, wird in
Kapitel 5 behandelt.
3.5

Beschreibung der Stromarten

Die Untersuchungen von Lullies zeigen, daß dicke Fasern mit Hilfe von mittelfrequenten Strömen selektiv
stimuliert werden können. Im Vergleich zu niederfrequenten Stromarten besteht allerdings ein
Unterschied bezüglich der Art und Weise, wie Nervenzellen depolarisiert werden. Aufgrund der höheren
Frequenz des mittelfrequenten Stroms hat nicht jeder (Wechselstrom-)lmpuls eine Depolarisierung der
Nervenfaser zur Folge. Die Depolarisierung der Nervenfaser ist das Ergebnis des Summationsprinzips
(Gildemeister-Effekt).

D

10

Abb. 10 Die Entstehung eines Aktionspotentials
infolge eines mittelfrequenten Stroms (A) und
Gleichstromimpulses (B).


Abb.11
A. Bei einem mittelfrequenten Strom
entsteht das Aktionspotential erst nach
einer bestimmten Periodenzahl (Summa
tionsphnzip).
B. Bei einem Gleichstromimpuls gleicher
Dauer entsteht das Aktionspotential
bereits bei einer niedrigen Amplitude.


Laut Lullies kann bei permanenter Reizung mit mittelfre-quenten Wechselströmen eine Situation
entstehen, bei der die Nervenfaser nicht mehr auf den Strom reagiert (Weden-sky-Effekt) oder die
motorische Endplatte ermüdet und die Reizübertragung damit gefährdet ist. Um diese negativen
Begleiterscheinungen zu vermeiden, ist eine Unterbrechung der Stromzufuhr nach jeder Depolarisie-rung
unbedingt erforderlich. Dies läßt sich durch rhythmisches An- und Abschwellen der Amplitude erreichen
(Amplitudenmodulation*). Die Frequenz der Amplitudenmodulation (AMF) bestimmt die Frequenz der
Depolarisierung. Die AMF entspricht den Frequenzen, die bei der niederfrequenten Elektrotherapie zum
Einsatz kommen.
*z.Z. sind auch Geräte erhältlich, bei denen die Amplitudenmodulation durch eine Modulation der
Impulsbreite ersetzt wurde. Die ursprüngliche Idee (die notwendige Unterbrechung des mittelfrequenten
Stroms nach jeder Depolarisierung) blieb allerdings gewahrt. Nur die Art der Unterbrechung wird bei
diesen Geräten auf eine andere Weise realisiert. Aus Gründen der Deutlichkeit wird der Begriff AMF in
diesem Text weiterhin verwendet.

Abb. 12 Rhythmische Unterbrechung der MF-Strom.

Eine der Möglichkeiten der Amplitudenmodulation ist die Interferenz.
Definition: das Phänomen Interferenz tritt auf, sobald zwei oder mehr Schwingungen gleichzeitig auf
einen Punkt oder eine Punktreihe in einem Medium einwirken.
In der Elektrotherapie werden bei der Interferenzmethode zwei mittelfrequente Wechselströme
verwendet, die aufeinander einwirken. Einer der beiden Wechselströme besitzt eine konstante Frequenz
von z.B. 4000 Hz, während die Frequenz des anderen Wechselstroms zwischen 4000 Hz und 4250 Hz
variiert werden kann. Die Überlagerung der Wechselströme wird als Interferenz bezeichnet (Abb. 13). Im
Schnittpunkt der beiden Ströme bildet sich ein neuer mittelfrequenter Wechselstrom, dessen Amplitude
moduliert ist. Die AMF entspricht der Frequenzdifferenz der beiden Ströme.

Abb. 13 Überlagerung zweier mittelfrequenter Wechselströme mit unterschiedlichen Frequenzen.

Die Modulation wird außer durch die Frequenz auch durch die Modulationstiefe (M) charakterisiert. Die

Modulationstiefe wird in Prozent angegeben und kann zwischen 0 und 100% liegen. Dabei dürfte deutlich
sein, daß eine 100%igen. Modulationstiefe zur tatsächlichen Unterbrechung des Stroms erforderlich ist
(Siehe Abb.14).

D

11


M = 0%

M = 50%

M = 100%

3.5.1

Abb. 14 Verschiedene Modulationstiefen (M) eines
mittelfrequenten Wechselstroms.

Interferenzanwendung

Angriffspunkte für die therapeutische Anwendung können direkt an der Körperoberfläche oder im tiefer
gelegenen Gewebe liegen. Aufgrund seiner höheren Frequenz und dem Fehlen von
Gleichstromeigenschaften eignet sich der mittelfrequente Wechselstrom für die Behandlung tiefer gelegenen Gewebes (Muskeln, Sehnen, Bursae oder Periost). Eine bestimmte Anwendung wird anhand der
Angriffspunkte festgelegt. Die verschiedenen Anwendungen sind:
• Schmerzpunkt- oder Triggerpoint-Anwendung;
• Nervenanwendung;
• (para-)vertebrale Anwendung;
• transregionale Anwendung;

• muskuläre Anwendung (Siehe Kapitel 5).
Die heutigen Enraf-Nonius Geräte bieten drei Möglichkeiten der Interferenztherapie:
A) bipolare (2-polige) Interferenz;
B) tetrapolare (4-polige) Interferenz;
C) tetrapolare Interferenz mit dynamischer Vektortechnik.
A) die bipolare Methode
Bei dieser Methode werden zwei Elektroden verwendet. Die Überlagerung der beiden Wechselströme
findet im Innern des Geräts statt. Ein vollständig modulierter Wechselstrom verläßt das Gerät.
Bei der bipolaren Methode beträgt die Modulationstiefe immer 100% (Siehe Abbildung 15).

Abb. 15 Bipolare Interferenz

D

12

B) die tetrapolare Methode
Bei dieser Methode werden vier Elektroden verwendet und verlassen zwei unmodulierte Wechselströme
das Gerät. Im Gewebe tritt Interferenz am Schnittpunkt dieser beiden Ströme auf.
Die Modulationstiefe hängt von der Stromrichtung ab und variiert zwischen 0 und 100%. 100 %ige
Interferenz tritt nur auf den Diagonalen (und damit auf dem Schnittpunkt) der beiden Stromlinien auf
(Siehe Abbildung 16). Hierbei handelt es sich allerdings um theoretische Überlegungen, bei denen ein
homogenes Gewebe vorausgesetzt wird. In der Praxis hat man es hingegen mit heterogenem Gewebe zu
tun. Daher muß zur Erzielung einer 100%igen Modulationstiefe am gewünschten Ort mit den zwei Intensitätsreglern gearbeitet werden. Die Intensitätsregler werden ebenfalls zur Kompensation von (unterhalb
der Elektroden auftretenden) Empfindungsschwankungen verwendet.


Abb. 16 Bei der tetrapolaren Methode tritt nur auf den
Diagonalen eine 100 %ige Modulationstiefe auf.


C) die tetrapolare Methode mit dynamischer Vektortechnik
Die dynamische Vektortechnik dient dazu, das effektive Stimulationsgebiet auszudehnen. Beide
Stromkreisläufe variieren einander gegenüber langsam (Siehe Abb. 17).
Die Richtung, in dereine 100 %ige Modulationstiefe auftritt, hängt von dem Verhältnis der beiden
Stromstärken ab I1 und I2. Die Folge ist, daß sich das optimale Stimulationsgebiet verlagert, d.h. hin- und
herbewegt. Da zu jedem Zeitpunkt Bereiche existieren, die nicht optimal stimuliert werden, ist die korrekte
Positionierung der vier Elektroden im Hinblick auf das zu behandelnde Gewebe von großer Wichtigkeit.
Der Patient muß die Änderungen im Stromgefühl spüren.

Abb. 17 Dynamische Vektortechnik

3.5.2

Auswahlkriterien für die geeigneten Parameter

Für diese Methode gibt es keine einheitlichen Richtlinien. Einige wichtige Punkte sollten allerdings nicht
außer acht gelassen werden. Bei der bipolaren Methode beträgt die Modulationstiefe immer 100%,
während die Modulationstiefe bei der tetrapolaren Methode nur auf den Diagonalen 100 %ig ist. Wie
bereits weiter oben erwähnt wurde, erzielt man einen optimalen Stimulationseffekt bei einer 100 %igen
Modulationstiefe. Diese sollte daher bei der Therapie angestrebt werden.
In der Praxis lassen sich zwei Elektroden einfacher positionieren und fixieren als vier Elektroden. Darüber
hinaus ist die Lokalisierung der geeigneten Kontaktpunkte mit zwei Elektroden einfacher.
Der Vorteil der tetrapolaren Methode ist die geringere Belastung der Haut bei gleichzeitig erhöhter
Amplitude am Behandlungspunkt. Die Belastung der Haut ist bei Verwendung von mittelfrequenten
Wechselströmen bereits geringer infolge ihrer größeren Tiefenwirkung, dank der hohen Frequenz und
dem Fehlen galvanischer Eigenschaften. Die dynamische Vektortechnik wird in den Fällen einsetzt, in
denen die Wirkung auf ein größeres Gebiet ausgedehnt werden soll. Beim lokalen Arbeiten ist dagegen
die bipolare Methode zu bevorzugen.
AMF
Die AMF läßt sich je nach Art, Stadium, Schwere und Position der Erkrankung wahlweise einstellen.

Dabei muß allerdings die Empfindlichkeit des Patienten bei den verschiedenen AMFs berücksichtigt
werden. Hohe Frequenzen werden als "feiner", "angenehmer" und "leichter" empfunden.
Bei Beschwerden mit "hohem Aktualitätsgrad" (d.h. bei Beschwerden, großen Schmerzen und sehr hoher
Sensibilität) wird die Verwendung einer hohen AMF (80 - 200 Hz) empfohlen151. Außerdem sollte bei der
ersten Behandlung eine hohe AMF bevorzugt werden, wenn der Patient unter Stromängsten leidet.

D

13


Bei niedrigeren Frequenzen ist das Gefühl "gröber", "tiefergehender" und "intensiver". Frequenzen unter
50 Hz können leicht zu (tetanischen) Kontraktionen führen.
Bei Beschwerden mit niedrigem "Aktualitätsgrad" (d.h. Beschwerden mit weniger Schmerzen und
niederiger Sensibilität) und bei Behandlungen, deren Ziel Muskelkontraktionen sind, ist eine niedrige AMF
die am besten geeignete Frequenz.
Verwendung der Elektroden
Neben den gebräuchlichen (Platten-)Elektroden gibt es die Knopf- oder Punktelektrode. Diese Elektrode
wird speziell zur Diagnose und/oder Behandlung von (Schmerz-)Punkten verwendet. Sie wird zusammen
mit einer größeren, indifferenten Elektrode verwendet, die außerhalb des zu behandelnden Gebiets
angelegt wird. Die Punktelektrode eignet sich nicht für die tetrapolare Methode.
Die Positionierung der Elektroden muß in einer Weise geschehen, daß der Patient die Stimulierung in
dem zu behandelnden Gebiet spürt. Dies sollte während der Behandlung überprüft werden.
Gegebenenfalls muß die Position der Elektroden verändert werden. Dies gilt sowohl für bipolare als auch
für tetrapolare Anwendungen.
Es ist eine bekannte Erscheinung, daß der Patient die Stimulation eines einmal eingestellten Stroms im
Laufe der Behandlung immer undeutlicher wahrnimmt oder sogar überhaupt nicht mehr spürt. Diese
Erscheinung wird als Gewöhnung oder Adaptation bezeichnet. Eine konstant eingestellte Frequenz
bewirkt, daß die erregten Sensoren Informationen über Veränderungen der Oberfläche in abnehmendem
Maße an das Zentralnervensystem weiterleiten. Eine Stimulierung mit unveränderter Stimulanz führt

folglich zu einer Abnahme des Reizeffekts. Deshalb sollte eine Gewöhnung vermieden werden.
Es gibt drei Möglichkeiten, um Gewöhnung zu vermeiden:
1. Erhöhen der Amplitude:
Das Auftreten starker tetanischer Kontraktionen, die der Patient als unangenehm empfindet, müssen
berücksichtigt werden.
2. Variieren der Frequenz (die "Frequenz Modulation"):
Bernard machte sich als erster diese Möglichkeit zur Vermeidung einer Gewöhnung zunutze und zwar in
Form von CP-und LP-Strömen. Hierbei wechseln Frequenzen von 50 Hz und 100 Hz einander rhythmisch
ab. Die Interferenztherapie macht von diesem Prinzip ebenfalls Gebrauch. In diesem Zusammenhang
spricht man von "Frequenz Modulation" (Siehe Abb. 18).
Wichtige Parameter in diesem Zusammenhang sind:
A) die Breite der Frequenz Modulation
Eine "breite" Frequenz Modulation (ein großer Frequenzbereich) verhindert eine Gewöhnung eher als ein
"schmale" Frequenz Modulation (ein kleiner Frequenzbereich). Aufgrund der starken
Frequenzänderungen treten bei einer breiten Frequenz Modulation äußerst abwechslungsreiche
Empfindungen und/oder Kontraktionen auf.
B) die Art, wie die Frequenz Modulation durchlaufen wird
Je nach verwendetem Gerät gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, die das Verhältnis zwischen BasisAMF und dem Spektrum widerspiegeln (gemessen in Sekunden). Beispiele hierfür sind: 1/1, 1/5/1/5, 6/6
und 1/30/1/30 s.

Abb. 18
Beispiel für ein Frequenzspektrum.
Bei einer eingestellten AMF von 20 Hz und einer
Frequenzmodulation von 50 Hz durchläuft der
Strom alle Frequenzen zwischen 20 Hz und 70 Hz.

D

14


3. Einstellen einer niedrigeren AMF.
Zusammenfassend lassen sich folgende allgemeine Regeln formulieren:
Patienten mit Beschwerden hoher Aktualität werden, unter Berücksichtigung des Gewöhnungseffekts,
behandelt mit:
• einer relativ niedrigen Amplitude;
• einer relativ hohen AMF;
• einer relativ breiten Amplitude;
• einem relativ fließenden, länger andauernden Amplitudeprogramm (6/6 oder 1/30/1/30 s).


Patienten mit weniger aktuellen Beschwerden werden, unter Berücksichtigung des Gewöhnungseffekts,
behandelt mit:
• einer relativ hohen Amplitude;
• einer relativ niedrigen AMF;
• einer relativ schmalen Amplitude;
• einem relativ abrupten, kurz andauernden Amplitudeprogramm (1/1 s).
3.6

TENS

Das Ziel von TENS (Transcutaneous Electrical Nerve Stimulation), der Anwendung von Elektroden auf
der Haut, ist die Stimulierung dicker, afferenter Nervenfasern, die eine Schmerzlinderung zur Folge hat.
Angesichts der Tatsache, daß Stromarten wie diadynamische Ströme, 2-5-Ströme und Interferenzen
ebenfalls Nerven durch die Haut stimulieren, ist der Begriff TENS etwas unglücklich gewählt.
Häufig wird bei TENS ein Wechselstrom verwendet, der durch eine variabel einstellbare Phasendauer
und ein solches Phasenintervall charakterisiert wird, so daß sich damit auch die Frequenz variieren läßt.
Die Phasendauer ist meistens sehr kurz; sie liegt zwischen 10 und 250 jus. Mit den TENS-Stromarten
lassen sich also dicke Nervenfasern selektiv stimulieren (Siehe Paragraph 2.3.1).
Die bekanntesten TENS-Anwendungen sind "Conventional TENS" (high frequency, Iow intensity TENS)
mit einer relativ hohen Frequenz von 80 bis 100 Hz und "Iow frequency, high intensity TENS"

(Acupuncture-like TENS) mit einer niedrigen Frequenz (10 Hz). Später wurden auch andere Frequenzen
(Burst-TENS) und Stromarten eingesetzt, und zwar infolge der Veröffentlichungen von Sjölund und
Eriksson.
Enraf-Nonius liefert eine Reihe von Geräten, die die Anwendung von TENS-Stromarten ermöglichen
(Siehe Abbildung 19-21).
Lundeberg erzielte bei der Wundbehandlung mit einem alternierenden Rechteckimpuls sehr gute
Resultate. Übrigens ist die Annahme falsch, daß sich der Rechteckimpuls nicht für andere Zwecke eignen
würde, aber ein spezifisches Anwendungsgebiet des Rechteckimpulses ist die Wundheilung. In Kapitel 8
wird näher auf die Wundheilung mit Hilfe von TENS eingegangen.

Abb. 19 Symmetrisch
biphasisch kompensierter
Rechteckimpuls

3.6.1

Abb. 20 Assymmetrische
biphasische kompensierte Pulsform

Abb. 21 Alternierender Rechteckimpuls

Burstfrequenzen

Infolge der Veröffentlichungen von Sjölund und Eriksson wird innerhalb der TENS-Therapie eine
spezielle Frequenzmodulation verwendet, eine Abwandlung der acupuncture-like TENS. Diese "BurstTENS" setzt sich aus einer Impulsfolge ("Burst") von 2 Hz zusammen. Jeder Burst dauert 70 ms. Und da
die interne Frequenz innerhalb jedes Bursts 100 Hz beträgt, setzt sich jeder Burst aus 7 Impulsen
zusammen. Laut Sjölund und Eriksson werden auf diese Weise Endorp-hine auf zentraler Ebene
freigesetzt.
Das Ergebnis ist ein schmerzlindernder Effekt. Sie begründen dies mit der Tatsache, daß Naloxon, ein
Morphinantago-nist, der Schmerzlinderung entgegenwirkt. Die Schmerzlinderung, die durch die

Stimulation mittels konventioneller TENS bewirkt wird, ist nicht naloxonumkehrbar. Darüber hinaus
scheint die Verwendung einer hohen Amplitude eine Voraussetzung für die Freisetzung von Endorphinen
zu sein. Deshalb ist diese Stimulationsform ziemlich aggressiv. Die Burstfrequenz wird daher vor allem
bei Beschwerden mit niedrigem Aktualitätsgrad eingesetzt. In der Literatur werden neben der bereits
erwähnten Frequenz von 2 Hz Frequenzen von 1 - 5 Hz genannt.
Bei Burst-Anwendungen empfiehlt sich nicht nur aufgrund der Veröffentlichung von Sjölund die
Verwendung einer hohen internen Frequenz; bei einer niedrigen internen Frequenz besteht nämlich die
Möglichkeit, daß in dem Burst kein Impuls auftritt. Dies hätte ein unregelmäßiges Stimulationsmuster zur
Folge.
D

15


Abb. 22 Conventional- und Burst TENS

3.6.2

Anwendung von TENS-Stromarten

A) High Frequency, Low Intensity TENS (Conventional TENS)
TENS-Stromarten werden meistens zur Schmerzlinderung verwendet. Die am häufigsten verwendete
TENS-Form ist "High Frequency, Low Intensity TENS". Am wirkungsvollsten ist eine Frequenz von 50 Hz
bis 100 Hz. Hierbei wird eine relativ kurze Phasendauer eingestellt (< 150 JLIS). Nun wird die Amplitude
erhöht bis sich im stimulierten Gebiet leichte bis mäßige, Paresthäsien ausbilden. Es dürfen allerdings
keine Muskelkontraktionen oder Faszikulationen auftreten. Wenn diese dennoch auftreten, ist die
Amplitude des Stroms zu hoch eingestellt. Anschließend wird die Phasenbreite bei konstant gehaltener
Amplitude vergrößert. Empfindet der Patient die Paresthäsien als tiefergehend oder spürt er sie über ein
größeres Gebiet, dann wird die erweiterte Phasenbreite beibehalten. Wenn der Reiz aber lediglich
intensiver wird und sich nicht weiter ausbreitet oder mehr in die Tiefe geht, wird die ursprüngliche

Phasenbreite wiedereingestellt. Die Intensität des spürbaren Reizes nimmt meistens nach 5 bis 10
Minuten ab (Adaptation). Die Amplitude muß daher nachgeregelt werden bis die Paresthäsien wieder
spürbar werden.
Die Elektroden werden zumeist oberhalb der peripheren Nerven angebracht, die das schmerzende
Gebiet innervieren. Dabei befindet sich die eine Elektrode distal zum schmerzenden Gebiet, um einen
optimalen Strom durch dieses Gebiet zu garantieren. Die Elektroden können auch an den
Rückenmarksegmenten angebracht werden, und zwar in Höhe des jeweiligen peripheren Nerves, der hier
entspringt. Es wäre wenig sinnvoll, Elektroden auf ein Hautgebiet mit verringerter Sensibilität zu
befestigen.
Konventionelle, hochfrequente TENS ist häufig bei Hyperästhesien und Kausalgien infolge von
peripheren Nervenläsio-nen, Phantomschmerzen, Narbenschmerzen sowie postoperativen Schmerzen
sehr effektiv und führt auch bei der Behandlung von Schmerzen im unteren Rückenbereich zu guten
Ergebnissen. Wenn der Schmerz nach einer 10- bis 20-minütigen Stimulation nachläßt, empfiehlt es sich,
dem Patienten ein kleines TENS-Gerät für die Eigenbehandlung für Zuhause mitzugeben. Dies ist sicher
sinnvoll, da mehrmals täglich, häufig ein oder mehrere Stunden lang, stimuliert werden muß.
B) Burst-TENS
Diese Stimulationsform wird immer dann angewendet, wenn die konventionelle, hochfrequente TENS
nicht effektiv ist. Sie eignet sich vor allem bei der Behandlung tieferliegender Schmerzzonen
(myophatischer Schmerz) und chronischer Schmerzen. Bei der Anwendung von Frequenz Modulation
wird eine relativ große Phasendauer (150 - 200 jis), eine niedrige Frequenz Modulation (1 - 5 Hz) und
eine hohe Amplitude verwendet. Dabei müssen sichtbare Kontraktionen in den Muskeln auftreten, in
denen sich die Innervation mit der Innervation der Schmerzzone deckt. Ein Erfolg stellt sich, im
Gegensatz zur Frequenz Modulation, meistens erst nach zwanzig bis dreißig Minuten ein. Dafür hält die
Wirkung wesentlich länger an. Die schmerzlindernde Wirkung der Frequenz Modulation bewirkt die
Freisetzung der Endorphinen auf spinalem und supraspinalem Niveau.
Wenn mit der konventionellen TENS oder Burst-TENS keine oder unbefriedigende Resultate erzielt
werden, sollte die Frequenzmodulation verwendet werden. Frequenz Modulation wirkt zudem einer
Gewöhnung entgegen. Die Elektroden werden meistens oberhalb der peripheren Nerven, die die
entsprechenden Muskeln innervieren, oder den "motor points" angebracht (Position zumeist auf 1/3
proximal zum Muskelbauch).

Diese Art der Stimulation dauert wegen den Ermüdungsgefahr der stimulierten Muskeln und wegen der
Schmerzen infolge der anhaltenden Muskelkontraktionen normalerweise nicht länger als 20 bis 45
Minuten.

D

16


4 Muskelstimulation
4.1

Einleitung

Künstlich hervorgerufene Muskelkontraktionen werden zu den unterschiedlichsten Zwecken in der
Physiotherapie eingesetzt. Dabei wird sowohl unterbrochener Gleichstrom als auch Wechselstrom
verwendet. In diesem Zusammenhang muß deutlich zwischen Anwendungen an normal innervier-ten und
Anwendungen an teilweise oder vollständig dener-vierten Muskelfasern unterschieden werden. Dieser
Unterschied spielt auch bei der Wahl der Stromart(en) eine Rolle.
Mögliche physiotherapeutische Ziele sind:
• Ionisierung der Muskulatur;
• Kreislaufstärkung;
• Muskelkräftigung;
• Wiederherstellung des Muskelgefühls (z.B. nach einer Operation);
• Entspannen der Muskulatur;
• Einblick in die elektrische Reizbarkeit motorischer Nervenfasern und motorischen
Muskelgewebes;
• Bekämpfung von Atrophie und Vermeidung einer Fibrosie-rung der Muskulatur;
• Förderung des maximalen Bewegungsradius durch Strek-ken der Muskulatur.
In diesem Kapitel werden unterbrochene Gleichströme behandelt. Hierbei werden sowohl die

diagnostischen als auch therapeutischen Möglichkeiten der Muskelstimulation erörtert. Im Abschnitt 4.3
wird die einfache Stimulation mittels Rechteck- und Dreiecksimpuls besprochen. Die Beziehung der
beiden Impulsformen zueinander wird in Form von l/t-Kurven dargestellt. Abschnitt 4.4 behandelt den
(neo)faradischen Strom als Methode der Mehrfachstimulierung mit Hilfe von Rechteckimpulsen.
Wechselströme (mit-telfrequente Ströme und TENS-Ströme), die häufig aus therapeutischen
Erwägungen angewendet werden, werden in Kapitel 5 behandelt.
4.2

Muskelstimulierung mit unterbrochenem Gleichstrom

Mit Muskelstimulierung wird das bewußt hervorgerufene Zusammenziehen (Kontraktion) von Muskeln
und Muskelgruppen mit Hilfe eines elektrischen Reizes bezeichnet. Das Ziel dabei ist einen Einblick in die
elektrische Reizfähigkeit der peripheren motorischen Nervenfasern und des Muskelgewebes zu erhalten.
Je nach Art der mit Hilfe von Gleichstromimpulsen ausgelösten Kontraktion wird zwischen einfacher und
mehrfacher Stimulation unterschieden. Bei einfacher Stimulation wird eine einmalige Kontraktion hervorgerufen. Mehrfache Stimulation führt zu tetanischen Zuk-kungen. Mit Blick auf die Impulsform sind nur
Rechteck- und Dreiecksimpulse für die Muskelstimulation interessant.
4.3

Die l/t-Kurve

4.3.1 Diagnose
Das diagnostische Ziel der Muskelstimulation ist es, Informationen über die Stärke der elektrischen
Reizbarkeit des neuromuskulären Apparats zu erhalten, die wiederum Rückschlüsse auf den
Denervationsgrad des Muskelgewebes zulassen.
Bei dieser Diagnoseform wird das Verhältnis der Stromstärke (l) und der Impuls- bzw. Phasendauer (t)
eines Rechteck-und Dreiecksimpulses graphisch durch die sog. l/t-Kurve wiedergegeben. Obwohl die
Interpretation der Kurve eine gewisse Kenntnis der Basisprinzipien der Elektrophysiologie voraussetzt,
läßt sich die eigentliche l/t-Kurve problemlos zeichnen. Grundsätzlich muß darauf geachtet werden, wie
hoch die Stromstärke bei den Einzelwerten der Phasendauer (von 0,01 bis 1000 ms) sein muß, um einen
Muskel (eine Muskelgruppe) zu einer gerade noch wahrnehmbaren (d.h. gerade noch sichtbaren oder

ertastbaren) Kontraktion zu veranlassen. Die so ermittelten Werte können auf logarithmisches
Millimeterpapier übertragen werden. Zum Schluß werden die einzelnen Punkte miteinander verbunden,
um die gewünschte Kurve zu erhalten (Siehe Abb. 23).
Im Falle einer verringerten oder vollständig verschwundenen Reizbarkeit liefert die l/t-Kurve zusätzliche
Informationen zur Impulsform, Phasendauer und Stärke der anzuwendenden Stimulation, falls eine
Behandlung in Erwägung gezogen wird.

D

17


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