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NATIONALUNIVERSITÄT HANOI
HOCHSCHULE FÜR FREMDSPRACHEN
ABTEILUNG FÜR POSTGRADUALE STUDIEN

HỒ THỊ BẢO VÂN
DER APPELL DER WERBUNG: EINE ANALYSE VON
WERBEANZEIGEN AM MATERIAL DES MAGAZINS „DER SPIEGEL“
IN DEN JAHREN 2011 BIS 2015
PHÂN TÍCH LOẠI HÌNH QUẢNG CÁO VỚI CÁC VĂN BẢN XUẤT
HIỆN TRONG TẠP CHÍ „DER SPIEGEL“ TỪ NĂM 2011 ĐẾN 2015

Masterarbeit

im Studiengang Linguistik

Hanoi – 2017


NATIONALUNIVERSITÄT HANOI
HOCHSCHULE FÜR FREMDSPRACHEN
ABTEILUNG FÜR POSTGRADUALE STUDIEN

HỒ THỊ BẢO VÂN
DER APPELL DER WERBUNG: EINE ANALYSE VON
WERBEANZEIGEN AM MATERIAL DES MAGAZINS „DER SPIEGEL“
IN DEN JAHREN 2011 BIS 2015
PHÂN TÍCH LOẠI HÌNH QUẢNG CÁO VỚI CÁC VĂN BẢN XUẤT
HIỆN TRONG TẠP CHÍ „DER SPIEGEL“ TỪ NĂM 2011 ĐẾN 2015

Masterarbeit


im Studiengang Linguistik
betreut von: Dr. Le Tuyet Nga

Hanoi – 2017


Eidesstattliche Erklärung

Hiermit erkläre ich, dass ich diese Masterarbeit selbstständig verfasst und keine
anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe sowie die Stellen
der Arbeit, die in anderen Werken dem Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen
sind, durch Angaben der Quellen sichtbar gemacht wurden. Die Arbeit wurde auch
bisher nie in gleicher oder vergleichbarer Form veröffentlicht.

________________________

_________________________

Ort, Datum

Unterschrift


Danksagung

Mein grưßter Dank gilt meiner Betreuerin, Frau Dr. Le Tuyet Nga, für ihre
Bereitschaft und unermüdliche Geduld bei der Betreuung und Unterstützung des
Verfassens dieser Arbeit und auch für die zahlreichen Gespräche sowie
methodische Hinweise und wertvolle Vorschläge zur Durchführung und
Verbesserung des Untersuchungsverfahrens. Einen gren Dank gilt auch Frau

Doktor Dưrte Lütvogt, lokaler DAAD-Lektorin zur Zeit der Verfassung der Arbeit,
für ihre hilfreiche Konsultation bei der Entschlüsselung kulturspezifischer, soziopolitischer Referenzen in einigen Anzeigen. Des Weiteren möchte ich mich bei
allen Kolleginnen der Abteilung für Deutsche Sprache und nicht zuletzt bei meinen
Eltern, insbesondere bei meiner Mutter für ihre ständige emotionale Unterstützung
bedanken, ohne deren Hilfe und aufmunternde Worte diese Arbeit nicht hätte
geschafft

werden

können.


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ........................................................................................................... 1
1.1. Themenwahl und Zielsetzung ........................................................................ 1
1.2. Forschungsfragen und Aufbau der Arbeit ...................................................... 3
1.3. Forschungsmethoden und Vorgehensweise.................................................... 5
2. Der Text aus textlinguistischer, stilistischer und pragmatischer Sicht ........... 6
2.1. Kriterien der Textualität .............................................................................. 10
2.1.1. Die textinternen Kriterien ...................................................................... 11
2.1.2. Die textexternen Kriterien ..................................................................... 16
2.1.3. Die neuen Kriterien zur Textualitätsbetrachtung .................................... 20
2.2. Der stilistische Ansatz zur Textauffassung .................................................. 22
2.2.1. Stilabsicht – Stilwirkung – Stilfunktion ................................................. 24
2.2.2. Die funktionalstilistische Theorie .......................................................... 28
2.3. Der pragmatische Ansatz zur Textauffassung .............................................. 31
2.3.1. Textsorten und Textsortenbeschreibung ................................................ 33
2.3.2. Dimensionen der Textsortenbeschreibung ............................................. 37
3. Die Textsorte Werbeanzeige ........................................................................... 46

3.1. Werbung als Kommunikation ...................................................................... 46
3.2. Der Appell der Werbung: Das Zusammenspiel von Funktion und Stil ......... 53
3.3. Entwurf eines Analysemodells für Werbeanzeigen ...................................... 59
4. Die Korpusanalyse ........................................................................................... 63
4.1. Übersicht der Werbeanzeigen in den Spiegel-Ausgaben 2011-2015 ..................... 63
4.2. Analyse ausgewählter Werbeanzeigen nach Produkt-/Markenbereich .......... 68
4.2.1. Automobil ............................................................................................. 69
4.2.2. Finanz und Banking .............................................................................. 73
4.2.3. Telekommunikation .............................................................................. 77
4.2.4. Zeitung .................................................................................................. 79
4.2.5. Energie .................................................................................................. 84
4.2.6. Soziale/Humanitäre Förderung .............................................................. 88


4.3. Potenziale des Korpus in der Unterrichtspraxis ............................................ 92
4.4. Fazit ............................................................................................................ 94
5. Schlussfolgerung und Ausblick ....................................................................... 97
Literaturverzeichnis .......................................................................................... 100
Anhang …………………………………………………………………………..103


Abbildungs- & Tabellenverzeichnis
Abbildung 1. Die Textualitätskriterien und ihren Relationen......................................................... 11
Abbildung 2. Der Text als Sprachhandlung .................................................................................. 17
Abbildung 3. Beziehungen zwischen Intentionalität, Akzeptabilität und Informativität ................. 18
Abbildung 4. Aspekte der stilistischen Auffassung ....................................................................... 26
Abbildung 5. Taxonomie der Textsortenklassifikation .................................................................. 36
Abbildung 6. Textfunktionen nach Heinemann/Viehweger ........................................................... 43
Abbildung 7. Werbung und deren untergeordneten Textsorten...................................................... 47
Abbildung 8. Werbetext als Träger der Werbebotschaft ................................................................ 48

Abbildung 9. Ein Beispiel des Kommunikationsprozesses durch Werbeanzeigen .......................... 51
Abbildung 10. Das Synthesemodell zur Werbeanalyse von Janich ................................................ 61
Abbildung 11. Anzahl der Anzeigen in großen Formaten in den Top-10-Bereichen ...................... 67
Abbildung 12. Anzeigen im Bereich Automobil: VW und Lexus .................................................. 69
Abbildung 13. Fließtexte: VW Golf MATCH und Lexus CT 200h Vollhybrid.............................. 71
Abbildung 14. Anzeigen im Bereich Finanz und Banking: Sparkasse und DiBa-Bank .................. 73
Abbildung 15. Fließtexte: Sparkasse und DiBa-Bank ................................................................... 74
Abbildung 16. Anzeigen im Bereich Telekommunikation: 1&1 All-Net-Flat und T-Mobile
MagentaEINS .............................................................................................................................. 77
Abbildung 17. Fließtext: 1&1 All-Net-Flat ................................................................................... 78
Abbildung 18. Anzeigen im Bereich Zeitung: Frankfurter Allgemeine Zeitung und Bilanz ........... 80
Abbildung 19. Slogan: Bilanz ...................................................................................................... 82
Abbildung 20. Anzeigen im Bereich Energie: BMW und GE ....................................................... 84
Abbildung 21. Fließtexte: BMW und GE ..................................................................................... 86
Abbildung 22. Anzeigen im Bereich Sozialer Förderung: Aktionsplan Integration und Aktion
Mensch ........................................................................................................................................ 88
Abbildung 23. Fließtext: Aktionsplan Integration ......................................................................... 89
Tabelle 1. Formen der Wiederaufnahme ....................................................................................... 13
Tabelle 2. Vergleich der textsemantischen Ansätze Thema-Rhema-Gliederung und
Themenentfaltung ........................................................................................................................ 15
Tabelle 3. Stilbegriffe von Sandig (2006: 1f.) ............................................................................... 23
Tabelle 4. Klassifizierungen der Stiltypen .................................................................................... 30
Tabelle 5. Unterscheidungsmerkmalen zwischen dem Geschriebenen und Gesprochenen ............. 38
Tabelle 6. Das Konzept der Weltspezifik von Adamzik ................................................................ 39
Tabelle 7. Brinkers Textklassen auf Basis der Sprechakttypen ...................................................... 42
Tabelle 8. Mögliche zusätzliche Funktionen von Werbetexten (vgl. Borschers 2013: 284-294) ..... 53
Tabelle 9. Bausteine einer Werbeanzeige ..................................................................................... 57
Tabelle 10. Die visuell-rhetorische Kategorien bei Werbeanzeigen ............................................... 58
Tabelle 11. Entwurf des Analysemodells für Werbeanzeigen ........................................................ 62
Tabelle 12. Gesamte Werbeanzeigen in den ausgewählten Spiegel-Ausgaben nach Druckformat .. 64

Tabelle 13. Gesamte Werbeanzeigen in ausgewählten Ausgaben nach Produkt-/Markenbereich ... 65
Tabelle 14. Übersicht der ausgewählten Anzeigen in der Analyse ................................................. 68
Tabelle 15. Unterschiede der analysierten Anzeigen bezüglich Textfunktion und Werbewirkung .. 95


1. Einleitung
1.1. Themenwahl und Zielsetzung
„Print ist tot!“ lautet ein beliebtes Schlagwort der Medienwelt des neuen
Jahrhunderts. Angesichts des blitzschnellen Wachstums digitaler Werbungmedien
scheint es das Ende der Welt für Printwerbung im Allgemeinen und Werbeanzeigen
im Besonderen zu sein. Trotzdem existiert die Printwerbung. Print ist tot, aber es
lebe Print, denn im Wesentlichen liegt die Essenz der Printwerbung, oder
irgendeiner Form der Werbung, nicht in dem Inhalt, was dabei vermittelt wird, nicht
in dem Medium, wodurch die Vermittlung erfolgt, auch nicht in der Form, wie der
Inhalt im Medium gestaltet wird, sondern in der Funktion, auf den Menschen
attraktiv zu wirken und zu überzeugen.
Die Werbung selbst und deren appellative Funktion erweisen sich als „Urphänomen
der menschlichen Existenz“ (Kloss 2007: 26). Sie gehen auf die Anfangszeiten der
Menschheit zurück und werden wahrscheinlich existieren, so lange die Menschen
leben. Die ersten dokumentierten Zeugnisse von systematisch betriebener Werbung
lassen sich in der Antike betrachten (Kloss 2007: 27), uneinheitliche vorentwickelte
Formen mögen noch ferner rückwärts auf der Zeitachsel der Geschichte von Homo
Sapiens vorkommen sein, denn durch Werbung wird eine, zwar einseitige, Form
von Kommunikation angeboten, was „nicht nur ein Bestandteil, sondern vielmehr
eine Grundvoraussetzung unseres Lebens und Überlebens in der [Gesellschaft] ist“
(Scheier/Held 2012: 36). Trotz der langen Geschichte, die „so alt wie die
Menschheit“ ist“ (Kloss 2007: 26), hat Werbung längst eine unterdrückte Existenz
als „etwas Banales und Alltägliches“ (Zurstiege 2015: 33) geführt und sich erst um
die 20. Jahrhundertwende das Rampenlicht, besonders in der Wirtschaft und auch in
der Wissenschaftslandschaft, gewonnen, in erster Linie in der Psychologie,

Soziologie, Kommunikationswissenschaft und in Teildisziplinen der Ökonomie, wo

1


Werbung als ein verbindliches Untersuchungsobjekt auftritt (vgl. Borschers 2013:
31, Zurstiege 2015: 34).
Die Frage ist: Welchen Stellenwert nimmt Werbung als Forschungsgegenstand in
einer linguistischen Arbeit ein? In der gegenwärtigen Gesellschaft genießt Werbung
eine privilegierte Behandlung: Ihre multimediale, schnell wechselnde Omnipräsenz
ist dank des technologischen Aufschwungs der 90er Jahre ein fester Teil unseres
Lebens geworden. Auf den ersten Blick scheint es eher sinnvoll, sich mit Werbung
unter sozioökonomischer oder wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive zu
beschäftigen. Innerhalb der „Mainstream-Werbeforschung“ lässt sich „schnell ein
Fokus“ auf Werbewirkungen und effektive Persuasionsstrategien legen (Borschers
2013: 14), trotzdem leidet sie bereits an einem Mangel wissenschaftlicher Theorien,
sodass selbst in der kommunikationswissenschaftlichen Werbeforschung noch
„nach der eigenen Identität“ gesucht wird (vgl. Borschers 2013: 14ff.). Hemmungen
und Schwierigkeiten vermehren sich weiter in einer Disziplin mit Randstellung
bezüglich der Forschung von Werbung: Wegen der flüchtigen, schwankenden Natur
von Werbung mangelt es einerseits in den linguistischen Forschungsfeldern an
systemischen, ganzheitlichen Beiträgen, andererseits wird die Landschaft von
„methodisch[er] Unsicherheit im Umgang mit Werbetexten“ geplagt (vgl. Janich
2013: 12, 113).
Diesem systematischen Mangel steht ein Versuch zur Betrachtung von Werbung im
Allgemeinen und von Werbetexten im Besonderen auf der sprachlichen Ebene
gegenüber. Diesbezüglich vertritt Janich (2013: 113) zwar dieselbe Stellung wie
Zielke (1991: 179-181, zit. n. Janich 2013: 113), dass auf systemorientierte Ansätze
zum Umgang mit Werbetexten verzichtet werden sollte, die sich lediglich mit
sprachlichen Phänomenen zwecks Feststellung generalisierter Merkmalen der

Werbesprache

beschäftigen,

erläutert

aber

weiter,

werbesprachliche

Forschungsversuche seien nicht überhaupt sinnlos oder entbehrlich, wenn sie „auf
funktionale Fragestellungen ausgerichtet sind“ (Janich 2013: 114). Die vorliegende

2


Arbeit fußt auf dieser Stellungnahme und setzt sich zum Ziel zu bestätigen, dass es
sich tatsächlich lohnt, sich mit Werbung anhand linguistischen Sichtweisen zu
befassen.

1.2. Forschungsfragen und Aufbau der Arbeit
Die Arbeit beschäftigt sich mit der Textsorte Werbeanzeige im Allgemeinen und
mit einer stilistisch-pragmatischen Analyse von ausgewählten Werbeanzeigen. Da
es bisher in der Textlinguistik kein spezifisch textsortenorientiertes Analysemodell
zur Verfügung gestellt wird1, tritt in erster Linie die grundlegende Frage ein, wie
sich Werbeanzeigen aus multidisziplinärer Sicht betrachten und analysieren lassen
sollten. Um diese zentrale Frage zu beantworten bedarf es im ersten Schritt der
Bestimmung, inwiefern und anhand welcher Kriterien sich Werbeanzeigen als

Texte definieren lassen können. Diese Einschränkung der Textklasse dient dazu,
relevante textlinguistische Betrachtungsdimensionen zu bestimmen, die zum
Entwurf eines Analysemodells für die spezifische Textsorte der Werbeanzeigen
dienen. Dabei ergeben sich folgende Teilfragen:
 Was lässt sich eigentlich als Text definieren? Welche Ansätze zum
textlinguistischen Umgang erweisen sich als relevant für eine Werbeanalyse
 Wie lassen sich Werbung im Allgemeinen und Werbeanzeigen im
Besonderen

aus

textlinguistischer

Sicht

definieren?

Welche

textsortenspezifischen Merkmale in Bezug auf Werbeanzeigen sollten
beachtet werden?

1

Bei Janich wird ein ausführliches Analysemodell zum Analysieren von Werbetexten vorgeschlagen, das
sich aber nicht auf Spezifika der einzelnen Textsorten dieser Textklasse konzentriert. Da das Raster die
stilistische, mediale und modale Komplexität der gesamten untergeordneten Textsorten berücksichtigen
muss, ergibt sich als Resultat ein recht komplex aufgebautes, multischichtiges Modell, das sich mit
Berücksichtigung des Forschungsziels und -gegenstandes dieser Arbeit modifizieren lassen sollte. Mehr dazu
im Näherem, 3.3.


3


 Wie lässt sich ein Modell zum Analysieren von Werbeanzeigen anwenden?
Welche Erkenntnisse ergeben sich bei der Anwendung dieses Modells?
Um die Forschungsfrage und deren Teilfragen zu beantworten, konzentriert sich die
Arbeit auf eine kontrastive Darstellung von Theorien nicht nur innerhalb der
Textlinguistik, Pragmatik und Stilistik, sondern auch in den Stammbereichen der
Werbung, nämlich Wirtschafts- und Kommunikationswissenschaft, sowie auf eine
Korpusanalyse am Material des Nachrichtenmagazins Der Spiegel aus den Jahren
2011 bis 2015. Der Hauptteil der Arbeit wird dementsprechend zweigliedrig
aufgebaut:

mit

den

theoretischen

Grundlagen,

deren

Darstellung

um

Übersichtlichkeit und Klarheit der Struktur der Arbeit willen in den zwei ersten
Kapiteln erfolgt, und den Untersuchungsergebnissen im letzten Kapitel des

Hauptteils.
In Umgang mit den theoretischen Grundlagen wendet die Arbeit einen top-downAnsatz an und beschäftigt sich zuerst mit dem Text als sprachwissenschaftlicher
Gegenstand und den unterschiedlichen, vielschichtigen Ansätzen zur Betrachtung
des Textes. Im nächsten Kapitel nähert sich die Arbeit dem eigenen
Forschungsgegenstand an, indem der Blick den Werbeanzeigen selbst zugeworfen
wird. Hier lassen sich Werbeanzeigen von dem sozio-wirtschaftlichen Begriff der
Werbung abgrenzen und aus linguistischer Sicht definieren, anhand dessen
Textsorte- und Stilmerkmale bestimmt werden, die zur Konstruktion eines
passenden Analysemodells benötigt sind. Im nächsten Kapitel lassen sich ein
Korpus von ausgewählten Werbeanzeigen erstellen, das gemäß dem synthetisierten
Modell nach pragmatischen, textlinguistischen, stilistischen und kommunikativen
Kriterien analysiert wird. Der Kapitel schließt sich mit einem kurzen Fazit der
Untersuchungsergebnisse und der Didaktisierungspotenziale des Korpus ab, und
führt zu der gesamten Zusammenfassung der Arbeit sowie einem Ausblick
bezüglich künftiger Entwicklungsrichtungen im fünften und letzten Kapitel.

4


1.3. Forschungsmethoden und Vorgehensweise
In der Untersuchung erfolgt anhand der theoretischen Grundlagen eine
Korpusanalyse. Aus den erworbenen Spiegel-Ausgaben in den Jahren 2011 bis 2015
lassen sich jeweils zwei Ausgaben zur Materialienselektion ausgewählt. In den zehn
Ausgaben sind insgesamt 294 Werbeanzeigen zu finden, die sich in 24 Produkt/Markenbereichen einordnen. Eine Eingrenzung der Materialien erfolgt anhand
einem dreischrittigen Auswahlprozess, sodass der endgültige Korpus aus zwölf
Anzeigen aus den Bereichen Automobil, Finanz und Banking, Zeitung, Soziale
Förderung, Telekommunikation und Energie besteht2.
Eine quantitative Übersicht von den gesamten Anzeigen in den zehn ausgewählten
Spiegel-Ausgaben


sowie

Auflistung

der

einzelnen

Anzeigen

nach

dem

Produktbereich und Anzeigegrưße befinden sich im Anhang3 und werden auch in
dem Auswahlprozess zum Korpusaufbau miteinbezogen. Im Kern der Untersuchung
liegt aber ein induktives Verfahren, wobei sich die Korpuseinträge nach den im
Modellentwurf vorgeschlagenen Beschreibungsdimensionen analysieren lassen.
Einerseits handelt es sich um pragmatische Aspekte wie Textfunktion,
Kommunikationssituation und Werbeintention; andererseits um das stilistische
Zusammenspiel verbaler, paraverbaler und nonverbaler Elemente der Textstruktur
sowie um die Anwendung spezifischer Werbestrategien; und nicht zuletzt um die
kommunikative

Aspekt

der

Werbebotschaft


und

Werbewirkung.

Die

Berücksichtigung dieser vier Beschreibungsdimensionen bezieht fundamentale
Elemente einer Werbeanzeige mit ein, die zum Stand der Werbeanzeigen als
prototypisch appellierende Textsorte beiträgt.

2

Genaueres zum Auswahlprozess und Korpusaufbau s. 4.1.
Zum Zweck künftiger Erweiterung und Ergänzung des Korpus erhalten die Anzeigen anhand der
Quellenamen, Seitenzahl, Format und Bereich einen spezifischen Code. S. im Näheren 4.1 und Anhang A.
3

5


2. Der Text aus textlinguistischer, stilistischer und pragmatischer Sicht
Das grưßte Hindernis beim ersten Schritt auf dem Weg ins Territorium der
Textlinguistik betrifft die Bestimmung des Forschungsgegenstandes: Einen
einheitlich definierten Begriff vom Text gibt es bisher in der relativ jungen
Disziplin überhaupt nicht, und so ein Begriff ist mit hoher Wahrscheinlichkeit in
absehbarer Zeit auch nicht zu erwarten4. Diese Problematik des Textbegriffs kommt
auf den ersten Blick den Alltagsmenschen seltsam vor: Regelmäßiger Umgang mit
einer Vielzahl von ´Texten´ in vielerlei kommunikativen Situationen scheint jedem
Menschen nicht unbekannt, der intuitiv solch einen ´Text´ erkennen und ohne große
Mühe auf eine anscheinend befriedigende Definition kommen kann. In

Langenscheidt (2013) findet man eine klar abgegrenzte Bedeutung des Wortes, die
die alltägliche Textvorstellung passend wiedergibt: „Ein Text ist eine Folge von
Sätzen, die miteinander im Zusammenhang stehen“. Diese Definition genügt bereits
für

den

alltäglichen

Sprachgebrauch

sowie

für

die

ökonomische

Zeichenenkodierung im Sprachsystem, aber schränkt sich ausschließlich auf dem
Bereich des Geschriebenen ein5 und klammert einige, zwar schriftliche,
Erscheinungsformen aus. Die Literatur fällt einem sofort ein, wo nicht die korrekte,
normgemäße Sprachverwendung, sondern der kreative Umgang mit der Sprache
und all ihren Bausteinen und Regeln, um jenseits der normierten Voraussetzungen
des Sprachgebrauchs zu gelangen, in den Vordergrund hervortritt. Die dadaistische
Dichtung lässt sich als ein klassisches Beispiel dafür betrachten. Wohin könnte sich
Hugo Balls allzu berühmtes Lautgedicht Karawane auf dem Gesamtbild des
Sprachsystems einordnen, das keins der bekannten sprachlichen Merkmale
nachweist? Das Werk wurde, und wird immer noch von Rezipienten ohne Zweifel


4

Dazu stellt Brinker (2010: 12) sogar die Frage, „ob es überhaupt möglich ist, einen allgemein gültigen
Textbegriff zu entwickeln, der es erlaubt, zu bestimmen, was immer und überall als Text zu gelten hat“.
5
Im Duden Bedeutungswörterbuch (2010) lässt sich ein Text zwar weniger eng als eine „(schriftlich fixierte)
im Wortlauf festgelegte, inhaltlich zusammenhängend Folge von Aussagen“ definieren, es wird aber
trotzdem auf die Schriftlichkeit fokussiert. Dies erläutert sich in den Beispielen zur Verwendung des Wortes,
die von dem Wörterbuch vorgeschlagen sind, wie z.B. „ein literarischer Text“, „einen Text entwerfen, lesen“
oder „der Text des Verfassers bleibt geheim“.

6


als ein literarischer Text anerkannt, obwohl es sich, mit Rücksicht auf dem oben
genannten

Textbegriff,

am besten

´eine

Sammlung

von

wortệhnlichen

Lauteinheiten´ nennen kưnnte, wegen der Abwesenheit von den semantischen

Bedeutungen der einzelnen Wörter sowie von einer beobachtbaren syntaktischen
Struktur, was zu dem Ausfall des Entscheidungsmerkmals des alltäglichen
Textbegriffs beiträgt.
Widdowson (2009: 17) beginnt die Oxford Einführung in die Linguistik mit Fogendem: „Language is so intricately and intimately bound up with human life, and is so
familiar an experience, that its essential nature is not easy to discern”. Die schwere
Aufgabe kommt daher auf den Sprachforscher an, das Textphänomen aus der
alltäglichen

Umgebung

herauszunehmen

und

in

einen

wissenschaftlich

akzeptierbaren Begriff zu entwickeln. Der erste Versuch zur Konstruktion eines
linguistischen Textbegriffs erfolgt im Rahmen der Semiotik: Dabei lässt sich der
Text als „das originäre sprachliche Zeichen“ betrachten (Sowinski 1983: 22, zit. n.
Gansel/Jürgens 2009: 18). Die klassische Auffassung beschreibt die Sprache als ein
Zeichensystem, das eine mehrstufige Struktur6 aus einfachen Zeichen (Lauten,
Phonemen, Morphemen), d.h. kleineren, nicht zeichenhaften Einheiten, und
komplexen, zusammengesetzten Zeichen (Wörter, Phrasen, Sätze, Texte) aufweist
(Linke et al. 2004: 40). Diese Betrachtung des Texts als grưßte sprachliche Einheit
dehnt sich in den Bereich des Strukturalismus aus, diesmal aber mit geringerem
Vorrang. Während der Text wegen seiner Bestimmung als ein komplexes

Sprachzeichen die privilegierte Aufmerksamkeit der Semiotik gewinnt, wird er vom
systemorientierten Gesichtspunkt aus in den Hintergrund verschoben. Die
strukturalistische Beschäftigung mit dem Satz und dessen Struktur führt zu einer
Randstellung des Textes, der als „eine kohärente7 Folge von Sätzen“ definiert wird
(Brinker 2010: 14).

6

Genaueres zur fünfstufigen Anordnung der sprachlichen Zeichen s. Linke et al. 2009: 39-41.
Der strukturalistische Begriff der Kohärenz unterscheidet sich von dem textlinguistischen, da bei dem
Ersteren wird lediglich auf die grammatische Ebene geachtet. Vgl. dazu Brinker 2010: 14.
7

7


Die beiden Textauffassungen befinden sich binnen Kurzem unter Kritik. Auf die
Frage der Zeichenhaftigkeit des Textes wird behauptet, ein Text habe nicht
Bedeutung an sich, im Sinne wie die kleineren Einheiten wie Morpheme oder
Wörter, und sei aus diesem Grund kein Zeichen (vgl. Gansel/Jürgens 2009: 19ff.).
Die strukturalistische Schule leidet auch an heftiger Kritik an ihren Fokus auf die
Syntax und grammatische Struktur des Satzes angesichts der Entstehung neuerer
Forschungsströmungen und -richtungen. Unter Einflüsse der linguistischen
Pragmatik, deren Interesse und Blick sich auf die metasprachliche Ebene der
situationalen Bedeutungen und kommunikativen Sprachhandlungen richten, stellt
sich die Textlinguistik der Betrachtungsweise des Textes als eines isolierten
Bausteins des Systems gegenüber und kommt zum Entschluss, „dass ein Text aber
nie in der systematischen Art und Weise Teil einer übergeordneten sprachlichen
Einheit ist, wie das für Sätze in Bezug auf Text gilt“ (Linke et al. 2004: 253). Die
zwei anfänglichen Textauffassungen der Semiotik und des Strukturalismus leugnet

Brinker (2010: 16) trotzdem nicht völlig ab: Der semiotische, der sprachsystemisch
orientierte und der kommunikationsorientierte Aspekt der Textauffassung erweisen
sich „nicht als alternative, sondern als komplementäre Konzeptionen“ und lassen
sich in einem gemäß der Raison d’être der Textlinguistik8 interdisziplinären
Versuch zur Konstruktion eines zufriedenstellenden Begriffs mit einbeziehen.
Brinker (2010: 16-19) schlägt den sogenannten integrativen Textbegriff vor, der
folgende Bestimmungen auf unterschiedlichen Ebenen umfasst:
 Der Text lässt sich als Folge von sprachlichen Zeichen betrachtet, der Satz ist
die wichtigste Struktureinheit vom Text.
 Der Text weist sowohl eine grammatische als auch thematische Kohärenz
auf

und

erhält

eine

kommunikative

Funktion

in

einer

Kommunikationssituation.
8

Zur Entstehung der Textlinguistik kommentiert Ulla Fix (2008: 16): „Die Etablierung der Textlinguistik

[…] wurde befördert durch die Tendenz der Wissenschaftsentwicklung zur Interdisziplinarität, die die
Fragestellungen über den Rahmen der eigenen Disziplin hinaus ausweitete und zugleich die Aufnahme von
Anregungen von außen mit sich brachte“.

8


 Texte als Gegenstand der Textlinguistik im Allgemeinen und der
Textanalyse im Besonderen kommen nicht nur in geschriebener, sondern
auch in gesprochener, monologischer Form9 vor.
Adamzik (2004: 42) kritisiert diese „Subsumtion von mündlichen und speziell
dialogischen Sprachvorkommen unter den Begriff Text“ und erläutert weiter, dass
sich Brinker selbst später in einer zusammengearbeiteten Veröffentlichung mit
Heinemann für eine engere Definition entscheidet, die den Begriff ´Text´, als
Gegenstand der Textlinguistik, deutlich von dem Begriff ´Gespräch´, als
Gegenstand der Diskursanalyse, unterscheidet (ebd.). Als Alternative zu Brinkers
Versuch entsteht weiterhin in der Textlinguistik ein völlig anderer Standpunkt,
nämlich der Verzicht auf einen allgemein definierten, konkreten Begriff des Textes.
Diese neue Sichtweise schränkt sich nicht mehr auf eine bestimmte Definition ein
und beschäftigt sich anstatt dessen mit der Auffassung des Textes bzw. der
Beschreibung der Textualität10 auf vielerlei unterschiedlichen Ebenen. Dieser
multidimensionale Ansatz bietet ein Raster von Textauffassungen an, die sich in
engem, interdisziplinärem Zusammenhang darstellen und mithilfe deren eine
möglichst umfassende Beschreibung des Textes als prototypischen Konzepts11
abgebildet werden kann. Es werden unterschiedliche Repertoires von Auffassungen
entwickelt, die sich zwar abhängig von dem betroffenen theoretischen Standpunkt
voneinander an manchen Stellen differenzieren, stimmen aber miteinander in der
mehrheitlichen Menge Betrachtungsaspekte überein. Darunter erweisen sich drei
Ansätze als grundlegende theoretische Standpunkte für diese Arbeit in Bezug auf
eine textlinguistische Analyse von Werbeanzeigen, nämlich die Kriterien der

Textualität, die stilistische Textauffassung und die pragmatische Textauffassung.

9

Der dialogischen Form der gesprochenen Texte widmet sich eine selbstständige Disziplin, nämlich die
Diskursanalyse (Brinker 2010: 18).
10
Diese nennt Fix (2008: 21) auch „ein konzentrisch erweiterter Textbegriff“.
11
Weiteres zur Prototypentheorie vgl. Adamzik (2004: 47ff.)

9


2.1. Kriterien der Textualität
Es kann festgestellt werden, dass der Zentralbegriff der Textualität die Wirbelsäule
der

textanalytischen

Theorien

bildet.

Die

Überlegungen

von


de

Beaugrande/Dressler (1983: 3, zit. n. Fix et al. 2003: 16) beschreiben sieben
Kriterien der Textualität, die „Texte erfüllen müssen“, um als Texte betrachtet
werden zu können. Diese klassischen Kriterien, nämlich Kohäsion, Kohärenz,
Intentionalität, Informativität, Akzeptabilität, Situationalität und Intertextualität,
beziehen sich auf sowohl die sprachliche als auch die metasprachliche und
intertextuelle Ebene und treten keinesfalls als absolute Einzelbedingungen hervor.
Fix (et al. 2004: 18) fügt ein achtes Kriterium mit Rücksicht auf die kulturelle
Ausprägung von Texten hinzu, nämlich die Kulturalität, und schlägt später (2008:
31f.) nach weiterer Beschäftigung mit der kriterienbezogenen Textauffassung die
Multikodalität und Multimedialität vor. Die insgesamt zehn Kriterien stellen der
Analyse

des

Textes,

auch

wie

bei

Brinker,

einen

interdisziplinären,


mehrfachgeschichteten Ansatz zur Verfügung, trotzdem werden sie bisher in der
Fachliteratur ausschließlich linearerweise dargestellt. Um die Betonung auf deren
zusammenhängende Beziehungen sowie komplementäre Natur zu legen, lassen sich
die Textualitätskriterien im folgenden Schema einordnen:

10


Abbildung 1. Die Textualitätskriterien und ihren Relationen

2.1.1. Die textinternen Kriterien
Unter den zehn Kriterien lassen sich die zwei ersten relativ reibungslos, auch von
Nicht-Fachleuten, gut erkennen, nämlich Kohäsion und Kohärenz, die sich schon
lange außerhalb der Textlinguistik angesiedelt haben. Bei Schreibaufgaben und
geprüfter Leistungsmessung der schriftlich produktiven Teilfertigkeit12 wird von
Lehrkräften immer angemessene Kohäsion und Kohärenz erwartet und gefordert 13.
Besonders die Kohärenz ist fest im alltäglichen Sprachgebrauch eingebettet und
taucht auch in vielen Fachgebieten ein. Als Fachterminus der Psychologie,
Informatik, Biologie usw. verkörpert der Begriff Kohärenz sehr unterschiedliche
Phänomene und Konzeptionen, weist aber trotzdem auf ein gemeinsames Semem
auf, das die Denotation der allgemeinen Bedeutung des Wortes bildet:
´zusammenhängend sein´. Diese lässt sich in der Textlinguistik in zwei
komplementär gegensätzlichen Begriffen entwickeln. Als Realisierungsformen des
sogenannten transphrastischen Ansatzes zur Textanalyse bezieht sich die Kohäsion
auf den grammatischen und die Kohärenz auf den thematischen Zusammenhang des
Textaufbaus. Die Transphrastik charakterisiert Texte als „phrasen- bzw.
satzübergreifende (transphrastische) Einheiten“ (Gansel/Jürgens 2009: 35)14 und
beschäftigt sich deswegen mit Mikrobeschreibungen im textinternen Bereich.
Der Unterschied zwischen den Textualitätskriterien Kohäsion und Kohärenz besteht
darin, dass das eine sich mit den textoberflächlichen Ausdrucksmitteln und -formen

befasst, das andere mit der tiefliegenden, abstrakten Struktur des Textes. Fix (2008:
12

Kohäsion und Kohärenz, in diesem Sinn, beschränken sich nicht ausschließlich auf dem Bereich des
Schreibens, auch in der Pädagogik. Wie oben erläutert wird aber meistens bezüglich dessen lediglich an die
Schriftlichkeit gedacht.
13
Und wurden sogar zum festen Bestandteil der Bewertunsgkriterien jedes GER-basierten Prüfungssystems.
14
Die transphrastische Perspektive beginnt ihre Existenz unter direkter Beeinflussung der anfänglichen
system- und strukturorientierten Textauffassung und beschreibt Texte als „strukturrelle Einheiten vom
gleichen Typ wie Sätze“ (Vater 1992: 20, zit. n. Gansel/Jürgens 2008: 57) sowie nimmt an, der Satz sei die
Struktureinheit des Textes.

11


21) betont diesen Kontrast zwischen Kohäsion und Kohärenz und stellt fest, bei
Kohäsion gehe es um „grammatische Abhängigkeiten“, bei Kohärenz „semantischthematische Qualität“. Brinker (2010: 23ff.) behauptet jedoch, dass diese zwei
Kriterien zwar auf anscheinend völlig gegenüberstehende Analyserichtungen liegen,
jedoch überhaupt nicht voneinander abgetrennt werden können, und stellt drei
mögliche Arten von vergleichbaren analysierbaren Texteinheiten vor: Textsegment
(dessen grammatische Einteilung durch Interpunktion erfolgt), Satz (aus
syntaktischer Sicht) und Proposition (die Satzbedeutung für dessen ausgedruckten
Sachverhalt). Diese „Inhaltsseite“ des Satzes, die Brinker von dem klassischen
Konzept des propositionalen Gehalts von Searle ableitet, führt zu der Frage, ob es
zur Betrachtung des Kriteriums Kohäsion rein auf die grammatischen Merkmale der
Textoberfläche angeschaut werden sollte15. Unter den möglichen Merkmalen der
Kohäsion nennt Eroms (2008: 44) in erster Linie außer einem kohärenten Tempus
und der Verwendung von Konnektoren auch ein erkennbares Thema, das offenbar

zum Bereich der Semantik gehört, und zählt dazu sogar Harwegs „pronominale
Verknüpfung“, was sich als ein zentrales Konzept der Kohärenz in der dominanten
Literatur16 ergibt.
Unter

dem

Begriff

Pronominalisierung

lässt

sich

ein

Verfahren

zur

Textkonstituierung mit „[einer] entscheidend[en] Rolle“ verstehen, wodurch der
Text sich als „ein durch ununterbrochene pronominale Verkettung konstituiertes
Nacheinander sprachlicher Einheiten“ identifizieren (Harweg 1968: 148, zit. n.
Gansel/Jürgens 2009: 37). Diese ununterbrochene Verkettung zeigt sich entweder
explizit oder implizit in der sogenannten Wiederaufnahmestruktur des Textes. Es
werden folgende Arten der Wiederaufnahme dargestellt (vgl. Brinker 2010: 26-35;
Gansel/Jürgens 2009: 38-39):
15


Brinker (2010: 25) behauptet sogar, die Proposition sei für die Analyse der Textstruktur nicht nur auf
grammatischer, sondern auch auf thematischer Ebene grundlegend. Mehr zum textlinguistischen Begriff
Proposition vgl. Gansel/Jürgens 2009: 44-47 und Lötscher 2008: 94-96.
16
Brinker (2010: 26) unterscheidet zwischen grammatischen und thematischen Bedingungen der Kohärenz,
wodurch die Unmöglichkeit einer klaren Trennung der zwei Kriterien weiterhin hervorgehoben wird. Die
Pronominalisierung ordnet sich dabei beiden Kategorien zu.

12


explizite Wiederaufnahme: mit Referenzidentität bzw. voller Koreferenz
(Beispiele von Gansel/Jürgens)
Jeans – Jeans
(e1) wörtliche Wiederholung

(e2)

ein synonymer Ausdruck

Jeans – die edelsten Hosen der Welt

(e3)

Pro-Formen

(e4)

Hyperonymie/Hyponymie


Jeans sind die edelsten Hosen der Welt.
Dafür verzichte ich doch (…)
Jeans – Hosen

implizite Wiederaufnahme: ohne Referenzidentität bzw. mit partieller Koreferenz
(Beispiele von Brinker)
17
Niederlage – Sieg
(i1) logische Kontiguität

(i2)

ontologische Kontiguität

Blitz – Donner

(i3)

kulturelle Kontiguität

Kirche – Turm

Tabelle 1. Formen der Wiederaufnahme

In den folgenden Abschnitten aus Kafkas Kurzgeschichte Die Verwandlung18 sind
einige der Wiederaufnahmeverhältnisse zu finden19:
[…] und außerdem ist mir noch diese Plage des Reisens auferlegt, die Sorgen um
die (i3) Zuganschlüsse, das unregelmäßige, schlechte Essen, ein immer
wechselnder, nie andauernder, nie herzlich werdender menschlicher (i3) Verkehr.
[…]

[…] Er glitt wieder in seine frühere Lage zurück. »Dies frühzeitige (i2) Aufstehen«,
dachte er, »macht einen ganz blưdsinnig. Der Mensch m seinen (i2) Schlaf
haben. (e2) Andere Reisende leben wie Haremsfrauen. Wenn ich zum Beispiel im
Laufe des (i1) Vormittags ins Gasthaus zurückgehe, um die erlangten Aufträge zu
überschreiben, sitzen (e2) diese Herren erst beim (i1) Frühstück. […]
[…] Er versuchte es daher, zuerst den (e4) Oberkörper aus dem Bett zu
bekommen, und (e3) drehte vorsichtig den (e4) Kopf dem Bettrand zu. (e3) Dies
17

bzw. „syntagmatische semantische Affinität“ (Harweg: 1979: 192, zit. n. Gansel/Jürgens 2009: 39).
kostenlos verfügbar, von Projekt Gutenberg bereitgestellt.
19
Diese kurze Analyse kann nicht alle Realisierungsmöglichkeiten der Verhältnisse und deren Unterarten
beachten. Vgl. Brinker (2010: 26-44) für eine tiefgründliche Erläuterung.
18

13


gelang auch leicht, und trotz ihrer Breite und Schwere folgte schlilich die
Kưrpermasse langsam der Wendung des Kopfes. […]

Brinker (2010: 37) behauptet, das Prinzip der Wiederaufnahmen erweise sich zwar
als fundamentales Konstituierungsmittel, sei aber nicht ausreichend für die
Bestimmung der Kohärenz des Textes. Zur Verfügung stehen der semantischthematischen Textanalyse zwei weitere Kernkonzepte20: Thema-Rhema-Gliederung
und Themenentfaltung, beide basieren auf das Wiederaufnahmeprinzip (Fix et al.
2003: 22, Gansel/Jürgens 2009: 41) und dieses in unterschiedlich grưßerem
Analyseumfang realisieren. Bei der Thema-Rhema-Gliederung handelt es sich um
eine funktionale Analyse der thematischen Progression vom Satz zum Satz (vgl.
Eroms 2008: 45, Gansel/Jürgens 2009: 43), bei dem Themenentfaltungskonzept um

eine kommunikative Analyse der thematischen Entwicklung in der Makrostruktur
des Textes (vgl. Brinker 2010: 54, Gansel/Jürgens 2009: 43).
Anhand der Thema-Rhema-Gliederung wird der Satz „in zwei Teile zerleg[t]“
(Linke et al. 2004: 268), nämlich Thema und Rhema. Zu verstehen ist unter dem
Begriff Thema „das, worüber etwas mitgeteilt wird“, unter Rhema „das, was über
das Thema mitgeteilt wird“ (Brinker 2010: 44). Mit anderen, vereinfachten Worten:
Das Thema verkörpert das Vorhandene, Bekannte, das Rhema das Neue,
Unbekannte in einem Satz. Im Vergleich dazu tritt der Begriff Thema aus Sicht der
Themenentfaltungstheorie als Kern des Textinhalts bzw. Textthema auf und lässt
sich „entweder in einem bestimmten Textsegment […] realisier[en], oder […] aus
dem Textinhalt abstrahieren“ (Brinker 2010: 50).
Thema-Rhema-Gliederung

Themenentfaltung

Umfang

Satz

Textsegment

Analyse





Beziehungen zwischen

20


Beziehungen zwischen

Der semantisch analytische Ansatz beschränkt sich nicht nur auf die drei obengenannten Theorien. Die
Arbeit konzentriert sich aber nicht auf diese Ebene und überspringt demzufolge andere Betrachtungsweisen
wie das Isotopie-Konzept oder die Frames-und-Scripts-Theorie. Weiteres dazu vgl. Linke et al. 2004: 260267, Eroms 2008: 48-50.

14


Satzteilen

Teilinhalten


Unterarten

Progression von Thema und
Rhema
(Eroms 2008: 46-47)





lineare Progression



deskriptive Themenentfaltung




Progression mit
durchlaufendem Thema
Progression mit abgeleitetem
Thema



narrative Themenentfaltung



explikative Themenentfaltung

Progression mit gespaltetem
Rhema
Progression mit einem
thematischen Sprung



argumentative
Themenentfaltung






Verknüpfung der Teilthemen
zum Textthema
(Brinker 2010: 23)

Tabelle 2. Vergleich der textsemantischen Ansätze Thema-RhemaGliederung und Themenentfaltung

Da der eine die thematische Progression innerhalb des Satzes und der andere die
Verknüpfung der in Textsegmenten realisierten Teilthemen betrifft, ergeben sich
diese zwei Ansätze nicht als gegenteilige Methoden zur

Analyse der

Texttiefstruktur, und sollten auch nicht von dem Pronominalisierungsverfahren
abgetrennt werden. Wichtig ist bei der Textanalyse keinen einzelnen Ansatz zu
bevorzugen und den Text unter möglichst vielen Aspekten zu betrachten, um
einseitige, mangelhafte Ergebnisse zu vermeiden. Dies lässt sich anhand der
Analyse folgenden Abschnitts von Der Verwandlung beleuchten:
[…] (1) Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand
er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. (2) Er lag auf
seinem panzerartig harten Rücken und sah, wenn er den Kopf ein wenig hob,
seinen gewölbten, braunen, von bogenförmigen Versteifungen geteilten Bauch, auf
dessen Höhe sich die Bettdecke, zum gänzlichen Niedergleiten bereit, kaum noch
erhalten konnte. (3) Seine vielen, im Vergleich zu seinem sonstigen Umfang
kläglich dünnen Beine flimmerten ihm hilflos vor den Augen. […]

15


Bezüglich der Art der Themenentfaltung ordnet sich der Abschnitt der narrativen
Entfaltungsstruktur einer Erzählung ein. Obwohl es sich kein vollständiger Text im

Beispiel befindet, lassen sich bereits zwei Komponente der Grundstruktur einer
Erzählung21 innerhalb der drei Sätze bzw. Segmente erkennen: Im ersten Segment
wird das Thema des Textes situiert (Der Beteiligte der Situation befindet sich am
Morgen in seinem Bett), in den zwei nächsten erfolgt die erste Phase der
Repräsentation des Themas, wo der Mann seine körperlichen Veränderungen
bemerkt. Anhand der Thema-Rhema-Gliederung ist eine Progression mit
durchlaufendem Thema von (1) zu (2) zu beobachten (Gregor Samsa – er), von (2)
zu (3) eine Progression mit abgeleitetem Thema (er – seine Beine). Dies trägt
zusammen mit der logischen Kontiguität, dass ein gewölbter, brauner Bauch (2) und
kläglich dünne Beine (3) zu einem Ungeziefer (1) passt, dazu bei, eine kohärente
Beschreibung des Teilthemas des Abschnitts zu gestalten.

2.1.2. Die textexternen Kriterien
Mit den Merkmalen der Kohäsion und Kohärenz schließt sich die Textauffassung
auf der unmittelbaren Ebene der Sprache. Obwohl die Auffassung der Textstruktur
bei Brinker bereits eine deutliche Gewichtung auf die Analyse der Tiefenstruktur
des Textes legt, die zwar nicht explizit auf der Textoberfläche zu beobachten ist,
aber wieder von sprachlichen Zeichen bei deren Interpretation abhängt. Andere
Gesichtspunkte22, unter Einflüssen der Pragmatik, einigen sich auf die Auffassung
des Texts als sprachliche Handlung sowie auf eine mehrfachgeschichtete
Betrachtung des Textes. Dabei wird mit Rücksicht auf dem transphrastischen
Textzugang versucht, die traditionellen Konzepte der Kohäsion und Kohärenz noch
zur Textauffassung miteinzubeziehen, aber auch den Text grưßtenteils aerhalb

21

Diese Grundstruktur umfasst drei Bestandteile: Situierung, Repräsentation und Resümee. Weiteres dazu
vgl. Brinker 2010: 60-65.
22
Die Theorie der Textualitätskriterien wird ursprünglich von de Beaugrande/Dressler vorgeschlagen, und

später u. a. von Fix unterstützt und weiterentwickelt.

16


dessen sprachlicher Beschränkungen zu berücksichtigen. Im textexternen Bereich
werden im Vergleich zu dem textinternen insgesamt sechs Kriterien diskutiert, die
sich in unterschiedliche pragmatische und kognitive Domäne einordnen.
Aus pragmatischer Sicht treten die drei Kriterien Intentionalität, Akzeptabilität
und Informativität in engem Zusammenhang miteinander hervor. Angesichts der
Stellung des Textes als sprachlicher Handlung betreffen die zwei ersteren Kriterien
jeweils

die

senderbezogenen

und

empfängerbezogenen

Bedingungen

der

Textkonstruktion, während das letztere Kriterium sich auf den Prozess der
Textproduktion bzw. -rezeption richtet.

Abbildung 2. Der Text als Sprachhandlung


Fix (et al.2003: 17) definiert die Intentionalität als „die Absicht des Produzenten,
eine kohäsiven und kohärenten Text zu bilden, um ein bestimmtes Ziel zu
erreichen“, und die Akzeptabilität als „[die] Einstellung, einen kohäsiven und
kohärenten Text zu erwarten, der für ihn nützlich oder relevant ist“. Anders gesagt
üben beide Kriterien direkte Einflüsse auf die Kohäsion und Kohärenz des Textes,
einerseits zur Realisierung des vom Produzenten intendierten illokutionären und
perlokutionären Aktes, andererseits bei der Annahme des vom Rezipienten zu
interpretierenden illokutionären Aktes. Im Gegensatz dazu bezieht sich die
Informativität direkt auf die im Text vermittelten Informationen, die zu einem
kohäsiven und kohärenten Aufbau zwecks Erfüllung der Erwartungen auf der Seite
des

Empfängers

beitragen,

was

zum

Ziel

der

„Aufrechterhaltung

der

Kommunikation, indem man Informationen nicht zu schwierig oder nicht zu
ermüdend formuliert“ (Fix et al. 2003: 17f) dient.


17


Abbildung 3. Beziehungen zwischen Intentionalität, Akzeptabilität und Informativität

In dieser Hinsicht bilden sich die drei Kriterien eine Triade, die eng verbundene
Beziehungen und Auswirkungen aufweist. Bei der Textproduktion bezieht der
Verfasser Hypothesen und Prognosen über den Bedarf dessen intendierten
Rezipienten mit zur Überlegung des kommunikativen Ziels ein. Dementsprechend
wird die Informativität des Textes, d.h. was und wie viel gesagt wird, und wie es
gesagt werden sollte, erschafft. Z.B. unterscheidet sich ein Fachtext zum Thema
„Erneuerbare Energien“ in einer umwelttechnologischen Konferenz großermaßen
durch die Anzahl und Komplexität der im Text vermittelten Informationen sowie
durch Formulierungsmittel und Sprachstil o. Ä. von einem Beitrag über dasselbe
Thema in einem Fachbuch für Kinder. Wie und inwiefern die gestaltete
Informativität

den

wirklichen

Erwartungen

des

Empfängers

nahekommt,


entscheidet den Erfolg der sprachlichen Handlung. Bei der Textrezeption werden
zuerst die vermittelten Informationen durch Leseverstehen wahrgenommen und
dabei die Informativität asseriert, in der sich die Intention des Produzenten
widerspiegelt. Anhand von dieser informativen Analyse erfolgt die Interpretation
der impliziten Bedeutungen bzw. des Sinns des Textes, deren Resultat dem
anfänglichen Kommunikationsziel je nachdem entspricht, ob der erwartete
Bewirkungsversuch durch den Text realisiert und erfüllt wird.

18


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